Benjamin Feingold-Kolumne

Gold und Silber mit zweiter Welle?

21.08.20 16:02 Uhr

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Gold und Silber mit zweiter Welle? | finanzen.net

Auf die beeindruckende Sommer-Rally folgte zuletzt bei Gold und Silber ein scharfer Rücksetzer. Auch wenn die Preise inzwischen wieder anziehen, ist die Verunsicherung spürbar. Am Markt keimen Sorgen vor einer ähnlichen Talfahrt auf wie nach dem letzten Gipfelsturm vor neun Jahren. Auch bei Silber sollten Anleger die Einflussfaktoren kennen - hier zählt vor allem Weitblick.

Als Gold im Sommer 2011 auf knapp 2.000 Dollar kletterte, kannte die Begeisterung für das begehrte Edelmetall kaum Grenzen. Doch wie so häufig an der Börse kommt es meist anders als die Mehrzahl erwartet. Nachdem sich im Frühjahr 2013 die Abwärtsbewegung beschleunigte und Gold in der Spitze um 45 Prozent tiefer notierte, dauerte es rund acht Jahre, bis das alte Kursniveau wieder erreicht wurde. Den Nimbus als sicherer Hafen hatte das Edelmetall verloren. Droht nach der jüngsten Rally ein ähnliches Schicksal?

Die Wahrscheinlichkeit dafür ist eher gering, denn das fundamentale Umfeld sieht anders aus. Auslöser für den Absturz in 2013 waren Diskussionen um Zinserhöhungen. Auch wenn die Renditen am Anleihemarkt zuletzt leicht zulegten, sind Leitzinserhöhungen vorerst kein Thema. Im Gegenteil: Aufgrund der beispiellosen Geldmengenausweitung und rasant gestiegenen Verschuldung müssen die Notenbanken die Zinsen am Boden halten, damit die Wirtschaft nicht kollabiert.

Neben den Zinsen beeinflusst auch die Inflation die Preise bei den Edelmetallen. Vor allem politisch motivierte Notenbankern könnte dazu tendieren, weiter Geld zu drucken, damit die Teuerung kräftig anspringt und die hohen Schulden auffrisst. Bleiben die Zinsen im Keller und springt die Inflation mittelfristig an, dreht der Realzins und somit die Differenz von Nominalzins und Inflationsrate in den negativen Bereich.

Negative Anleihenrenditen stützen die Edelmetalle

Für Gold und Silber verliert somit ein zentraler Belastungsfaktor kräftig an Bedeutung. Anders als bei Aktien oder Anleihen erhalten Anleger bei den Edelmetallen keine Zinsen oder Dividenden, sondern kommen nur in den Genuss von möglichen Kurssteigerungen. Zuletzt lag die Zahl der weltweiten Staatsanleihen mit negativer Rendite bei mehr als 16 Billionen Dollar. Für Gold- und Silber-Anleger sinken somit die Opportunitätskosten, was in der Vergangenheit häufig zu positiven Preisreaktionen führte. Moderat gehebelte Gold- und Silber-Bull-Papiere bieten Edelmetall-Fans verschiedene Möglichkeiten, von steigenden Kursen zu profitieren - etwa die Papiere mit der WKN CL9HN2 (Gold, Société Générale) und HR0Z8F (Silber, UniCredit). Sie haben einen Hebel von rund 9.

Dennoch gilt es genau hinzuschauen. Anders als Gold ist Silber wesentlich stärker in den Wirtschaftskreislauf eingebunden. Neben den Rendite- und Inflationsaussichten spielen zusätzlich die Konjunkturperspektiven eine große Rolle. Zuletzt übertrafen in der Eurozone ähnlich wie bereits zuvor in den USA zahlreiche Wirtschaftsdaten die Erwartungen. Ob die erhoffte "V"-förmige Erholung der Weltwirtschaft auch Realität wird, hängt stark davon ab, wie es mit Corona weitergeht. Solange neue Lockdowns in den Industriestaaten ausbleiben und die Konjunktur wie in den vergangenen Wochen weiter läuft, stehen die Chancen für eine nachhaltige Erholung gut.

US-Wahl mit Einfluss auf den Silberpreis

Chancen für Silber bieten auch die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen. Kandidat Joe Biden setzt sich für einen Green New Deal ein. Sollte er sich durchsetzen und die Wirtschaft mit grünen Investitionen ankurbeln, könnte die Silber-Nachfrage aus der Industrie anspringen. Denn Silber ist ein elementarer Bestandteil in Solar-Panels, Windturbinen und bei der E-Mobilität. Durch die zunehmende Nachfrage nach Erneuerbaren Energien erwarten die Analysten der Bank of America, dass die jährliche Silbernachfrage in den nächsten 15 Jahren um knapp 90 Prozent von aktuell 2.285 Tonnen auf 4.272 Tonnen steigen wird. Ein Marktdefizit ist sogar möglich. Zuletzt war dies 2011 der Fall, als der Preis im Frühjahr auf knapp 50 Dollar kletterte. Wer somit optimistisch auf die Konjunktur blickt, sollte Silber bevorzugen. Allerdings ist der kleine Bruder wesentlich schwankungsfreudiger als Gold.

Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.

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