Benjamin Feingold-Kolumne

Tesla und der blanke Wahnsinn

02.11.22 08:25 Uhr

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Tesla und der blanke Wahnsinn | finanzen.net

Mit der aggressiven Geldpolitik der Fed wird das Geschäftsmodell vieler Unternehmen einer harten Belastungsprobe unterzogen, zumal auch die Weltwirtschaft nicht rund läuft. Einige Analysten sehen selbst prominente Firmen in Gefahr. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

Wer schon länger an der Börse aktiv ist, lässt sich auch von der herben Korrektur seit Jahresbeginn nicht aus der Ruhe bringen. Natürlich sind Kursverluste in den größeren Indizes von 20 bis 35 Prozent ungewöhnlich und schmerzhaft, zumal die Abschläge bei Einzelwerten wie Varta, Zoom und Paypal mit mehr als 70 Prozent noch wesentlich höher ausfallen.

Auch die aktuelle Fondsmanagerumfrage zeigt deutlich, dass selbst Profis kapituliert haben. "Gut 70 Prozent erwarten eine schwächere globale Konjunktur, einen ähnlichen Pessimismus gab es auch 2008 sowie Anfang 2019 und im März 2020. Die Fondsmanager sind also in Bezug auf Aktien sehr negativ gestimmt", findet Niklas Helmreich vom Multi-Asset-Manager Trive. Wer aber in diese pessimistische Stimmung hinein kaufte, freute sich ein Jahr später über satte Gewinne.

Antizyklisch Positionen aufbauen

Stefan Riße von Acatis führt an, dass "bereits Börsenaltmeister André Kostolany Anlegern stets mit auf den Weg gab, dass die Märkte nur zu zehn Prozent auf Fakten reagieren und der Rest Psychologie sei". Riße arbeitete einst mit Capital-Kolumnist Kostolany zusammen und verfolgt einen ähnlichen Anlageansatz. Wichtig ist es daher, das Spiel aus Gier und Angst zu verstehen. Wenn die Kurse in den Keller rauschen ist es an der Zeit, erste Positionen aufzubauen. "Da niemand das Tief an den Märkten vorhersehen kann, bietet sich ein sukzessiver Einstieg an, der zu einem attraktiven Durchschnittskurs führt", meint Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei ActivTrades . "So bleibt zugleich ausreichend Cash in der Hinterhand, um flexibel auf Marktentwicklungen reagieren zu können", ergänzt Evangelista. Bargeld ist auch ein gutes Stichwort bei der Suche nach den richtigen Aktien. Die Ära des billigen Geldes ist vorerst Geschichte und dürfte so schnell nicht wiederkommen. Nach Meinung von Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Börse München/gettex, hat sich das Investoreninteresse daher verändert: "Qualität ist wieder das Maß der Dinge und fundamentale Fakten spielen eine größere Rolle." Eine positive Entwicklung, denn mit der Liquiditätsflut haben es viele Unternehmen auf der Kurstafel geschafft, die eigentlich nicht dorthin gehören.

So ist der Anteil der sogenannten Zombie-Firmen aktuell ähnlich hoch wie nach dem Platzen der Dotcom-Blase sowie der Finanzkrise. Dazu zählen Unternehmen, die noch nicht einmal genug Geld erwirtschaften, um die Zinsen auf ihre Kredite zu bezahlen. Sie werden nun ausgemustert. In den Sektoren Reise und Freizeit sollten Anleger nach einer Analyse von HQ Trust besonders vorsichtig sein, bei mehr als einem Viertel der Unternehmen lag der operative Gewinn zuletzt unter den Zinszahlungen. Auch unter den Medien- und Technologie-Titeln sind vergleichsweise viele Zombies, während Branchen wie Versicherungen, Banken und Chemie kaum betroffen sind.

Tesla als Zombie?

Aber selbst bei großen Firmen kann von einer Bereinigung nicht durchweg gesprochen werden. Kaum ein Wert polarisiert dabei so sehr wie Tesla. Kritiker verweisen auf den enormen Barmittelverbrauch, die hohe Bewertung und sehen die Aktie bis auf 25 Dollar fallen. Ein Zombie-Wert ist Tesla nicht, denn auch künftig dürfte Elon Musk keine Probleme haben, ausreichend Kapital zu beschaffen. Zweifelsohne ist die Aktie aber ein gutes Barometer für die Risikobereitschaft am Markt. Zuletzt stand der Wert deutlich unter Druck, zumal man im abgelaufenen Quartal auch bei der Marge und dem Umsatzziel die Erwartungen verfehlte.

"Aktien wie BMW, Mercedes-Benz, Porsche und VW gibt es mit einem 2023er-KGV von unter fünf", zieht Niklas Helmreich von Trive einen fast absurd wirkenden Vergleich. Tesla ist allerdings nicht der typische Autokonzern, sondern eher dem Tech-Segment zuzuordnen. Für Apple und Microsoft wird ein Faktor von 20 aufgerufen, Amazon gibt es mit einem 30er-KGV, nachdem die jüngsten Zahlen und der Ausblick für einen Kursrutsch sorgten. "Bei Tesla müssen Anleger hingegen rund 40 Jahre warten, bis die Firma den Wert seiner Aktien als Gewinn erwirtschaftet hat", rechnet Jürgen Molnar von RoboMarkets vor. Verglichen mit der Historie gibt es den Pionier recht günstig, nicht aber gegenüber anderen Tech-Titeln und erst recht nicht, wenn etablierte Auto-Firmen als Benchmark dienen.

Brancheninvestments bevorzugen

Daher ist ein Einzelinvestment in Tesla trotz des Kursrückgangs risikobehaftet, ein Investment in die Branche dagegen risikoärmer. Anleger können mit einem ETF auf den Fidelity Electric Vehicles & Future Transportation vom gesamten E-Fahrzeugsegment profitieren. Der ETF investiert in Hersteller von Elektrofahrzeugen, autonomen Fahrzeugen und Komponenten, Technologien oder Energiesystemen. Die Branche insgesamt kann zum Motor eines jeden Depots werden.

150 Jahre Börsenerfahrung kombiniert technische Analyse, Trading, Börsenpsychologie und konkrete Investments. Benjamin Feingold ist Mit-Gründer von Feingold Research. Unseren Börsendienst finden Sie unter feingoldresearch.de!

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