Wenn nichts mehr geht

Berufsunfähigkeit: Die besten Policen

13.04.14 03:00 Uhr

Günstige und umfassende Absicherungen gegen Berufsunfähigkeit sind rar. €uro zeigt die besten Versicherungen.

von Martin Reim, €uro Magazin

Ein Wintertag in Feldafing, einem Dorf am Starnberger See. Passend zum grauen Himmel grübeln rund ein Dutzend Versicherungsmakler über einem eher unerfreulichen Thema: Berufsunfähigkeit. Eingeladen hat "Die Bayerische", ein mittelgroßer Anbieter.

Aus dessen Sicht steckt noch einiges Potenzial in dem Versicherungszweig. Immerhin hat nur jeder zehnte Erwerbstätige eine sogenannte selbstständige Berufsunfähigkeitspolice, die genügend Leistung verspricht, falls er seine Arbeit an den Nagel hängen muss. Und die Gefahr, dass dies passiert, ist groß. Nach Zahlen des Branchendienstes Map-report wird jeder Fünfte im Laufe seines Erwerbslebens zeitweise oder dauerhaft berufsunfähig.

Im Tagungsraum eines Hotels diskutieren die Männer (Frauen sind nicht anwesend), wo die wichtigsten Probleme bei der Absicherung liegen. "Zu wenige Interessenten bekommen eine Police zu akzeptablen Preisen", moniert ein schlanker Endfünfziger, nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten im Geschäft. Und ein jüngerer Vermittler fügt an: "Viele Versicherer betreiben extreme Rosinenpickerei. Jeder will nur die Kunden mit dem geringsten Risiko haben."

In der Tat kocht hier jede Versicherung ihr eigenes Süppchen. Hintergrund ist die Hoffnung, gerade jene Kunden zu bekommen, bei denen eine Berufsunfähigkeit besonders unwahrscheinlich ist. Konsequenz für alle Verbraucher, die an einer Police interessiert sind: Wer exakt ins Raster passt, bekommt einen extrem günstigen Vertrag. Wenn aber auch nur ein Detail abweicht, lehnt der Versicherer möglicherweise ab, schließt be- stimmte Risiken für Berufsunfähigkeit aus, beispielsweise Rückenleiden oder psychische Erkrankungen, oder die Prä- mie schnellt kräftig in die Höhe.

Wie groß diese Prämienunterschiede sein können, hat die Versicherungs-Ratingagentur Franke und Bornberg bei einem Versicherer exemplarisch herausgefunden. Wenn ein Einzelhandelskaufmann statt zu 76 Prozent nur zu 70 Prozent im Büro arbeitet, zahlt er sage und schreibe mehr als das Doppelte der ursprünglichen Prämie. Hintergrund: Bürotätigkeit gilt bei den Versicherern als besonders gesundheitsschonend.

In der Tabelle hat €uro auf Basis der Daten von Franke und Bornberg die besten Angebote für vier realistische Beispielfälle errechnet. Allerdings gilt auch hier: Selbst kleinste Abweichungen vom Beispielfall können zu großen (Prämien-)Unterschieden führen.

Generell empfiehlt es sich, Angebote bei mehreren Versicherern einzuholen. Das zeigt eine Studie des unabhängigen Versicherungsmaklers Helge Kühl. Für die Zeitschrift "Ökotest" wertete er vor einigen Jahren mehr als 5000 Anfragen für 1100 reale Personen aus. In der ersten Runde hatte er sich an jeweils drei Anbieter gewandt. Ergebnis: Nur vier Prozent der Anträge gingen bei allen Unternehmen durch. Im Schnitt waren fünf Anläufe nötig, bis mindestens eine Offer- te mit akzeptablen Preisen und Bedingungen zurückkam.

Wichtig: Wer sich für eine Berufsunfähigkeitspolice interessiert, sollte seine Anfragen nicht auf eigene Faust stellen, betont Bianca Boss von der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten. Denn im Falle einer Ablehnung riskiert man, dass seine Daten im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) gespeichert werden. Boss: "Eine Ablehnung ist ein Malus und verringert die Erfolgsaussichten von An- trägen bei anderen Anbietern."

Anonym anfragen. Mit HIS machen die Versicherer Jagd auf Betrüger und sammeln Daten zur Risikoprüfung. Die eigens gegründete Auskunftei stellt die Daten nur den Versicherern zur Verfügung, eine gesonderte Einwilligung der Betroffenen ist nicht nötig. Sachbearbeiter, die auf HIS-Einträge stoßen, prüfen Anträge besonders eingehend. Für einen HIS-Vermerk reicht bei einem Antrag für eine Berufsunfähigkeitspolice schon eine Vorerkrankung wie ein Hörsturz, ein gefährlicher Beruf wie Gerüstbauer oder eine hohe Versicherungssumme. Boss empfiehlt, vor einem konkreten Antrag auf Versicherung per anonymer Risiko-Voranfrage zu ermitteln, ob es überhaupt Chancen auf einen Vertrag gibt. Anonyme Anfrage können Verbraucher laut Boss über Versicherungsberater und -makler stellen.

Was ist beim Antrag noch zu beachten? "Sich dagegen wappnen, dass der Versicherer im Schadensfall nicht zahlen will", rät Beatrix Hüller, Fachanwältin für Versicherungsrecht, die jahrelang Berufsunfähigkeitsfälle bei einem großen Versicherer reguliert hat. Konkret bedeute das: "Erstens: Die Antragsfragen zur Gesundheit möglichst exakt beantworten, sonst ist die Gefahr groß, dass der Versicherer mit einer Verweigerungstaktik durchkommt." Zweitens: Wenn ein Versicherungsvermittler den Antrag ausfüllt, können Fehler passieren, die sich später rächen. "Deshalb sollte man von dem Termin ein Gedächtnisprotokoll anfertigen und einen Zeugen dabei haben. Möglichst nicht den Ehepartner, sondern beispielsweise den Nachbarn - wegen der Neutralität."

Drittens empfiehlt Hüller, vor Antrag- stellung eine Auskunft der Krankenkasse einzuholen und die Krankenkartei des Hausarztes beizufügen. Viertens: "Eine Rechtsschutzversicherung bei einer anderen Gesellschaft abschließen oder eine bereits laufende Police überprüfen, ob diese auch Versicherungsstreitigkeiten abdeckt." Die Rechtsschutzpolice muss vor dem BU-Abschluss mindestens ein Vierteljahr laufen und jene zehn Jahre abdecken, in denen der Versicherer wegen falscher Angaben im Antrag eine eventuelle Zahlung verweigern kann.

Erhebliche Unsicherheiten. In die €uro-Note fließt das Verhalten der Versicherer bei einem Antrag auf Berufsunfähigkeitrente insofern ein, als Franke und Bornberg an eine Reihe von Anbietern Unternehmensratings vergeben hat. Dabei wird auch die Regulierungspraxis untersucht. Anbieter mit einem Unternehmensrating bekommen in nebenstehender Tabelle einen Punkteauf- schlag in der Kategorie "Rating".

Sollte man angesichts solcher Unsicherheiten überhaupt versuchen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen? Immerhin liegt laut der Versicherungsmathematiker-Vereinigung DAV die Wahrscheinlichkeit für einen Zwanzigjährigen, im Laufe seines Erwerbslebens zeitweise oder dauerhaft berufsunfähig zu werden, bei sage und schreibe 43 Prozent.

Zwar hat die Assekuranz in solche Zahlen erhebliche Sicherheitspuffer einkalkuliert. Doch vorausgesetzt, dass man einen bezahlbaren Vertrag bekommt, sagt Boss vom Bund der Versicherten klipp und klar: "An dieser Police führt kein Weg vorbei."

Tarife im Vergleich: Alle Ergebnisse im Überblick (PDF)

Quelle: Franke und Bornberg, Bewertung: €uro