Geldpolitik muss Assetpreisblasen verhindern - so gut es geht
Eine Zentralbank sollte sich nur um die Stabilität der Güterpreise kümmern. Oder muss sie auch Überhitzungen auf Aktien- und anderen Vermögensmärkten verhindern?
"Lean or clean?" Mit diesen drei Worten versteht es die englische Sprache, eine komplexe geldpolitische Frage zusammenzufassen. Es geht um die Problematik, ob eine Zentralbank sich gegen das Entstehen von Vermögenspreisblasen stemmen soll (lean) oder ob sie sich damit abfinden soll, dass sie nach dem Platzen der Blase mit entsprechenden Maßnahmen die Finanzmärkte wieder aufräumen muss (clean). Die Diskussion ist angesichts der weltweit zu beobachtenden Übertreibungen an Aktien- und anderen Vermögensmärkten und der zu erwartenden Zinswende in den USA hochaktuell. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, unter deren Dach alle Zentralbanken organisiert sind, hat zu dieser Thematik in ihrem jüngsten Jahresbericht erneut Stellung bezogen - zugunsten der "lean"-These. Ein prominenter Vertreter des "clean"-Ansatzes ist dagegen der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan. Sinngemäß wird er gerne mit dem Satz zitiert: "Es ist besser, eine Blase von alleine platzen zu lassen und anschließend das Chaos zu beseitigen, statt durch Zinserhöhungen zu versuchen, Luft aus entstehenden Blasen zu lassen."
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat eine auf den ersten Blick differenziertere Meinung zu dieser Diskussion und ist dabei ausnahmsweise auf der gleichen Linie wie der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Demnach sei der Leitzins ein viel zu grobes Instrument, um Blasen in bestimmen Finanzmarktsegmenten zu bekämpfen. Zielführender sei es, durch so genannte makroprudentielle Maßnahmen, z.B. dass Banken höhere Beleihungswerte bei der Aufnahme von Hypothekenkrediten verlangen müssen, Übertreibungen zu verhindern.
Das klingt zunächst überzeugend. Warum soll man mit einem Breitbandantibiotikum eine lokale Entzündung bekämpfen? Bei genauerem Hinsehen ist das Argument des Bundesbankpräsidenten, der sich damit letztlich auf die Seite der "clean"-Anhänger schlägt, nicht sehr stichhaltig.
Ganz abgesehen davon, dass vollkommen unklar ist, wer wann welche makroprudentiellen Instrumente einsetzen sollte, basiert der Ansatz auf einer grundlegenden Fehleinschätzung. Der Ansatz geht nämlich davon aus, dass man alle Gefahren an den Finanzmärkten durch ausreichende Beobachtung im Blick haben kann - ein Irrglaube. Die Finanzmärkte sind eine Innovationsmaschine, bei denen immer wieder neue Instrumente geschaffen werden, die zu einem großen Teil das Ziel haben, regulatorischen Maßnahmen auszuweichen und Risiken klein erscheinen zu lassen. Der Buchstabensalat von ABS, CDS, CMBS, CLO, CDO, SIV usw. (die meisten dieser Instrumente stehen im Zusammenhang mit handelbaren Kreditverbriefungen), die im Zentrum der letzten Finanzmarktkrise standen, macht das deutlich. Wenn also an einer Stelle des Finanzmarktes Fehlbewertungen in einem größeren Ausmaß zu beobachten sind, dann ist dies möglicherweise ein Hinweis darauf, dass im Hintergrund andere, vielleicht problematischere Übertreibungen lauern, die sich außerhalb des Radars der Aufsichtsinstitutionen befinden. Die Verteuerung des Kredits durch Leitzinserhöhungen ist das einzige Instrument, dass in jede Ecke des Finanzmarkets vordringt. Zentralbanken sollten sich daher nicht hinter dem vagen Konzept der makroprudentiellen Regulierung verstecken, sondern vielmehr dafür einsetzen, dass ihr Mandat um das Ziel "Verhinderung Assetspreisblasen, die langfristig die Stabilität der Gesamtwirtschaft in Gefahr bringen" erweitert wird. Eine einseitige Konzentration auf die Stabilität der Konsumentenpreise ist nicht ausreichend.
Dr. Cyrus de la Rubia ist Chefvolkswirt der HSH Nordbank. In seiner Kolumne kommentiert er regelmäßig geldpolitische Themen und beleuchtet deren volkswirtschaftlichen Auswirkungen.
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