Selbstanzeigen richtig gemacht
Nach dem Hoeneß-Prozess spitzt sich die Debatte über die Abschaffung der Selbstanzeige zu. Welche Verschärfungen Steuerpflichtigen auf der "goldenen Brücke zur Straffreiheit" jetzt drohen.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen. So lautete nach nur vier Verhandlungstagen das Urteil gegen Uli Hoeneß. Der am Tag danach zurückgetretene Bayern-Präsident akzeptiert den Richterspruch und wird keine Revision beim Bundesgerichtshof einlegen.
Vergeblich hatte er zuvor darauf gesetzt, dass seine Selbstanzeige rechtlich wirksam war - und ihn vor Strafe bewahren würde. Das Landgericht München II entsprach der vagen Hoffnung nicht. Es schloss sich der Auffassung der Staatsanwaltschaft an, dass Hoeneß’ Versuch, sich "ehrlich zu machen", missglückt und erkennbar unzureichend gewesen sei.
Insgesamt hat er dem deutschen Fiskus 107 Millionen Euro Einkünfte verschwiegen. Diese Summe setzt sich zusammen aus Spekulationsgewinnen mit Devisentermingeschäften und Kapitalerträgen, die er auf Konten bei der Schweizer Bank Vontobel realisiert hatte.
28,46 Millionen Euro an Abgaben hat Hoeneß dadurch mindestens hinterzogen, in seiner der Selbstanzeige beigefügten Aufstellung aber nur für zwei von sieben nacherklärten Jahren Gewinne angegeben. Diesen Betrag muss er nachzahlen, inklusive Verzugszinsen und sonstigen Strafzahlungen könnten 48 bis 50 Millionen Euro fällig werden. Zehn Millionen Euro Abschlagszahlung hatte er bereits am Tag seiner Selbstanzeige geleistet.
Trotz Berichten über den Ankauf von Steuer-CDs mit Daten deutscher Bankkunden in der Schweiz hatte er zuvor offensichtlich keine Eile gehabt, sein Auslandskonto offenzulegen. Auch nach dem Scheitern des Steueraufkommens der Bundesrepublik mit der Schweiz Ende 2012 wurde Hoeneß nicht sofort aktiv.
Erst als er zwei Wochen später erfuhr, dass die Illustrierte "Stern" einen Bericht über ein millionenschweres Nummernkonto einer "namhaften deutschen Fußballergröße" plante, handelte er überstürzt - und ließ in einer Nacht- und Nebelaktion eine Selbstanzeige anfertigen.
Auf deren Grundlage habe das Finanzamt nicht einmal eine Schätzung vornehmen können, befanden die Richter. Dafür trage Hoeneß selbst die Schuld - sein Steuerberater habe nicht einfach nur "irgendeinen Vermerk" vergessen. Dass er dafür die erforderlichen Unterlagen nicht schnell genug vorlegen konnte, sei Hoeneß’ eigenes Risiko gewesen - schließlich hätte er zuvor mehrere Jahre Zeit gehabt, reinen Tisch zu machen.
Nur eine Abgabefrist-Frage ungeklärt
Offen ließ das Gericht lediglich, ob die Selbstanzeige zudem zu spät eingereicht wurde. "Die Abgabe war aber getrieben aus Angst vor Entdeckung", hieß es dazu in der mündlichen Urteilsbegründung.
Vor dem Landgericht argumentierten die Hoeneß-Anwälte auch erfolglos, dass die Selbstanzeige eine Hinterziehungssumme von 60 bis 70 Millionen Euro abgedeckt habe. Nach ihrer Auffassung würden die darin aufgeführten Zahlen auf unversteuerte Kapitaleinkünfte von bis zu 130 Millionen Euro schließen lassen.
Eine derzeit in Steuerverfahren oft praktizierte Finesse: Die hinterzogenen Summen bei einer Selbstanzeige werden bewusst deutlich zu hoch angesetzt, um nichts nachdeklarieren zu müssen. Die zu viel gezahlten Abgaben lassen sich später bequem per Einspruch gegen den neu erlassenen Steuerbescheid zurückholen. Lesen Sie auf den nächsten Seiten weiter
Privileg der Reichen?
Auch solche juristischen Winkelzüge befeuern die Debatte, ob die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige vor allem ein Privileg der Reichen sei - und komplett abgeschafft werden müsse. Nicht umsonst wird diese Option gern als "goldene Brücke zur Straffreiheit" bezeichnet.
Dennoch weist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Forderungen nach weitgehender Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bislang zurück. Aus für sein Amt nachvollziehbaren Gründen: Statistisch beschert jede eingereichte Selbstanzeige dem Staatshaushalt 58.000 Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen.
Medienwirksam verkündete Ankäufe von Steuer-CDs mit Daten über Auslandskonten und Berichte über prominente Steuerbetrüger sorgen für Abgabedruck: Vergangenes Jahr verdreifachte sich die Zahl der Selbstanzeigen im Vergleich zu 2012. Die abschreckende Wirkung des Falles Hoeneß lässt sich unter dem Strich auf rund eine Milliarde Euro zusätzliche Steuereinnahmen für 2013 summieren.
Die Finanzstaatssekretäre von Bund und Ländern diskutieren inzwischen über eine Verschärfung der Steuer- und Strafvorschriften. "Die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige muss einer Revision unterzogen werden", mahnt Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Sie dürfe nicht zu dem Eindruck führen, Steuerbetrug am Gemeinwesen sei ein Kavaliersdelikt. Zudem sollten Steuerhinterzieher, die sich selbst anzeigen, am Ende nicht günstiger davonkommen als Bürger, die von vornherein steuerehrlich sind.
Derzeit müssen Steuerpflichtige, die mehr als 50.000 Euro pro Jahr und Steuerart hinterzogen haben, darauf fünf Prozent Strafzuschlag bezahlen - zuzüglich Hinterziehungssumme und Verzugszinsen von sechs Prozent pro Jahr. Baden-Württemberg setzt sich für eine parallele Verdoppelung ein: "Die Berichtigungspflicht bei Selbstanzeigen sollte von fünf auf zehn Jahre steigen, der Strafzuschlag von fünf auf zehn Prozent", fordert Landesfinanzminister Nils Schmid (SPD).
Befürworter der Selbstanzeige argumentieren dagegen, oberstes Ziel müsse es bleiben, die Steuerhinterziehung wirksamer zu bekämpfen. "Deshalb ist die strafbefreiende Selbstanzeige in einem Rechtsstaat grundsätzlich unverzichtbar und verfassungsrechtlich geboten", meint der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Carl Groß, Vizepräsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Eine Debatte, die von Uli Hoeneß ungewollt angestoßen wurde, ihm aber nichts mehr nutzt.
Checkliste Selbstanzeige
Wer sich als Steuerpflichtiger beim Finanzamt selbst anzeigen will, muss gründlich sein und darf keine Fehler machen. Die wichtigsten Punkte:
• Selbstanzeige nicht ankündigen
Steuerpflichtige sollten ihre Selbstanzeige nicht vorab beim Finanzamt ankündigen - etwa durch einen Telefonanruf, per E-Mail oder Fax. Der Grund: Später nachgereichte Erklärungen und Dokumente wirken unter ungünstigen Umständen bei Vorabinfos nicht mehr strafbefreiend.
• Begriff im Anschreiben vermeiden
In der Betreffzeile des Anschreibens an das Finanzamt sollte das Wort "Selbstanzeige" nicht auftauchen - der zuständige Sachbearbeiter könnte die Unterlagen in dem Fall sofort an die Straf- und Bußgeldsachstelle weiterleiten. Die
Folge wäre die parallele Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Statt "Selbstanzeige" sollte man in der Überschrift besser "Berichtigung meiner Steuererklärung(en) aus dem Jahr/den Jahren ..." schreiben.
• Sämtliche Details offenlegen
Eine Selbstanzeige ist nur wirksam, wenn der Steuerpflichtige falsche Angaben vollständig berichtigt oder von ihm unterlassene Angaben nachholt. Der Fiskus muss auf Basis der Selbstanzeige korrekt besteuern können - eine lückenhafte Darstellung wird nicht akzeptiert. Sind unversteuerte Einkünfte vorläufig nicht exakt zu beziffern, sollte man dem Finanzamt zumindest eine fundierte Schätzung geben. Nötige Belege können später nachgereicht werden.
• Im Zweifel Experten einbeziehen
Bei komplizierten Sachverhalten, etwa
einer Vielzahl von Wertpapiertransaktionen, sollte ein Fachanwalt für Steuerrecht hinzugezogen werden. Der persönliche Steuerberater ist kein guter Ansprechpartner: Wird eine geplante Selbstanzeige doch nicht abgegeben, kann sich der Steuerberater bei Bearbeitung der aktuellen und künftigen Steuererklärungen seines Mandanten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen.
• Selbstanzeigen getrennt abgeben
Zusammen veranlagte Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner sollten ihre Selbstanzeigen zeitgleich, aber getrennt beim Finanzamt abgeben. Der Grund:
Eine Selbstanzeige kann nur strafbefreiend wirken, wenn jeder Steuerpflichtige sie persönlich abgibt.
• Finanzielle Obergrenze beachten
Seit 2011 sind Selbstanzeigen grundsätzlich auf 50.000 Euro pro Steuerjahr beschränkt. Für höhere Hinterziehungsbeträge gibt es eine Sonderregelung, die unter dem Strich teurer ist: Das Strafverfahren darf nur dann enden, wenn nachgezahlt wird - zunächst die fälligen Abgaben, dann sechs Prozent Verzugszinsen und schließlich weitere fünf Prozent als "Strafzahlung" auf die insgesamt hinterzogene Steuerschuld. Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter
• Ausschlussgründe vermeiden
Müssen Steuerhinterzieher damit rechnen, dass ihre Straftat bereits entdeckt worden ist, bleibt eine Selbstanzeige wirkungslos. Zu spät kommt sie in jedem Fall, wenn Betroffene bereits wissen, dass es eine sogenannte Prüfungsanordnung der Finanzbehörden gibt oder die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben wurde. Gleiches gilt, wenn Beamte schon mit dem Durchsuchungsbeschluss vor Wohnung oder Betrieb stehen. In diesem Fall kann die Abgabe einer Selbstanzeige allenfalls als frühes Geständnis im späteren Prozess strafmindernd wirken.
• Berichte über Steuer-CDs beachten
Ob Hinterzieher bereits nach dem bloßen Ankauf von Steuer-CDs durch eine Finanzbehörde als entdeckt gelten, ist gerichtlich bislang nicht geklärt. Die Finanzverwaltungen der Länder vertreten unterschiedliche Positionen. Im Zweifel sollten betroffene Steuerpflichtige eine Selbstanzeige auch noch nach einem möglicherweise relevanten CD-Ankauf abgeben.
• Steuerschuld pünktlich nachzahlen
Strafbefreiung gibt es nur, wenn hinterzogene Abgaben innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Frist komplett nachgezahlt werden. Ausreichende Liquidität sollte also bei Selbstanzeigen vorhanden sein.
• Strafrechtliche Verjährung prüfen
Eine Selbstanzeige erübrigt sich, wenn die Steuerstraftat verjährt ist. Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung beträgt normalerweise fünf Jahre, in besonders schweren Fällen zehn Jahre. Sie beginnt mit Bekanntgabe des falschen Steuerbescheids zu laufen.
• Steuerrechtliche Verjährung prüfen Die Frist für die steuerliche Festsetzungsverjährung beträgt - abweichend vom Strafrecht - zehn Jahre ab Bekanntgabe des falschen Steuerbescheids. Wurde überhaupt keine Steuererklärung abgegeben, kann der Fiskus Abgaben sogar für bis zu 13 Veranlagungsjahre nachfordern.
Weitere News
Bildquellen: filmfoto / Shutterstock.com