Optionsscheine: Der Terminkurs ist der „echte“ Strikepreis
Die Rolle von Refinanzierungskosten und Dividenden...
...bei der Optionsscheinpreisbildung
Bei der genaueren Betrachtung der wesentlichsten Optionsscheinkennzahlen gelangen Anleger rasch zu der Erkenntnis, dass bei Optionsscheinen, die vermeintlich ganz genau „am Geld“ sind, das Delta meist nicht 0,50 ist, wie es bei ja eigentlich sein sollte. Meistens haben diese Optionsscheine ein etwas höheres Delta. Worin liegt nun die Ursache für diese Diskrepanz?
Höchstwahrscheinlich wird kein Investor einen Optionsschein mit einer Laufzeit von einem Jahr erwerben, um ihn sofort auszuüben. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Optionsschein, sofern er sich dann im Geld befindet, erst knapp vor Laufzeitende oder gar erst am Fälligkeitstag ausgeübt wird.
Da der Stillhalter von Calls am Laufzeitende damit rechnen muss, Basiswerte liefern zu müssen, richtet er seinen Optionspreis nach dem so genannten Terminkurs. Das ist jener Kurs, der die Kosten des Aktienbestandes - das sind die Kosten aus der Refinanzierung - den erwarteten Erträgen aus Gutschriften und Dividenden gegenüberstellt.
Refinanzierungskosten vs. Dividenden
An Hand eines einfachen Beispiels soll diese scheinbare Diskrepanz bei der Bewertung eines Optionsscheines mit einem Jahr Laufzeit aufgeklärt werden:
Angenommen, eine Aktie notiert bei 80 Euro, die aktuellen Refinanzierungskosten betragen vier Prozent pro Jahr und die erwarteten Dividendenerträge für diesen Zeitraum sind 0,5%.
Die Refinanzierungskosten überschreiten die erwarteten Erträge also um 3,5 Prozent. Wenn nun die 3,5 Prozent zum aktuellen Kurs des Basiswertes hinzugefügt werden, ergibt sich Terminkurs für die Invest AG Aktie in einem Jahr von 82,8 Euro.
Deshalb haben Call-Optionsscheine mit einjähriger Laufzeit, die einen Strikepreis von 80 Euro aufweisen, bereits bei einem Aktienkurs von 80 Euro einen inneren Wert von 2,80 Euro. Deshalb ist auch das Delta bei diesem Optionsschein auf jeden Fall höher als +0,5, da sich der Optionsschein ja bereits im Geld befindet. Logischerweise verhält es sich bei Puts spiegelverkehrt.
Das Rho steht für Änderungen von Zinsen und Dividenden
Das Rho drückt aus, um wie viel sich der Optionsscheinpreis verändert, wenn sich Zinsen und Dividenden ändern. Da sich die Zinsen und Dividenden üblicherweise wesentlich langsamer ändern, als die anderen relevanten Parameter zur Optionsscheinbewertung, ist das Rho jener „Grieche“ mit dem geringsten Einfluss auf den Optionspreis.
Walter Kozubek ist Herausgeber des ZertifikateReports. Dieser kostenlose PDF-Newsletter erscheint zwei bis drei Mal im Monat. Zusätzlich ist Herr Kozubek auch Herausgeber des HebelprodukteReports, sowie einer der Betreiber des Internetratgebers www.geld.com
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