Begehrte Bohne

Schokoträume: Wo Anleger jetzt zugreifen können

01.05.19 16:15 Uhr

Schokoträume: Wo Anleger jetzt zugreifen können | finanzen.net

Klimawandel und der ungebremste Schoko-Boom sorgen für langfristig steigende Kakaopreise. Die Gründe, die Folgen und die besten Investments.

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von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Zuletzt brach 2015 die große Panik unter Schokoladenliebhabern aus. Der Preis für Kakao-Futures kletterte auf 3.350 US-Dollar pro Tonne: Eine heftige Dürreperiode in Westafrika stellte die Kakaoernte infrage, reihenweise gingen Kakaobäume ein. Zeitungen titelten mit einer Studie über möglicherweise verheerende Folgen des Klimawandels: "Kakaopflanzen könnten bis 2050 aussterben".

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Wer darauf spekulierte, verbrannte sich die Finger. In den folgenden drei Jahren gab es Rekordernten, die Preise fielen auf eine Spannbreite von 2200 bis 2400 Dollar - und niemand spricht mehr über die drohende Misere für die beliebteste Bohne der Welt. Was nicht heißt, dass das Problem aus der Welt ist.

Jetzt steigen die Kakaopreise langsam wieder: Denn 2019 kommt der Klimaeffekt El Niño nach Westafrika zurück, der extreme Hitze und Dürreperioden mitbringen kann, was die Ernte womöglich erneut verhagelt. "Wir sitzen in den Startlöchern", sagt Rohstoff-Trader Shawn Hackett von Hackett Financial Advisors in Boca Raton, Florida. Ab Ende April bis Mitte Mai könnten sich erste Indizien für extremes Wetter abzeichnen. "Gibt es auch nur ein Anzeichen für eine Dürre, dann explodiert der Kakaopreis", sagt Hackett, der in diesem Fall mit einem Preissprung von mindestens 30 Prozent rechnet. Käme es zu großen Ernteausfällen, wäre sogar ein Preis von über 3.000 Dollar denkbar.

Rennen um Nutella


Eine Welt ohne Schokolade ist kaum vorstellbar. Schon als Ferrero den Anteil von Milchfett in seinem Haselnuss-Schokolade-Brotaufstrich Nutella leicht erhöhte und die Creme etwas heller aussah, liefen die Konsumenten im Internet Amok. Als die französische Supermarktkette Intermarché vor einem Jahr als Sonderangebot den Preis für Nutella um 70 Prozent herabsetzte, drängelten sich in Metz 200 Menschen zur Ladenöffnung durch die Eingangstüren und rissen einander die Gläser aus der Hand. Schokolade gilt als Stimmungsaufheller und Glücklichmacher, sogar als Liebeselixier. Kakao ist längst nicht nur in Schokolade - tonnenweise wird er in Milchprodukten, Eis und Keksen verkonsumiert.

Experten erwarten eine Fortsetzung des Booms. Binnen fünf Jahren stieg die Nachfrage um 30 Prozent. "Weltweit ist die Nachfrage über die vergangene Dekade von Jahr zu Jahr gestiegen", sagt Nagarajan S vom US-Marktforscher Beroe. Der Agrarrohstoff-Experte erwartet, dass der weltweite Kakaomarkt bis 2026 auf ein Volumen von zehn Milliarden Dollar wächst. Das Wachstum rührt auch von Märkten wie China her, wo die Menschen immer wohlhabender werden und sich neuen Luxus leisten können. Russland etwa hat sich zum zweitgrößten Schokomarkt nach den USA entwickelt.

Sensibler Urwaldsprössling


Zugleich aber wird das Klima in den großen Anbaugebieten in Westafrika unberechenbarer. Eine Trockenzeit ohne Wasser bedeutet für eine Kakaoplantage das Ende. Eine Vielzahl von Krankheiten können die Pflanzen befallen. "Wer in den nächsten Jahrzehnten noch Schokolade verkaufen will, muss jetzt in Innovationen investieren", sagt Philippe Bastide vom französischen Forschungsinstitut Cirad, das seit 27 Jahren zum Kakaoanbau forscht. "Die Nachfrage nach Schokolade steigt stetig, doch die Produktion steht wegen Klima- und sozialem Wandel unter steigendem Druck", so Bastide.

Schokoriegelhersteller Mars und Chocolatier Barry Callebaut erwarten eine Angebotslücke von zwei Millionen Tonnen Kakao bis 2030. "Die zunehmende Nachfrage gekoppelt mit den Schwierigkeiten im Anbau wird für anziehende Preise sorgen", prognostiziert Marktforscher Beroe. Der Klimawandel habe einen nachhaltig negativen Effekt auf Ernteerträge, Kakao sei jetzt schon eine der am stärksten betroffenen Pflanzen.

Kakao ist einer der empfindlichsten Rohstoffe der Welt. Die Bäume mit Blättern von bis zu einem halben Meter Durchmesser bevorzugen eine Temperatur zwischen 22 und 28 Grad Celsius, brauchen 15 bis 40 Liter Wasser pro Tag und mögen keinen Wind. "Sie sind extrem ineffizient in der Photosynthese", sagt Bastide. Steigt die Temperatur über 35 Grad oder fällt sie unter 15, ist es aus mit dem Baum.

Die Pflanzen stammen ursprünglich aus dem Regenwald am Amazonas mit stabilem Klima. Heute aber werden über 70 Prozent der weltweiten Produktion an der Elfenbeinküste und in Ghana angebaut. Es ist ein Arme-Leute-Geschäft. Eine Familie, die Kakao anbaut, erwirtschaftet im Schnitt nur 2000 Dollar im Jahr. Und es gibt ein akutes Nachwuchsproblem in der afrikanischen Kakaowirtschaft: Die meisten Bauern sind über 50, die durchschnittliche Lebenserwartung in der Region beträgt gerade einmal 60 Jahre. Die jungen Leute aber pflanzen lieber ertragreiche Früchte an wie etwa Papaya, wenn sie überhaupt in der Landwirtschaft bleiben wollen.

Noch prekärer ist, dass die Sahel-Zone sich jedes Jahr um einige Kilometer nach Süden ausweitet - in Richtung der Kakaoplantagen. Dort erweitern die Bauern das Farmland, indem sie Regenwald roden, um ihre Erträge stabil zu halten. "Der Zuwachs der weltweiten Kakaoproduktion ist hauptsächlich durch die Ausweitung des Anbaus in unter Naturschutz stehende Gebiete erreicht worden", sagt Richard Scobey, Präsident der World Cocoa Foundation, in der 80 Prozent der Schokolade verarbeitenden Konzerne organisiert sind.

Wilder Anbau


Der wilde Anbau hat zu einer Angebotsschwemme und zu Preisdruck geführt. Allerdings ist in Ghana das Ende der Fahnenstange schon erreicht, es gibt kein weiteres Land für den Kakaoanbau. An der Elfenbeinküste dagegen könnte man noch bis zu 300.000 Hektar roden. Dabei schaffen Initiativen in Ecuador und Brasilien mit dem Aufpfropfen von Sprösslingen Klone von Kakaopflanzen und steigern so den Ertrag von 400 bis 500 Kilo pro Hektar auf 2,5 bis drei Tonnen. "Leider wird diese Innovation, die die Erträge versechsfacht hat, nicht nach Afrika exportiert", erklärt Forscher Bastide.

Das kann sich ändern. "Allen großen Unternehmen wie Barry Callebaut, Cargill und Mars ist das Ausmaß der Krise sehr bewusst, denn ihr Rohmaterial steht auf dem Spiel", sagt Michel Barel, Kakaoforscher der Unternehmensberatung Kawacao. Der US-Konzern Mondelez, bekannt etwa durch die Marken Oreo und Cadbury, will bis 2022 400 Millionen Dollar in nachhaltigeren Anbau investieren. Mars Wrigley, Hersteller etwa von Snickers und M & Ms, arbeitet mit der Universität von Kalifornien an genmodifizierten Bäumen. Diese sollen resistenter gegen Krankheiten und Pilze werden, die jährlich rund 40 Prozent der Ernte vernichten. "Wir setzen uns mit ganzer Kraft ein", so der Nachhaltigkeitsbeauftragte Barry Parkin von Mars. Mit einer Milliarde Dollar soll binnen zehn Jahren dann auch die Klimabilanz aufgepäppelt werden.

Investor-Info

Kakao-ETC
Süße Spekulation


Auf Jahressicht tendiert der Preis für die beliebte Bohne seitwärts, zuletzt sind die Notierungen aber wieder gestiegen. Kommt es etwa wegen des Klimaphänomens El Niño zu einer Knappheit, dürften die Preise für die Tonne wieder über die Marke von 2500 Dollar klettern. Manche Experten erwarten Preise Richtung 3000 Dollar. Wer auf einen anziehenden Kakaopreis setzt, kauft keine Schoko-Aktien, sondern ein börsengehandeltes Papier auf den Rohstoff, etwa den ETC der Commerzbank: Coba ETC 1x Cocoa Daily Long.
ISIN: DE000ETC0597

Barry Callebaut
Süßer Expansionskurs


Barry Callebaut ist der weltgrößte Hersteller von Schokolade, zuletzt sorgten die Schweizer mit pinkfarbener Schokolade namens Ruby für Furore. Kunden sind Konzerne wie Nestlé. Der Konzern expandiert durch eine Akquisition in den schnell wachsenden russischen Markt. Steigende Kakaopreise sind allerdings nicht gut für den Kurs. Die Aktie ist zudem teuer. Halten.
ISIN: CH0009002962

Nestlé
Schokogeschäft als Zuckerl


Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, verarbeitet viel Schokolade, zum Beispiel zu KitKat, Baci und Cailler-Pralinen - der Aktienkurs des Konglomerats reagiert aber kaum auf Entwicklungen im Kakaomarkt. Wichtiger ist die Wachstumsstrategie von Chef Ulf Mark Schneider, der die Nummer 1 der Branche allmählich wieder auf flotteres Tempo bringt. Nach einer Wachstumsdelle soll es 2019 geschätzt mit sechs Prozent beim Umsatz vorangehen. Der Gewinn soll dieses und nächstes Jahr um jeweils acht Prozent zulegen. Langfristinvestment.
ISIN: CH0038863350








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Bildquellen: Pierre-Yves Babelon / Shutterstock.com, Brenda Carson / Shutterstock.com

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