ATX: Vom Paulus zum Saulus
Konnte sich der ATX lange Zeit gegen die Korrektur an den internationalen Finanzmärkten stemmen, hat der Ausverkauf den österreichischen Leitindex mit Beginn des Ukraine-Krieges voll erwischt.
Kein Wunder: Kaum ein anderes westliches Land hat ein höheres "Russland-Exposure". Österreichische Unternehmen haben in Russland 650 und in der Ukraine 200 Niederlassungen. Vor allem Raiffeisen Bank International kam unter die Räder: Die Aktien des in der Ukraine und in Russland tätigen Geldinstituts brachen allein in den vergangenen vier Wochen um fast 50 Prozent ein. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine hat der RBI-Vorstand sogar beschlossen, die Dividende zu streichen. Die Papiere der Erste Group wurden mit minus 33 Prozent in Sippenhaft genommen, obwohl der Konkurrent kaum betroffen ist: Das Geldhaus hat keine Töchter in Russland, der Ukraine sowie Weißrussland und das Kreditengagement ist unwesentlich. Andere sind stärker engagiert. Zum Beispiel Mayr-Melnhof: Das Unternehmen hat die Produktion in der Ukraine gestoppt. Der Konzern stellt 200 Kilometer südlich von Kiew Verpackung für Konsumgüter her. Wie in der Ukraine produziert Mayr-Melnhof auch in Russland für den lokalen Bedarf. Mit rund zehn Prozent Minus fiel der jüngste Kursverlust moderat aus. Der ATX ist seit dem Zwischenhoch im Februar im Tief um satte 31 Prozent nach unten gerauscht. Damit hat das Auswahlbarometer von heute auf morgen seinen Status als sicherer Hafen aufgrund der hohen Gewichtung von Value-Werten und Zyklikern verloren. Da der Index kurzfristig stark überverkauft ist, können risikobereite Anleger - auch wegen der hohen Vola - mit einem Discounter auf eine Kurswende setzen (ISIN AT0000A2PC93).
Wolfgang Raum ist seit Mitte 2005 Chefredakteur des ZertifikateJournal Deutschland. Insgesamt kann Raum auf mehr als 15 Jahre Berufserfahrung im Kapitalmarkt-Journalismus verweisen. Unter anderem war der 41-Jährige mehr als fünf Jahre für das Anlegermagazin CAPITAL Depesche verantwortlich. Neben seiner wöchentlichen Kolumne in der "Euro am Sonntag" ist er regelmäßig als Experte in TV-Shows zu Gast, beispielsweise bei Bloomberg.TV und der 3satBörse. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.