Die Deutschen auf der Suche nach dem Zins
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Die größte Börsenmesse in Stuttgart war in diesem Jahr gut besucht, hat aber Probleme aufgedeckt. Deutsche Anleger vernichten Geld und sie werden mitunter schlecht informiert. Dabei ist in Nullzinszeiten jeder Euro wichtig.
Die Börsenmesse Invest ist eine spannende Veranstaltung. Da zeigen sich neue Broker, Börsen, die ETF-Szene oder auch die führenden Anbieter der Zertifikatebranche. Die klassischen Fondsgesellschaften sucht man meist vergeblich. Vielleicht scheuen sie den direkten Vergleich und dies wäre auch kein Wunder. Denn sowohl beim Serviceangebot wie auch beim Preisvergleich würden sie verdammt mau aussehen.
Informationspolitik auf der Invest
Die BaFin wiederum sorgte am Freitag für eine ziemlich kuriose Variante der Anlegerinformation. Man lud zum Vortrag bezüglich binärer Optionen ein und grenzte diese Papiere nicht einmal großartig von klassischen Optionen, von Optionsscheinen oder eben unseriösen Wettanbietern ab. In Deutschland dürfte sich die Zielgruppe dieser Produktgattung in engen Grenzen und im Promillebereich halten. Umso verrückter aber ist, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beispielsweise Inline-Optionsscheine, per Definition ein Teilbereich binärer Optionen, ausdrücklich für den Handel wieder zugelassen hat. Zurecht, denn auf diese Papiere stößt man ohnehin nicht aus Zufall, sondern dann, wenn man privater Investor ist und genau weiß, was man sucht und wie spekulativ man sein Depot ausgestalten will. Schade, die Zeit hätte man verbraucherfreundlicher nutzen können in Zeiten, in denen alle Welt nach Zinsen jagt.
Schöner wäre da gewesen, hätte die BaFin sich dem angenommen, was deutsche Anleger wirklich Geld kostet. Bei Containern oder vielen geschlossenen Fonds wird man seit Jahrzehnten fündig. Oder man hätte einfach die Augen aufgemacht und Luftlinie 15 Meter entfernt mal beim Stand des Anbieters Dr. Peters nachgefragt. Dessen Anleger in A380-Flugzeugfonds sind gerade wenig guter Laune, da sich das vermeintlich lukrative Investment ziemlich übel entwickelt wie in vielen Medien zu lesen war. Deutsche Fonds haben in A 380-Finanzierungen insgesamt 1,6 Milliarden Euro an Anlegergeldern wie jüngst DER Spiegel berichtete. Etlichen Tausend Anlegern drohen herbe Verluste.
Angebot breit verständlich
Dennoch gab es natürlich auch genügend Positives auf der Messe. So stellten die Anbieter von Societe Generale über Deutsche Bank bis Goldman Sachs nicht nur passende Produkte für Nullzinszeiten vor, sondern hatten für private Anleger reichlich kostenfreies Informationsmaterial zum Anlagesparen parat. Vorträge auf den Bühnen der ARD-Börse waren ebenso gern besucht wie jene bei den Börsenmagazinen. Top-Thema war aber 2019 wie zu erwarten Wirecard. Die Aktie fasziniert und sie zeigt auch, dass Börse begeistern kann. Sofern sich eine Geschichte erzählen lässt.
Mancher Besucher tat auch offen kund, dass nun der Groschen gefallen sei, dass Zinsen in Europa wohl für lange Zeit passé sind. Mit dem Rechenschieber durfte man dann nachvollziehen, dass die Klassiker im Zertfikatebereich- Bonuspapiere, Discounter und Indexzertifikate - im Performancevergleich gegen aktiv gemanagte Fonds sehr gut abschneiden, umso mehr noch nach Kosten. Zumal ein Großteil der deutschen Fondsbranche 2018 ein Kunststück vollführte. Im Abschwung im DAX von 13.500 auf 10.300 Zähler war man sehr lange mit dabei während man die Rally von 10.300 bis aktuell 12.000 vielfach in großen Teilen versäumte. Entsprechend sieht der Vergleich gegen den DAX oder ein entsprechendes Indexpapier wieder schlecht aus.
So dürfte der Wunsch einiger Messebesucher nach einer sehr großen, allumfassenden Finanzmesse in Deutschland bis auf Weiteres ein Wunsch bleiben. Die Fans aktiver Vermögensanlage treffen sich in Stuttgart oder auf den vielen Börsentagen, die Fondsbranche feiert dagegen alljährlich Ende Januar in Mannheim - und zwar sich selbst.
Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.
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