Altersvorsorge: Ohne Plan und Vertrauen geht es nicht
Private Vermögensanlagen werden für die Altersvorsorge immer wichtiger. Vier entscheidenden Schritte für Sparer und weshalb sich die Branche der Anlageberater wandeln muss.
von Susan Spinner, Gastautorin von Euro am Sonntag
In vielen Ländern überaltert die Gesellschaft, ebenso steigt in vielen Nationen die Staatsverschuldung. Kein Wunder, dass sich Menschen weltweit um die Sicherheit ihrer Altersvorsorge und die dauerhafte Stabilität des Rentensystems sorgen.
Nach Ansicht der Mitglieder des CFA Institute - einem Berufsverband für Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger - sind mögliche Rentenausfälle und unzureichende Vermögensrücklagen sowie der demografische Wandel die am stärksten unterschätzten Risiken für den internationalen Kapitalmarkt. Das ergab die letzte Jahresmitgliederbefragung unseres Verbands, an der über 5.000 Investmentmanager und professionelle Anleger (davon rund 30 Prozent aus Europa) teilnahmen. Insgesamt 34 Prozent der Befragten gaben die vorgenannte Einschätzung ab, der gleiche Wert wurde auch unter den deutschen Mitgliedern erreicht.
Private Rücklagen werden
auf Dauer immer wichtiger
Die Sorge erscheint berechtigt: Laut einer repräsentativen Allensbach-Umfrage im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft vom Juni 2015 können 62 Prozent der Bundesbürger ihr Einkommen im Alter nicht einschätzen. Und während nur drei Prozent der Befragten glauben, dass ein monatlicher Sparbetrag von unter 100 Euro zur Altersvorsorge ausreichen kann, legen doch 15 Prozent jeden Monat weniger als das zurück.
Doch das wird zum Problem. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt an, dass das Sicherungsniveau vor Steuern von 48 Prozent 2014 auf nur noch 44,4 Prozent 2028 sinken wird. Klar ist damit: Allein durch die gesetzliche Rentenversicherung bleibt das deutsche System nicht dauerhaft tragfähig. Nachholbedarf besteht deshalb insbesondere bei der privaten Altersvorsorge.
Dabei sind in Deutschland klassische Sparpläne sehr beliebt. Doch bei anhaltend niedrigen Zinsen werden Festgeldkonten, Banksparpläne oder Bausparverträge nicht mehr ausreichen, um ein sicheres Polster im Alter zu schaffen. Eine Studie der Fondsgesellschaft Union Investment und des Centers for Financial Studies der Goethe-Universität errechnete kürzlich, dass allein zwei Prozent weniger Zins über eine Spanne von fünf Jahren jeden deutschen Haushalt im Schnitt über 5600 Euro kosten. Viele Sparer unterschätzen jedoch die Auswirkungen niedriger Zinsen.
Vier Schritte zu einer
sichereren Altersvorsorge
Anleger werden ihre Sparstrategie an die aktuellen Gegebenheiten anpassen müssen. Dazu sind aus Sicht des CFA Institute vier Schritte entscheidend:Vorbereitung: Verbraucher sollten das Verhältnis ihrer individuellen Ausgaben und Einnahmen überprüfen, um dann einen adäquaten Budgetplan zu erstellen, der regelmäßige Rücklagen ermöglicht. Außerdem sollten sie evaluieren, welche betrieblichen und steuerlich vergünstigten Vorsorgepläne ihnen offenstehen, und diese vergleichen.
Regelmäßigkeit und Ausdauer: Um die eigenen Anlage- und Sparziele zu erreichen, ist Durchhaltevermögen gefragt. Sparer sollten kontinuierlich Beiträge in ihren Sparplan einzahlen - am besten per monatlichem Dauerauftrag. Wer kann, sollte eine graduelle Steigerung der Einzahlungen festlegen. Das Wichtigste: zuerst die Schulden tilgen! Jeder positive Spareffekt wird durch die Kosten eines Darlehens aufgezehrt.
Langfristige Investments: Altersvorsorge ist ein Langzeitprojekt. Kurzfristige Renditen sind nicht entscheidend. Privatanleger sollten auf ein kostengünstiges und diversifiziertes Portfolio setzen, das unterschiedliche Assetklassen abdeckt. Hier gibt es keine einheitliche Lösung - das Portfolio sollte für jeden Anleger maßgeschneidert sein und regelmäßig nachjustiert werden. Ebenso sollten Verbraucher den individuellen Bedarf an Versicherungen, einschließlich Kranken-, Lebens-, Arbeitsunfähigkeits-, Haftpflicht- und gegebenenfalls kostengünstiger fondsgebundener Rentenversicherungen, ermitteln.
Anlagemix: Der Negativeffekt niedriger Zinsen darf nicht unterschätzt werden. Daher empfiehlt es sich für Investoren mit längerem Zeithorizont, über einen Anlagemix mit höherer Aktienquote nachzudenken. Wenn ausreichend Zeit bleibt, um sie auszusitzen, schaden Phasen hoher Volatilität an den Aktienmärkten den Ersparnissen nicht. Rückt das Renteneintrittsalter näher, sollte die Aktienquote reduziert werden.
Sparer sind angewiesen auf
vertrauenswürdige Berater
Doch die Verantwortung allein bei den Verbrauchern zu suchen, wäre ein Fehler. Wesentlicher Faktor für die Verunsicherung und Risikoscheu deutscher Anleger ist die Vertrauenskrise gegenüber der Finanz- und Investmentbranche. Um eine bedarfsgerechte und langfristig tragfähige Anlagestrategie zu entwickeln, brauchen Kunden die Unterstützung zuverlässiger Anlageberater. Unsere Branche muss den bereits eingeschlagenen Veränderungsprozess weiter fortsetzen - und das aus eigener Initiative, nicht als Reaktion auf eine stetig verschärfte Regulierung.
Ich bin überzeugt: Kapitalmarktethik ist trainierbar, das Thema gehört ins Ausbildungscurriculum aller Anlageberater. Das CFA Institute fordert etwa von den Trägern des Titels "Chartered Financial Analyst" (CFA), sich mindestens jährlich zu Ethik- und Branchenstandards zu bekennen. Bei Verstößen gegen die Auflagen, etwa im Fall bewusster Verschleierung von Interessenkonflikten und Intransparenz gegenüber Kunden, kann der Titel aberkannt werden.
Unser Ziel muss die stärkere Professionalisierung der Investmentbranche sein. Dazu gehört die Festlegung verbindlicher ethischer Mindeststandards ebenso wie die Schaffung eines beruflichen Umfelds, das gutes Verhalten belohnt und funktionierende Meldesysteme für Fehlverhalten etabliert.
Mit der Zeit wird die Investmentbranche so das Kundenvertrauen nicht nur wiedergewinnen, sondern es auch verdienen. Und das wirkt sich positiv aus - auch auf die private Altersvorsorge.
zur Person:
Susan Spinner,
Geschäftsführerin
der CFA Society Germany
Spinner leitet den Berufsverband CFA Society Germany seit Juni 2011. Sie blickt auf 25 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche zurück. Die CFA Society Germany vertritt in Deutschland das CFA Institute, einen globalen Non-Profit-Berufsverband für Investmentmanager, Finanzanalysten und professionelle Anleger mit mehr als 130 000 Mitgliedern in 147 Ländern weltweit.
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Bildquellen: altafulla / Shutterstock.com, CFA Society Germany