Zinswende in den USA

Risikoforscher Sorbette: "Die Finanzwelt ist voller Blasen"

09.08.14 08:00 Uhr

Risikoforscher Sorbette: "Die Finanzwelt ist voller Blasen" | finanzen.net
Didier Sornette, TH Zürich

Der Schweizer Didier Sornette zählt zu den weltweit führenden Risikoforschern und leitet den Lehrstuhl für unternehmerische Risiken an der Technischen Hochschule Zürich.

€uro am Sonntag: Herr Sornette, wie definieren Sie eine Blase?
Didier Sornette:
Wir sprechen von Blasen, wenn wir superexponentielles Preiswachstum feststellen. "Super" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im mathematischen Sinne die Wachstumsrate der Wachstumsrate wächst.

Können Sie das konkret erklären?
Wenn etwa die relative Preisänderung für Gold im ersten Jahr fünf, dann 15 und im dritten Jahr um 25 Prozent beträgt, dann ist die Gefahr einer Übertreibung gegeben.

Wie kommt es zu Übertreibungen?
Weil steigende Kurse meist weiter steigende Kurse auslösen. Immer mehr Marktteilnehmer setzen auf weitere Gewinne, immer neues Geld fließt in den Markt - der berühmte Herdentrieb ist im Gange.

Warum wittern nicht viel mehr Investoren die Gefahr?
Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Denn in Boomphasen werden gern die Bewertungsparameter geändert. Meist geht das mit der Aussage einher, dass man sich in einem neuen Zeitalter befinde und die alten Kriterien nicht mehr gelten. So spielten in der Dotcom-Blase traditionelle Bewertungsfaktoren von Aktien wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis keine Rolle mehr.

Wie lange halten sich Blasen?
Die Finanzwelt ist voller Blasen, die länger oder kürzer bestehen. Einige existieren ein paar Minuten, einige Jahrzehnte, ehe sie platzen. Wichtig ist, dass die Folgen umso heftiger sind, je länger die Blasen bestehen.

Warum platzen Blasen?
Nach einem steilen Preisanstieg befindet sich die Blase von einem bestimmten Zeitpunkt an in einem instabilen Zustand. Dann kann ein externer Faktor wie ein Gerücht das System schnell kollabieren lassen. Aber es kann auch geschehen, dass die Blase gar nicht platzt, sondern die Luft langsam entweicht.

Wo sehen Sie aktuell Blasen?
Wir stellen auf rund 30 Prozent aller Aktienmärkte weltweit eine Blasenbildung fest, besonders die US-Aktienmärkte sind deutlich überteuert. Hier sind etwa der Biotech- und Internetsektor, aber auch die Eisenbahn- und Transportbranche zu nennen. Ebenso zahlreich sind Überbewertungen am Markt für Unternehmens- und Staatsanleihen.

Wo zum Beispiel?
Für spanische Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit erhalten sie derzeit 2,50 Prozent Rendite im Jahr, das gab es zuletzt in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, und das trotz der großen Probleme des Landes.

Worauf führen Sie das zurück?
Es ist viel Geld auf der Suche nach Rendite. Und die ist in diesem Umfeld schwer zu finden. Sie sind etwa als Pensionsfonds gezwungen, in den Aktienmarkt oder in risikobehaftete Anlageklassen zu investieren. Das bedeutet aber auch, dass die Blasen nicht unbedingt platzen müssen, solange dieser Anlagedruck weiter so vorhanden ist.

Inwieweit sind die Zentralbanken für die Blasen verantwortlich?
Seit Mitte der 90er-Jahre verfolgt die US-Notenbank schon eine sehr lockere Geldpolitik. Dies hat seither Hand in Hand mit der Liberalisierung der Kapitalmärkte zu einer Vielzahl kleinerer und größerer Blasen geführt, die das Finanzsystem immer stärker destabilisieren. Und dieser gefährliche Weg wird nun fortgesetzt.

Führen steigende Zinsen denn sofort zum Platzen von Blasen ?
Nein, so einfach ist es nicht. Die Immobilienblase in den USA ist beispielsweise erst geplatzt, nachdem die Fed schon längere Zeit die Zinsen erhöht hatte. Andersrum führen sinkende Zinsen nicht sofort zu neuen Blasen. Auch hier sind zeitliche Verzögerungen festzustellen.

Warum versuchen die Notenbanken nicht gegenzusteuern?
Weil die Notenbanker einen zu kurzfristigen Horizont besitzen und auf ­politischen Druck hin zu stark reagieren. Ich vergleiche das gern mit einem Fahranfänger, der viel zu stark lenkt, um im Endeffekt geradeaus zu fahren. Ein erfahrener Fahrer agiert vorsich­tiger und er fährt trotzdem ruhiger. Das sollten auch die Notenbanken ­beherzigen.

Bildquellen: TH Zürich