Indexpolicen: Neulinge im Härtetest
24.05.17 01:00 Uhr

Mit Indexpolicen versprechen Lebensversicherer mehr Rendite und keine Verlustgefahr. Kann das stimmen? €uro macht den ersten echten Härtetest Deutschlands.
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von Martin Reim, €uro Magazin
Autohersteller greifen gern zum Turbolader, wenn ein Motor leistungsschwach ist. Er verhilft zu mehr PS, ohne dass die gesamte Konstruktion geändert werden muss. Denn das angebaute Teil wird von den Abgasen des Motors angetrieben und sorgt so für zusätzliche Power.
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In der Assekuranzbranche herrscht derzeit dasselbe Prinzip. Eine wachsende Zahl von Anbietern baut quasi einen Turbo in die klassischen Lebensversicherungen ein. Denn deren Renditen schrumpfen. Hauptgrund der Schwäche: Die Kundengelder müssen überwiegend in Staatsanleihen investiert sein, um in jedem Fall die garantierte Verzinsung zu erwirtschaften - doch die Anleihen werfen kaum noch etwas ab.
Lösung: Der Kunde kann die spärliche Überschussbeteiligung im nächsten Jahr nutzen und sich an der Wertentwicklung eines Index beteiligen, zumeist am Aktienmarkt. Das soll zusätzliches Geld bringen. Die Chancen und die Risiken sind dabei limitiert. Der Kunde hat nur innerhalb bestimmter Limits an den Gewinnen teil, andererseits kann im schlimmsten Fall maximal die eingesetzte Rendite des Vorjahres verloren gehen. Und wenn die Zeiten am Anleihemarkt noch schlechter werden sollten, kann die ursprüngliche Überschussbeteiligung unter den Garantiezins sinken.
Inzwischen haben 17 Versicherer solche sogenannten Indexpolicen im Programm, beinahe im Monatstakt werden es mehr. Auch bei den Kunden wächst die Beliebtheit, abzulesen beispielsweise am Allianz-Produkt "IndexSelect". Wie ein Sprecher des Marktführers erklärt, entscheidet sich mittlerweile jeder siebte Neukunde in der Lebensversicherung für diese Offerte.
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Grund genug, die Angebote auf Herz und Nieren zu prüfen. €uro hat in Zusammenarbeit mit der Ratingagentur Morgen & Morgen den bislang umfangreichsten Test von Indexpolicen unternommen (Ergebnisse in untenstehenden PDFs). Von allen Anbietern am deutschen Markt verweigerte nur die Zurich Versicherung die notwendigen Informationen und blieb deshalb außen vor.
Resultat: Die Unterschiede sind gewaltig. So ist bei "Klassik modern" des Volkswohl Bundes unter bestimmten Rahmenbedingungen und zwölf Jahren Laufzeit knapp die Hälfte mehr zu erwarten als bei der "DAX-Rente" der Nürnberger. Bei 30 Jahren Laufzeit sind es sage und schreibe fast 200 Prozent. Das bedeutet: Eine gute Police kann zu Vertragsende annähernd dreimal so viel Geld bringen wie eine schlechte. Die Kategorie "Performance" - also alles rund um die Wertentwicklung - floss denn auch mit 50 Prozent in die Endnote ein.
Doch nicht nur die Auszahlungen zählen. Ist ein Vertrag unflexibel, wird er seinem Besitzer möglicherweise wenig Freude bereiten, selbst wenn er renditeträchtig ist. Beispiel: wenn es enge Grenzen für Zuzahlungen während des Vertragsverlaufs gibt oder falls es keine höhere Rente gibt, wenn der Kunde pflegebedürftig wird. Andererseits sollte dem Kunden ein Höchstmaß an Kalkulierbarkeit geboten werden. Etwa welche Regeln gelten, wenn man mit den Einzahlungen eine Zeit lang aussetzen will. Oder nach welchem Rechenmodus das angesammelte Kapital bei Vertragsende in eine Rente umgewandelt wird.
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Diese Umwandlung kann unangenehme Folgen haben. Manche Versicherer wollen sich bei Vertragsabschluss nur beim sogenannten garantierten Kapital festlegen (bei allen Indexpolicen ist garantiert, dass man seine Einzahlungen am Ende annähernd oder komplett zurückbekommt). Was aufgelaufene Überschüsse betrifft, so behalten sich einige Anbieter die Entscheidung vor, wie sie später einmal die Rentenhöhe berechnen - ein Vabanque-Spiel für den Kunden. Solche Aspekte flossen in die Kategorie "Kundenfreundlichkeit" ein, die 40 Prozent des Endergebnisses ausmachen.
Ebenfalls wichtig ist die Nachvollziehbarkeit der Indizes. Ist sie gegeben, können Versicherte die Zusammensetzung und Wertentwicklung gut verfolgen und anhand dessen ihre Dispositionen treffen. Das ist beispielsweise der Fall beim DAX oder Euro Stoxx 50, der 50 wichtige Börsenwerte in Euroland umfasst. Leider verwendet nur die Hälfte der Anbieter solche transparenten Börsenbarometer, die anderen greifen zu selbst gebauten Produkten (siehe Kasten unten). Die Kategorie "Transparenz" machte im Test zehn Prozent der Gesamtwertung aus.
Letztere Einstufung trifft allerdings keine Aussage darüber, wie gut sich ein Index entwickeln könnte. Möglicherweise setzen die Experten der Versicherer bei ihren Selfmade-Prozessen genau aufs richtige Pferd. Doch konnten wir bei diesem Test nicht die künftigen oder historischen Wertentwicklungen der Indizes kalkulieren, weil in vielen Fällen die nötigen Informationen nicht vorlagen. Noch ein weiteres Phänomen machte solche Berechnungen unmöglich: Viele Versicherer legen jedes Jahr neu fest, in welchem Umfang sie mögliche Gewinne der Kunden limitieren. Deshalb sind Vorausberechnungen der Limits reine Spekulation, und für Rückberechnungen fehlen angesichts der kurzen Historie vieler Indexpolicen schlicht die Daten.
Dabei gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Verfahren der Limitierung. Die meisten Anbieter greifen zu einem Cap (beispielsweise drei Prozent). Heißt: Von Kursgewinnen, die über dieser Grenze liegen, profitiert der Kunde nicht. Wenige andere definieren eine Partizipationsquote - einen Prozentsatz, zu dem der Kunde an den Gewinnen beteiligt wird (beispielsweise 60 Prozent).
Vor allem der Cap ist von der Zinsentwicklung an den Weltbörsen abhängig. Denn je niedriger die Überschüsse des Vorjahres sind, desto weniger können die Kunden im Folgejahr in die Indexbeteiligung stecken. Diese Beteiligung findet nämlich nicht direkt statt, sondern - zumindest bei den transparenten Indizes - über eine Option. Diese kauft der Versicherer bei einem unabhängigen Dritten, meist einer Bank. Und wenn er weniger Kundengeld in der Hand hat, bekommt er schlechtere Konditionen - und muss den Cap niedriger setzen, um selbst noch genug zu verdienen.
Einigermaßen seriöse Vergleichsrechnungen sind bestenfalls zwischen klassischen und indexgebundenen Policen desselben Anbieters möglich. Morgen & Morgen hat dies bei "IndexSelect" der Allianz als Prognoserechnung auf Basis von 10 000 Kapital-markt-szenarien durchexerziert. Ergebnis: Bei zwölf Jahren Laufzeit sind die durchschnittlichen Renditen pro eingezahltem Euro mit rund 2,2 Prozent nahezu gleich, allerdings schwanken die jährlichen Ren-diten bei der Indexpolice stärker. Bei 30 Jahren Laufzeit lohnt sich die Indexpolice - mit einer jährlichen Rendite von 4,5 Prozent statt 3,2 Prozent.
Langfristig könnte der Aktien-Turbolader also tatsächlich für mehr Leistung sorgen.
In der Gesamtwertung aller Anbieter liegt die Stuttgarter vorn (siehe Tabelle Gesamtsieger unten). Das ergab die Zusammenrechnung über sämtliche betrachteten Sparten Privatrenten, Betriebliche Altersversorgung, Riester-Renten und Rürup-Renten. Wo die gesetzliche Möglichkeit besteht (Privatrenten und Rürup-Renten), wurde außerdem in Policen mit laufender Beitragszahlung und mit Einmalzahlung unterschieden. Ergebnis: Das Stuttgarter-Produkt "index-safe" trat in vier der sechs Testkategorien an und wurde hier zweimal Erster, einmal Dritter und einmal Vierter. Vier Versicherer offerieren Produkte in allen sechs Kategorien. Hier gewann insgesamt die Allianz ("IndexSelect") vor AXA ("RelaxRente Classic"), Volkswohl-Bund ("Klassik modern") und R+V ("IndexInvest").
Die Indizes der Versicherer
Vom DAX bis zur Black Box
Standard-Indizes: Klassische Aktienindizes sind komplett transparent, weshalb wir sie für die sinnvollste Grundlage für Indexpolicen halten. So berechnen Nürnberger und Volkswohl Bund ihre Renditen anhand des Leitindex DAX der Deutschen Börse, der deutschen Anlegern bestens bekannt ist. Dort sind die 30 größten deutschen Aktiengesellschaften versammelt, darunter SAP, Siemens, Bayer und VW.
Noch üblicher in der Branche ist der Euro Stoxx 50, auf den Allianz, Condor, Generali, LV 1871, R + V, Volkswohl Bund und SV SparkassenVersicherung bauen. Er bildet die Kurse von 50 wichtigen Aktiengesellschaften der Eurozone ab und gilt als Standardbarometer für europäische Aktien. Neben deutschen Papieren sind dort Titel aus etlichen Ländern und Branchen versammelt, zum Beispiel AB Inbev aus Bel-gien, Unilever aus den Niederlanden, Total aus Frankreich und Inditex aus Spanien. Sehr breit aufgestellt ist der Stoxx Global Select Dividend, der in 100 dividenden-starke Aktien aus allen Teilen der Welt investiert und auf den die Indexpolice der Bayern Versicherung zurückgreift. Wertentwicklung und Zusammensetzung sind bei diesen Standardindizes jederzeit auf allen einschlägigen Börsenseiten einsehbar.
Indizes Marke Eigenbau: Selbst gebastelte Indizes bieten zwar eine noch breitere Streuung, indem sie das Kapital neben Aktien teilweise auch auf Anlageklassen wie Anleihen, Immobilien und Rohstoffe verteilen. Dafür ist meist aber nur schwer nachvollziehbar, wie das Geld im Detail investiert wird. Beim MultiSelekt Konzept des HDI, der aus verschiedenen Aktienindizes und einer kleinen Rohstoffbeimischung besteht, wird der Indexaufbau noch relativ detailliert auf der Website des HDI aufgeschlüsselt. Bei Indizes wie dem von AXA und Deutscher Ärzteversicherung verwendeten Multi Asset ist der Prozentanteil der einzelnen Anlageklassen hingegen kaum zu ermitteln. Und bei wieder anderen wie dem M-A-X Multi-Asset der Stuttgarter verändert sich die prozentuale Aufteilung ohnehin ständig, da die Investitionsquoten dort über ein kompliziertes computergesteuertes Trendfolgesystem geregelt werden.
Anleger investieren also in eine Black Box, die am Ende vielleicht einen Mehrwert generiert - vielleicht aber auch nicht. Weiterer Nachteil: Die Wertentwicklung ist oft nur auf der Seite der Anbieter abrufbar, sie wird also nicht unabhängig ermittelt. (von Andreas Höß, €uro Magazin)
Zu den Ergebnissen des Indexpolicen-Tests
So lesen Sie die Tabellen (PDF)
Zur Gesamtwertung: Die Gesamtsieger des Index-Policen-Tests (PDF)
Die Ergebnisse in den einzelnen Kategorien:
Privatrenten (PDF)
Betriebliche Altersvorsorge und Riester-Renten (PDF)
Rürup-Renten (PDF)
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