Börsenausblick 2019: Wie geht es weiter? Wie sollten sich Anleger jetzt positionieren?
Hohe zweistellige Kursverluste. Politische Risiken, Zins- und Konjunkturängste dominieren die Berichterstattung. Wir haben vor dem Jahreswechsel mit Holger Steffen gesprochen und sind der Frage nachgegangen, was Anleger vom Jahr 2019 erwarten und wie sie sich jetzt positionieren sollten. Steffen und sein Team zählen zu den erfolgreichsten Marktexperten. Seit 1999 erzielten sie im Schnitt mehr als 17 Prozent Rendite für ihre Leser.
finanzen.net: Herr Steffen, nach einem durchwachsenen Jahresverlauf bis zum Spätsommer ging es im vierten Quartal mit dem DAX richtig bergab. Was sind die Ursachen hierfür?
Holger Steffen: Sie sagen es, das vierte Quartal beim DAX ist miserabel ausgefallen. Zuvor wurde der Index durch die boomende US-Konjunktur und die Stärke der Wall-Street halbwegs stabilisiert. Aber es ging schon bis September mit der Konjunkturdynamik in Europa deutlich bergab. Im Herbst kam dann noch die Sorge hinzu, dass die amerikanische Notenbank mit ihrer Politik der stetigen Zinserhöhungen den Bogen überspannt. Beim DAX brachen dann alle Dämme.
finanzen.net: Wieso schenken die Marktteilnehmer der Zinsentwicklung und den konjunkturellen Indikatoren so große Beachtung?
Holger Steffen: Das ist eine wichtige Frage, und die Antwort ist relativ einfach. Im Zentrum der Börsenentwicklung stehen die Unternehmensgewinne. Steigen diese, zeigt auch der Kurstrend nach oben. Die Konjunktur ist dabei ein direkter Einflussfaktor. Die Zinsen wirken indirekt: Höhere Zinsen erhöhen beispielsweise die Finanzierungskosten der Unternehmen und können die Investitionsaktivitäten dämpfen.
finanzen.net: Auch politische Unsicherheiten hielten die Märkte in Atem ...
Holger Steffen: Ja, das kann man wohl sagen. Uns begleiten ja seit mehreren Jahren schon größere politische Turbulenzen. Das Problem mit den geplanten hohen Schulden von Italien scheint aktuell erst einmal eingedämmt. Die größten derzeit absehbaren politischen Risikofaktoren für das Jahr 2019 bleiben aber sicherlich ein harter Brexit, also ein EU-Ausstieg ohne Vertrag, sowie eine weitere Eskalation des Handelskonflikts zwischen China und den USA.
finanzen.net: Anfang Oktober notierte der DAX noch bei 12.400 Punkten. Seitdem zeigt der Börsenkompass nur noch gen Süden ...
Holger Steffen: So ist es, der Markt hat binnen weniger Wochen rund 15 Prozent verloren. Da wurden auch etliche professionelle Investoren auf dem falschen Fuß erwischt, denn die Stimmung war vorher doch recht bullish. Da spielte vor allem die starke Wall-Street eine gewichtige Rolle. Anfang Oktober sind Dow Jones, Nasdaq & Co. plötzlich in einen recht steilen Sinkflug übergegangen, und der hat den DAX dann so richtig mitgerissen.
finanzen.net: Hatten Sie einen derart starken Abverkauf auf der Rechnung?
Holger Steffen: Ehrlich gesagt: Nein. Wir haben durchaus eine Korrektur in den USA und weitere Kursverluste beim DAX auf dem Zettel gehabt, nicht aber einen Erdrutsch in dieser Marktbreite. Auch viele Unternehmen mit relativ robusten Geschäftsmodellen wurden ohne schlechte Nachrichten massiv abgestraft.
finanzen.net: Stichwort Erdrutsch. Sehen wir im Moment eine Übertreibung, die Anleger zum Aufstocken bestehender Engagements nutzen sollten?
Holger Steffen: Gute Frage! Eine passende Antwort darauf ist: Es kommt darauf an, nämlich auf die Perspektive. Kurzfristig sollte der Markt über kurz oder lang reif für eine größere Gegenbewegung sein, als Spekulation darauf sind die aktuellen Kurse bereits attraktiv. Mittelfristig könnte es aber durchaus noch weiter nach unten gehen, wenn sich die jüngste Kursentwicklung als Baisse entpuppt, die eine größere Rezession ankündigt.
finanzen.net: Herr Steffen, Sie haben seit der Jahrtausendwende für Ihre Anleger hohe zweistellige Renditen erzielt. Unsere Leser interessiert daher sehr, wie Sie die weiteren Marktaussichten konkret einschätzen.
Holger Steffen: Wie gesagt. Wir sind kurzfristig eher bullish, wobei schwer vorherzusagen ist, von welchem Niveau aus eine mögliche Erholungsrally startet. Dann könnte es wieder turbulenter werden. Entpuppt sich der Konjunkturabschwung 2018 hingegen nur als Stimmungs-Delle, erwarten wir im nächsten Jahr wieder steigende Kurse. Dafür benötigt es vielleicht der Hilfe der Politik: Einen Schub könnte es geben, wenn der Brexit doch noch - momentan eher wider Erwarten - im gegenseitigen Einvernehmen gelöst wird. Positiv wäre auch, wenn die USA und China ihr Kriegsbeil begraben oder sich China mit allen Mitteln gegen einen weiteren Rückgang der Wachstumsdynamik stemmt. Wenn gute Nachrichten jedoch ausbleiben, steigt aus unserer Sicht die Gefahr einer weltweiten Rezession - mit dem Risiko weiter fallender Kurse.
finanzen.net: Wie sollten sich Anleger Ihrer Meinung nach für das Börsenjahr 2019 positionieren? Was empfehlen Sie Ihren Lesern im Anlegerbrief?
Wie geht's 2019 an den Börsen weiter? Großer technischer Jahresausblick mit Jörg Scherer von HSBC
Der technische Ausblick von HSBC-Analyst Jörg Scherer hat auf finanzen.net Tradition. Scherer ist einer der profiliertesten technischen Analysten, in der Vergangenheit lag er mit seinen Prognosen häufig goldrichtig. Im Webinar am 4. Januar erläutert Scherer, wie es in 2019 an den Börsen unter technischen Gesichtspunkten weitergehen könnte.
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Holger Steffen: (Lacht) Das können Sie natürlich jederzeit im Anlegerbrief nachlesen. Für unsere Leser hat sich die Abogebühr bislang stets bezahlt gemacht. Aber generell favorisieren wir auf dem aktuellen Niveau die Longseite mit einer relativ geringen Cashquote. Kurzfristig drohen damit zwar weitere Verluste, aber in einer Markterholung sollte sich das auszahlen. Falls dann aber keine Entspannungssignale von der Konjunktur kommen, kann man in steigende Kurse hinein die Cashquote wieder aufbauen. Letztlich muss man 2019 sehr situativ agieren. Buy and Hold könnte vorerst ausgedient haben. Die Anlegerbrief-Leser halten wir natürlich permanent über die aktuelle Entwicklung auf dem Laufenden.
finanzen.net: Die Strategie, mit der Sie im Anlegerbrief seit 1999 eine Rendite von mehr als 17 Prozent pro Jahr eingefahren haben, wird ja auch im Value Stars Deutschland-Index abgebildet. Viele Anleger investieren daher direkt in das Value-Stars-Zertifikat (WKN LS8VSD) um an der Entwicklung Ihrer Empfehlungen zu partizipieren. Dennoch: Auch hier sind die Investoren nicht von Kursrückgängen verschont geblieben. Wir reagieren Sie mit Ihrem Musterdepot auf die aktuelle Marktsituation?
Holger Steffen: Danke, dass Sie das ansprechen, denn die jüngste Entwicklung ist durchaus erläuterungsbedürftig. Grundsätzlich investieren wir in erster Linie in deutsche Nebenwerte mit einem robusten Geschäftsmodell und mittel- bis langfristig intakten Wachstumsperspektiven. Das hat sich in der Vergangenheit stets ausgezahlt. Seit Anfang September haben aber auch diese Aktien im Zuge des Marktausverkaufs kräftig verloren. Da die Gewinne der Unternehmen wegen der Stärke der Geschäftsmodelle nicht so stark leiden dürften, sind die Aktien deutlich billiger geworden. Letztlich gehen wir davon aus, dass sie daher auch von einer Markterholung stark profitieren würden.
finanzen.net: Sie haben die starke Korrektur bei Nebenwerten angesprochen. Gibt es hier schon Kandidaten, die jetzt sehr günstig zu haben und einen besonderen Blick wert sind?
Holger Steffen: Da fällt mir jetzt einiges ein, ich möchte aber nur einen Wert herauspicken: Unseren Langzeit-Favoriten Sixt. Trotz glänzender Zahlen und weiterhin aussichtsreicher Wachstumsperspektiven hat die Aktie in der Spitze bereits mehr als 45 Prozent ihres Werts verloren - und das in knapp vier Monaten. Das schreit eigentlich nach einer Gegenbewegung. Sixt bleibt weiter eines unserer Kerninvestments im Value-Stars-Deutschland-Index. Das aktuelle Nebenwerte-Portfolio können Anleger übrigens in unserem monatlichen Newsletter einsehen.
finanzen.net: Herr Steffen, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.
Das Interview führte Volker Altvater von finanzen.net.
Über Holger Steffen
Holger Steffen verfügt über langjährige Erfahrung in der Unternehmens- und Kapitalmarktanalyse. Der Analyst ist mitverantwortlich für das Musterdepot des Anlegerbriefs, das seit Start im Jahr 1999 eine durchschnittliche Jahresrendite von 17,1 Prozent aufweist (Stand: 30.11.2018). Seit 2013 fungiert er mit der Anlegerbrief Research GmbH zudem als Berater für den Value-Stars-Deutschland-Index, der seit Auflage im Dezember 2013 einen Kurszuwachs von 81,3% verzeichnet hat (Stand 30.11.18).
Der gelernte Diplom-Kaufmann hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft der RWTH Aachen gearbeitet. Seit mehr als 15 Jahren ist Steffen in der Finanzbranche aktiv, sein Schwerpunkt liegt in der Unternehmens- und Kapitalmarktanalyse. Der Analyst hat bereits zahlreiche Studien zu deutschen Nebenwerten verfasst und sich als Buchautor betätigt.
Hinweis: Die finanzen.net GmbH unterhält geschäftliche Verbindungen zur Anlegerbrief Research GmbH, dem Berater des Referenzportfolios, und partizipiert an den Einnahmen aus der Verwaltungsgebühr und der erfolgsabhängigen Gebühr des Endlos-Zertifikats auf den Value-Stars-Deutschland-Index (WKN LS8VSD).
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