Widerrufsbelehrung prüfen

Baufinanzierung: Wechselfieber bei Bausparern

aktualisiert 20.09.14 20:27 Uhr

Baufinanzierung: Wechselfieber bei Bausparern | finanzen.net

Millionen Darlehensverträge sind falsch und können gekündigt werden. Eigentlich ein Glücksfall für alle, die nun günstig umschulden wollen. Dennoch gilt es dabei einiges zu beachten.

von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag

Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da einlasse", sagt Christian Schmid-Burgk. Im Büro des Baufinanzierungsexperten der Verbraucherzentrale Hamburg stapeln sich Anfragen zu Tausenden Darlehensverträgen. Die Absender wollen ihren alten, teuren Kredit gegen einen neuen, viel günstigeren tauschen. Und Schmid-Burgk soll ihnen dabei helfen. Er ist der Vater des sogenannten Widerrufsjokers. Das bedeutet im Klartext: Ist die Widerrufsbelehrung eines Kreditvertrags falsch, kann der ganze Kontrakt ohne Weiteres gekündigt werden. Der Hamburger Verbraucherschützer hat herausgefunden, dass falsche Widerrufsbelehrungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Aber der Reihe nach.

Vor gut einem Dreivierteljahr haben sich Schmid-Burgk und seine Kollegen die Widerrufsbelehrungen von Darlehensverträgen aus der Zeit zwischen 2002 und 2010 angeschaut. Von den rund 1.800 geprüften Verträgen hatten gut 1.500 eine falsche oder zumindest nicht ganz eindeutige Widerrufsbelehrung.

Der Grund, warum das so ist, klingt nach Satire, ist aber sehr ernst: 2002 erarbeiteten Beamte des Bundesjustizministeriums auf Druck der Europäischen Kommission eine Widerrufsbelehrung für Darlehensnehmer. Mit ihr sollte all denjenigen, die einen Hauskredit aufnehmen, das Recht eingeräumt werden, ihre Entscheidung noch einmal 14 Tage lang zu überdenken.

Doch das Widerrufsmuster, das die Beamten ausarbeiteten, war unverständlich und aus Sicht vieler Juristen voller Fehler. Da es aber aus dem Bundesministerium der Justiz kam, übernahmen einige Banken das Muster. Andere versuchten, das Behördendeutsch klarer und verständlicher zu machen.

Falsch, aber doch richtig
2010 urteilte der Bundesgerichtshof jedoch, dass alle Widerrufsbelehrungen, die wortgleich mit dem Muster aus dem Justizministerium sind, zwar rechtlich falsch sind, aber Vertrauensschutz genießen. Schließlich hätten sich die Banker nur an eine amtliche Vorgabe gehalten. Bei den übrigen Formulierungen kommt es darauf an, wie sich die jeweilige Bank mit ihrem Kunden einigt oder ein Gericht entscheidet. Seit die Hamburger Verbraucherschützer Verträge in großem Stil untersuchten, haben Anwälte und Bankjuristen alle Hände voll zu tun.

Für Schuldner erscheint der Widerrufsjoker wie ein Sechser im Lotto, denn bis vor vier Jahren zahlten Kreditnehmer das Doppelte bis Dreifache der heutigen Zinsen. Bei einem Darlehen über 100.000 Euro über zehn Jahre macht die Höhe des Zinses Tausende Euro aus.

Nicht nur Freibriefe
Ist die Widerrufsbelehrung nichtig, entfällt bei der Kündigung auch die Vorfälligkeitsentschädigung, die je nach der Summe des geliehenen Geldes Zigtausende betragen kann. Doch Schmid-Burgk warnt. Abseits des BGH-Spruchs zu den Musterbelehrungen gebe es zwar Urteile von Oberlandesgerichten, aber ob sich Banken davon beeindrucken lassen oder andere Richter sich daran orientieren, sei fraglich. "Zwar sind rund 80 Prozent der Belehrungen, die wir gesehen haben, falsch, aber nur bei rund der Hälfte der Fälle gibt es gute Chancen, dass die Bank, die den Vertrag geschlossen hat, den Kunden auch tatsächlich entlässt."

Bei welchen Banken sich die Fehler häufen, können Schmid-Burgk und Anwälte, die sich mit der Materie beschäftigen, nur pauschal sagen. Außer bei der ING-DiBa und der DSL Bank seien bei einigen Versicherern sowie Sparkassen und Volksbanken Fehler entdeckt worden. "Verträge der Deutschen Bank haben in der Regel eine korrekte Widerrufsbelehrung", sagt Julius Reiter, Fachanwalt für Bankrecht bei der Kanzlei Baum, Reiter und Collegen.

"Wer sich die Musterwiderrufsbelehrung aus dem Internet lädt und herausfindet, dass diese nicht zum Wortlaut in seinem Vertrag passt, sollte nicht zu seiner Bank rennen und kündigen", sagt Schmid-Burgk. Gegenüber diesen Kunden seien die Institute selten einsichtig. Die Kunden würden hingehalten oder müssten eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.

Mit juristischem Beistand sei das anders: "Es kommt sehr selten vor, dass es eine Bank auf einen Prozess ankommen lässt", sagt Fachanwalt Reiter. Er berichtet von drei Wegen: Der Kunde wird aus seinem Vertrag entlassen, er bekommt einen neuen Vertrag zu günstigeren Konditionen, und in schwierigeren Fällen wird ein Vergleich geschlossen, mit dem beide leben können.

Den Anschluss nicht vergessen
Die meisten Kreditnehmer brauchen eine Anschlussfinanzierung, schließlich muss die Restschuld getilgt werden, und die ist umso größer, je früher man aussteigt. "Wer nun loszieht und sich einen neuen Kreditgeber sucht, kann am Ende zwei Probleme haben: Lässt ihn die alte Bank nicht ziehen, hat er zwei Darlehen zu bedienen. Und wer bei vielen Banken nach einem Kredit fragt, dessen Bonität ist im Keller", sagt Joachim Cäsar-Preller, Bankrechtler bei der Kanzlei Cäsar-Preller. Je häufiger ein Kunde nach einem Kredit fragt, desto schlechter beurteilt die Schufa seine Kreditwürdigkeit. "Fragen Sie daher stets nur nach Konditionen und nie konkret nach einem Kredit", so Cäsar-Preller.

Nach Ansicht der ING-DiBa, einem der großen Kreditgeber des Landes, kommt es auf den Kunden an. "Im Einzelfall prüfen wir den Anspruch des Kunden und entscheiden, ob nach unserer rechtlichen Einschätzung ein Anspruch auf den rückwirkenden Widerruf besteht oder nicht. Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob der Kunde seinen Kredit loswerden will, etwa weil er seine Immobilie verkaufen muss, oder ob er widerruft, um Geld zu sparen", sagt ein Sprecher der Bank.

Was Aussteigen kostet
Für Christian Schmid-Burgk sind solche Aussagen Zeichen der "Gutsherrenart", nach der einige Banken Kredite vergeben. "Wir haben Hinweise, dass Kunden, die gekündigt haben, woanders keinen Kredit bekommen", berichtet er. Sollte sich der Verdacht erhärten, will er das Kartellamt einschalten. "Nicht nur kartellrechtlich ist es ein Unding, dass Banken beleidigt sind, nur weil Kunden sich auf ihr Recht berufen", sagt Julius Reiter. Er glaubt, dass sich auch die Finanzaufsicht Bafin einschalten wird. Für betroffene Banken könnte es dann teuer werden.

Sollten die Behörden einschreiten, würden die Rechte der Kunden weiter gestärkt. Bis dahin sollten Wechselwillige vor allem besonnen vorgehen. Ein Widerruf dauert Wochen, wenn die Bank sich querstellt, Monate. Ein Anwalt sorgt für mehr Sicherheit und fachlichen Beistand, doch die Kosten für den Widerruf eines 100.000-Euro-Darlehens liegen bei rund 2.400 Euro. Beim Vergleich verdoppelt sich die Gebühr.

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