Zertifikatehandel: Wette gegen Anleger?
Manche Investoren glauben, dass Derivate-Anbieter gegen sie spekulieren. Zu Unrecht: Die Marktposition der Emittenten ist neutral.
von Gian Hessami, Euro am Sonntag
Das Geld ist nicht weg - es hat bloß ein anderer. Für jede Position eines Marktakteurs gibt es eine Gegenposition. Verkauft ein Aktienanleger seine Papiere zu einem geringeren Preis, als er sie gekauft hat, macht er einen Verlust. Den Gewinn streicht ein anderer ein, der auf fallende Kurse der gleichen Aktien gesetzt hat.
Wer aber gewinnt beim Zertifikatehandel, wenn der Investor verliert? Einige glauben immer noch, dass dies der Emittent sei. Ein Trugschluss. Richtig ist hingegen, dass Zertifikatehäuser nicht auf Gegenposition zum Käufer gehen - und damit nicht gegen den Anleger wetten.
Die Bank nimmt eine neutrale Position gegenüber der Marktentwicklung ein. Die Händler des Emittenten überwachen ständig ihre Risikopositionen und sichern mit Aktien- oder Optionsgeschäften ihre Verpflichtungen ab. Im Fachjargon nennt man dies "Hedging", was im Englischen so viel wie "absichern" oder "begrenzen" bedeutet.
Kauft zum Beispiel ein Anleger ein Indexzertifikat, kann die Bank ihre Zahlungsverpflichtungen absichern, indem sie den entsprechenden Future an der Terminbörse kauft. Bei einem DAX-Indexpapier wäre dies der DAX-Future.
Alternativ kann der Emittent seinen Rückzahlungsverpflichtungen durch den Erwerb der entsprechenden Aktien des Index nachkommen. Verkauft der Anleger das Indexzertifikat, veräußern die Zertifikatehäuser den Future oder die Aktien und zahlen mit dem Ertrag die Investoren aus.
Ob der Anleger mit seinen Zertifikaten Geld gewinnt oder verliert, spielt deshalb finanziell für die Emittenten keine Rolle. Die Händler der Banken nehmen beim Hedgen nicht jedes Papier unter die Lupe. Vielmehr überwachen sie über computerbasierte Systeme sämtliche Positionen der Investoren.
Wie beim Aktienhandel gibt es auch bei Zertifikaten das Verhältnis von Position zu Gegenposition. Nur dass nicht die Banken, sondern Marktteilnehmer diese Rollen einnehmen. Ob Zertifikateanleger gewinnen oder verlieren, hängt also nur davon ab, ob sich deren Markterwartung erfüllt oder nicht.
Bank verdient an der Marge
Ziel der Emittenten ist es, Zertifikate aufzulegen, welche die Marktmeinung möglichst vieler Anleger widerspiegeln. Schließlich verdienen sie mit dem Verkauf der Papiere ihr Geld.
Der Emittent erstellt für den Kunden ein Zertifikat und verlangt für diese Leistung einen höheren Preis, als die eigentliche Herstellung kostet. Kurzum: Der Verkäufer verdient an der Marge zwischen Ein- und Verkauf. Das ist das gleiche Prinzip wie in anderen Branchen auch.
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