Zerti auf den WIG 20: Polens politische Börse

von Emmeran Eder, Euro am Sonntag

Nicht jeder verbringt Weihnachten daheim. Manche bleiben lieber im Parlament - wie die Oppositionsabgeordneten in Warschau. Mit einer Sitzblo­cka­de protestierten sie 27 Tage lang bis vergangene Woche gegen neue Medienregeln im Parlament, die die Berichterstattung eingeschränkt hätten.

Die Regierung hat das strenge Regelwerk zurückgenommen. Doch nach wie vor baut die Regierungspartei PiS unter ihrem Parteichef Jaroslaw Kaczynski ihre Macht aus. Medien und Justiz hat der heimliche Herrscher Polens mit seinen Leuten besetzt. Das Verfassungsgericht wurde kaltgestellt, missliebige Beamte und Richter entlassen.

Trotz heftiger Kritik vonseiten der Opposition und der EU am Regierungskurs in Warschau hat die Wirtschaft seit der Macht­übername der PiS im November 2015 kaum gelitten.

2016 legte das BIP Polens um 3,9 Prozent zu, 2017 wird mit gut drei Prozent gerechnet. Ursache für das robuste Wachstum ist vor allem der Konsum, der stark zulegte. Im letzten Jahr kletterten die Löhne um vier Prozent. Dieser Trend wird sich 2017 fortsetzen. Hat die Regierung doch zum 1. Januar den Mindestlohn um acht und die Mindestrente um 13 Prozent erhöht. Davon profitieren vor allem PiS-Wähler, die oft aus ärmeren Schichten stammen. Schon seit 2016 wird mehr Kindergeld bezahlt. Polen kann sich das leisten, da das Haushaltsdefizit nur 2,4 Prozent und die Staatsverschuldung 53 Prozent des BIP beträgt.

Investitionen gehen zurück

In- und ausländische Firmen sind wegen der unsicheren politischen Situation bei Investitionen aber zurückhaltend. Zudem schwinden die Lohnkostenvorteile. Auch die Ratingagenturen S & P und Moody’s beurteilen Polen skeptisch. Sie kritisieren die Erosion der Gewaltenteilung sowie die hohen Staatsausgaben.

Der Warschauer Leitindex WIG 20, der 20 Titel umfasst, lief nach der Machtübernahme der PiS ein Jahr seitwärts. Seit November ist er aber von 1.720 auf über 2.000 Punkte gestiegen. Vor allem die im Index hoch gewichteten Rohstoff- und Energiewerte trieben das Barometer und profitierten von den höheren Metall- und Ölpreisen. Seit Jahresanfang steigen die Banken, die 34 Prozent Anteil im Index haben. Erwartet wird, dass die Sondersteuer, die auf sie erhoben werden soll, milder ausfällt als erwartet. Auch charttechnisch könnte der Index bald nach oben ausbrechen.

Ebenso eine moderate Aufwärtsbewegung für den WIG 20 sieht Andreas Schiller. "Da die fundamentalen Rahmenbedingungen solide sind, erscheint uns die polnische Politik derzeit als größter Einflussfaktor für die Entwicklung der Börse", so der Osteuropa-Analyst bei Raiff­eisenbank International.

Anleger setzen mit dem Indexpapier (ISIN: DE 000 HV2 AX0 5) der Unicredit mit einem Cent Spread auf den WIG 20. Wer das Devisenrisiko Zloty/Euro scheut, wählt das kostenfrei währungsgesicherte Endlos-WIG-20-Zertifikat (ISIN: DE 000 CB6 EBW 5) der Commerzbank mit 0,5 Prozent Spread. Bei beiden Papieren gibt es keine Dividenden.