Kaffee vor neuem Aufwärtsschub?
In den vergangenen Wochen und Monaten wurde Kaffee einmal mehr seinem Ruf gerecht, einer der volatilsten Rohstoffe überhaupt zu sein.
Genau genommen glich die Kursentwicklung einer Achterbahnfahrt und Anleger, die auf der richtigen Seite positioniert waren, konnten ansehnliche Gewinne erzielen. Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang lautet jedoch wie immer: Welche Seite ist in Zukunft die richtige? Wir wollen versuchen, Ihnen eine Antwort darauf zu geben.
Angebot derzeit recht üppig
Gegenwärtig stellt sich die Angebotslage recht üppig dar. So rechnet das US-Landwirtschaftsministerium für die noch bis zum 30.09. laufende 2008/09er Saison mit einem globalen Output bei Arabica-Kaffee von 140,6 Millionen Säcken bei einem Verbrauch von lediglich 135,8 Millionen Bags. Die Befürchtungen einiger Marktteilnehmer, dass die Ernten in den beiden wichtigsten Erzeugerländern Brasilien und Kolumbien nach den ungünstigen Witterungsverhältnissen während der Pflanz- und Reifungsphase geringer als erwartet ausfallen könnten, bestätigten sich nicht, nachdem Regenfälle in der wichtigen Trocknungsperiode ausblieben. Diese Erkenntnis führte zu dem Preisrutsch von 140 auf 120 US-Cents. Immerhin dürfte sich das viel beachtetet Ending Stock to Use Ratio an Ende dieses Wirtschaftsjahrs von zuvor zehn auf dann 13 Prozent erholen. Im historischen Vergleich muss dieses Niveau jedoch nach wie vor als gering bezeichnet werden. In der Vergangenheit hat man hier nicht selten Werte bis zu 20 Prozent gesehen.
Niedrige Ernteerträge in der kommenden Saison möglich
Entscheidend für die künftige Preisentwicklung sind mittlerweile allerdings in erster Linie die Ertragsaussichten für die anstehende 2009/10er Saison. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich sowohl in Brasilien als auch in Kolumbien die Mehrzahl der Pflanzen derzeit in einem hohen Ertragsstadium befinden. Biologisch bedingt fallen die Ernten jedes zweite Jahr überdurchschnittlich niedrig aus, so dass für die nächste Saison mit einem Rückgang des Outputs zu rechnen ist. Als Folge sieht das amerikanische Landwirtschaftsministerium die brasilianischen Erträge in der kommenden Saison von 51,5 auf 43,3 Millionen Säcke schrumpfen. Die Lagerbestände sollen zum 30.09. von 17,3 auf 13 Millionen Bags zurückgehen. Kurz- bis mittelfristig sind die Aussichten auf steigende Kurse also gar nicht so schlecht, auch wenn kürzlich ein Analyst für die 2010/11er Saison eine Rekordernte im „Land am Zuckerhut“ von 52 Millionen Säcken in Aussicht stellte.
Brasilen hegt Intervenierungspläne
Auf Grund seiner dominierenden Marktposition bei Arabica-Kaffee ist Brasilien traditionell das „Zünglein an der Waage“ im Hinblick auf die Entwicklung der Notierungen. Angesichts der zuletzt deutlich gefallenden Preise sah sich die Regierung genötigt zu intervenieren und kündigte an, bis zu zehn Millionen Säcke vom Markt nehmen und einlagern zu wollen. Wir haben jedoch erhebliche Zweifel, dass diese Maßnahme tatsächlich umgesetzt wird. Immerhin wurden erst kürzlich drei Millionen Säcke an die Produzenten zurückverkauft, weil der dadurch entstandene Verlust geringer als die Lagerkosten ausfiel. Da gerade die brasilianische Regierung vor allem in Sachen Kaffe bekannt dafür ist, den Preis durch bewusst niedrige Schätzungen und sonstige Ankündigungen hoch zu halten, messen wir den Intervenierungsplänen keine allzu große Bedeutung zu. Sollte es allerdings wirklich dazu kommen, würde diese künstliche Angebotsverknappung ganz sicher zu einem massiven Anstieg der Notierungen führen. Wie sensibel der Markt bereits auf die bloße Ankündigung reagierte, zeigte sich anhand des Kursanstiegs von 120 auf über 130 US-Cents in den letzten Handelstagen.
Konsum steigt kontinuierlich
Die Nachfrage nach den aromatischen Bohnen entwickelt sich bereits seit längerem durchaus erfreulich. Mit durchschnittlichen jährlichen Zuwachsraten von 2,6 Prozent explodiert der Konsum zwar nicht, steigt aber kontinuierlich. Erhebliches Potenzial bietet insbesondere der chinesische Markt. Hier gehen Experten von jährlichen Steigerungsraten von 20 Prozent aus, weil Kaffee als westliches Statussymbol gilt. Längerfristig hat das „Reich der Mitte“ das Potenzial, nach den USA der zweitgrößte Verbrauchermarkt zu werden. Insgesamt präsentieren sich die Fundamentaldaten also tendenziell bullisch.
Bullische Saisonalität
Gleiches gilt für die Saisonalität: Im Regelfall bilden die Kaffee-Notierungen ihr Jahrestief zwischen Juni und August aus. Im Anschluss geht es bis Dezember teils mit beachtlicher Dynamik aufwärts. Da die Saisonalität in diesem Jahr insgesamt recht zuverlässige Signale lieferte, sollten Investoren dieses Analyse-Instrument nicht unterschätzen. Long-Positionen erscheinen somit sehr gut vertretbar.
Charttechnik impliziert steigende Notierungen
Abgesehen davon impliziert auch die Charttechnik steigende Kurse. Nach der jüngsten „Rallye“ notiert der September-Future komfortabel über der wichtigen 18-Tage-Linie. Gleichzeitig wurde der Aufwärtstrend seit März bestätigt und sowohl der MACD als auch die Stochastik und der RSI generieren Kaufsignale. Auch wenn der Markt aktuell ein bisschen überkauf wirkt, gehen wir davon aus, dass die Widerstandszone zwischen knapp 140 und 145 US-Cents in den kommenden Wochen in Angriff genommen wird. Kleinere Korrekturen bis in den Bereich von 130 US-Cents stellen unserer Ansicht nach daher gute Einstiegsgelegenheiten auf der „langen Seite“ dar.
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter: www.rohstoff-trader.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.