Euro am Sonntag

Express-Zertifikate: Und jährlich grüßt der Zinstermin

23.04.16 11:00 Uhr

Express-Zertifikate: Und jährlich grüßt der Zinstermin | finanzen.net

Diese Papiere bringen Zinsen, die deutlich über dem Marktniveau liegen. Anleger gehen dabei zwar ein Aktienkurs-Risiko ein - das aber wesentlich geringer ist als beim Direktinvestment.

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von Gian Hessami, Euro am Sonntag

Die Minizinsen regieren schon seit Jahren. Das ist vor allem für Sparer und sicherheitsorientierte Anleger anstrengend und ärgerlich. Derzeit deutet auch nichts darauf hin, dass sich ­daran so schnell etwas ändern wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt den Leitzins gar auf null Prozent heruntergeschraubt. Was also tun?



Eine Alternative zu Micker­zinsen für Sparbuch und Tagesgeld sind Expresszertifikate. Mit diesen gehen die Anleger zwar ein Aktienkursrisiko ein. Die Papiere sind aber weniger riskant als der direkte Kauf von Aktien - in die Zertifikate ist ein Sicherheitspuffer eingebaut.

Neben dem Kursrisiko sollten sich die Anleger über ein anderes Risiko im Klaren sein: Rutscht das Zertifikatehaus, das die Papiere emittiert hat, in die Pleite, kann es zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen.


Zertifikate sind rechtlich gesehen Schuldverschreibungen der Emittenten, so wie normale Anleihen. Das ist ein wichtiger Unterschied zu Einlagen im Sparbuch oder Tagesgeld. Beides ist bis zu 100.000 Euro je Person und Bank geschützt. Vor dem Kauf eines Zertifikats sollte sich ein Anleger deshalb stets über die Stabilität des jeweiligen Emittenten informieren.

Expresspapiere haben den großen Vorteil, dass Anleger damit auch in Zeiten, in denen sich an der Börse wenig tut oder die Kurse gar leicht abwärts tendieren, ordentliche Gewinne erzielen können. Und wer sich einmal mit diesen Zertifikaten etwas näher beschäftigt, stellt bald fest, dass ihre Funktionsweise nicht schwer zu verstehen ist.

Verständliche Funktionsweise

Der Begriff "Express" macht deutlich: Die Zertifikate sollen die Chance auf Rendite möglichst schnell in reale Gewinne auf dem Anlegerkonto umwandeln. Bei diesen Papieren gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Rückzahlung: vorzeitige Fälligkeit vor dem Laufzeitende oder Endfälligkeit am Laufzeitende. Die Produkte haben eine bei Emission festgelegte maximale Laufzeit und feste Stichtage für die möglichen Zahlungen.


Zudem sind die Zertifikate mit einer Barriere ausgestattet, die am letzten Bewertungstag für die Höhe der Rückzahlung wichtig ist. Eine Barriere ist eine Kursmarke des Basiswerts, auf den sich das Zertifikat bezieht; das kann eine einzelne Aktie oder auch ein Aktienindex sein. Zu Beginn der Zertifikatelaufzeit liegt die Barriere deutlich unter dem Kurs des Basiswerts.

Damit ein Expresszertifikat dem Anleger tatsächlich einen schnellen Gewinn auf seinem Konto bringt, muss der Basiswert am Stichtag ein bestimmtes Kursniveau erreicht haben. Ist dies der Fall, wird das Expresszertifikat vorzeitig fällig und die Anleger erhalten den Nennwert des Zertifikats plus einen vorher festgelegten Zusatzbetrag, den Kupon, zurück.

Wird die Tilgungsschwelle am Bewertungstag allerdings unterschritten, läuft das Papier bis zum nächsten Stichtag weiter. Diese Verlängerung wird dem Anleger durch einen steigenden Zusatzbetrag versüßt. Das Prozedere wiederholt sich an jedem Bewertungstag bis Laufzeitende.

Erst dann kommt die Barriere ins Spiel: Liegt der Kurs des Basiswerts auf oder über der Barriere, erfolgt die Rückzahlung des Zertifikatenennwerts plus Kupon. Reißt die Barriere - der Kurs des Basiswerts liegt unter der Kursmarke -, nehmen Anleger eins zu eins an den Kursverlusten des Basiswerts teil. Dann kommt es zu hohen Verlusten.

Verschiedene Varianten

Bei den Auszahlungsprofilen von Expresszertifikaten gibt es verschiedene Varianten. Wer genau wissen will, was ihn als Anleger wann erwartet, sollte sich die Informationen des Emittenten zum Produkt und das jeweilige Produktinformationsblatt (PIB) immer genau ansehen.

Die beiden wichtigsten Typen unterscheiden sich bei der Auszahlung der Kupons: Es gibt, ähnlich wie bei Fonds, thesaurie­rende und ausschüttende Zertifikate. Bei den thesaurierenden werden die Kupons über die Laufzeit addiert und entweder bei der vorzeitigen oder bei der endgültigen Fälligkeit zusammen mit dem Nennwert ausgezahlt. Bei den ausschüttenden Papieren wird der Zins an den Stichtagen ausgeschüttet - und zwar unabhängig davon, ob das Papier fällig wird oder nicht.

Angesammelter Zins

Ein Beispiel für ein thesaurierendes Papier ist das Express-Plus-Zertifikat der HypoVereinsbank auf den europäischen Aktienindex Euro Stoxx 50 (siehe Tabelle). Bezogen auf den Nennwert von 1.000 Euro gibt es die Chance auf einen Zins von 5,25 Prozent pro Jahr. Die Tilgungsschwelle liegt bei 3.023 Punkten; das ist in etwa das Niveau, auf dem der Euro Stoxx 50 derzeit notiert.

Steht der Index am 19. Januar 2017 auf oder über dieser Kursmarke, wird das Papier vorzeitig fällig - und Anleger erhalten 1.052,50 Euro pro Zertifikat ausgezahlt. Beim Börsenkurs von 989 Euro fürs Zertifikat ist das eine Rendite von sechs Prozent.

Wird das Ziel aber verfehlt, geht es ohne Auszahlung in die nächste Runde. Der folgende Bewertungstag ist dann der 19. Januar 2018: Schließt der Euro­ Stoxx 50 an diesem Tag bei 3.023  Zählern oder darüber, erhalten Anleger 1.105 Euro pro Papier zurück. Wird das Niveau auch hier verfehlt, läuft das Papier weiter.

Sollte es bis zum letzten Stichtag zu keiner vorzeitigen Rückzahlung gekommen sein, greift die Barriere, die bei 1.814 Punkten liegt: Notiert der Index am 19. Januar 2021 auf oder über der Barriere, erhalten Anleger pro Zertifikat 1.262,50 Euro zurück.

Liegt der Euro Stoxx 50 unter dieser Barriere, erfolgt die Rückzahlung gemäß der Index­entwicklung. Der Puffer zwischen dem heutigen Stand des Index und der Barriere beträgt komfortable 40 Prozent. Sollte dieser Puffer trotzdem nicht reichen, verlieren Anleger mindestens 40 Prozent ihres Einsatzes.

Ähnlich funktioniert das Papier der HypoVereinsbank auf den US-amerikanischen Aktien­index S & P 500 (siehe Tabelle). Hier gibt es einen Zins von fünf Prozent per annum, das Zertifikat läuft bis 2022. Der Risikopuffer ist ebenfalls komfortabel.

Ausgeschütteter Zins

Ein Beispiel für ein ausschüttendes Papier ist das Memory-Express-Zertifikat der Société Générale auf den Euro Stoxx 50. Hier wird der jährliche Kupon von sechs Prozent, bezogen auf den Nennwert von 100 Euro, am Stichtag ausgezahlt - auch wenn der Index die Tilgungsschwelle, die bei 2.919 Punkten liegt, am Bewertungstag nicht erreichen sollte. Allerdings muss der Euro ­Stoxx 50 am Stichtag über der Barriere von 1.997 Zählern notieren, damit das Kupongeld fließt.

Das Besondere an dem Papier ist der Erinnerungseffekt: Fällt eine Zinszahlung während der Laufzeit aus, wird diese Zahlung am nächsten Stichtag nachgeholt - wenn dann die Bedingungen erfüllt sind. Die Bewertungs­tage sind von 2017 bis 2021 immer Mitte des Monats Januar. Am Laufzeit­ende muss der Tagesschlusskurs des Euro Stoxx 50 auf oder über der Barriere liegen, damit Anleger den Nennwert plus Kupon bekommen. Ansonsten richtet sich die Rückzahlung nach dem Index - mit den entsprechenden Verlusten für die Besitzer des Zertifikats. Im Vergleich zum HVB-Papier ist der ­ Risikopuffer mit 35 Prozent etwas kleiner, dafür sind mit dem ­Memory-Papier aber etwas höhere Renditen möglich.

Fazit: Expresszertifikate eignen sich als Zinsalternative auch für vorsichtigere Anleger, die sich allerdings über die Funktionsweise und die vorhandenen Risiken der Papiere im Klaren sein müssen. Die von der Redaktion ausgewählten Papiere bieten einen großen Risikopuffer - der nur bei einem dramatischen Kursabsturz am Aktienmarkt nicht ausreichen würde.

Expresszertifikate mit geringem Risiko (pdf)

Bildquellen: PromesaArtStudio / Shutterstock.com, Sebastian Duda / Shutterstock.com

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