€uro Magazin-Interview

Steuerexpertin Kleversaat: "Doppelter Freibetrag für Ehepaare"

27.08.17 03:00 Uhr

Steuerexpertin Kleversaat: "Doppelter Freibetrag für Ehepaare" | finanzen.net
Steuerexpertin Anja Kleversaat, Quirin Privatbank

Die Steuerexpertin Anja Kleversaat von der Quirin Privatbank beantwortet sieben aktuelle €uro-Magazin-Leserfragen zu den Folgen des neuen Investment-Steuerrechts ab 2018.

von Stefan Rullkötter, €uro am Sonntag

€uro: Gelten die Neuregelungen nur für klassische gemanagte Investmentfonds oder auch für ETFs und Zertifikate?
Anja Kleversaat: Die neuen Besteuerungsregeln gelten für alle inländischen und ausländischen Investmentfonds. Auch ein ETF fällt als börsengehandelter Fonds unter das Investmentsteuerreformgesetz. Darüber hinaus gelten Neuregelungen künftig ebenfalls für fondsgebundene Lebensversicherungen und vermögenswirksame Leistungen, bei denen in Fonds angespart wird. Zertifikate werden dagegen nicht vom neuen Besteuerungsregime erfasst und werden wie bisher mit Kapitalertragsteuer belastet.

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Bekommen Fondsanleger nach dem Stichtag 31. Dezember 2017 von ihrer Depotbank automatisch eine Bescheinigung über die bis dahin aufgelaufenen Buchgewinne bei ihren Fonds- und ETF-Altbeständen?
Um den Übergang vom alten auf das neue Besteuerungssystem zu bewerkstelligen, wird zum 31.12.2017 eine sogenannte "fiktive Veräußerung" angenommen. Alle Investmentfondsanteile gelten zum 31.12.2017 als verkauft und zum 1.1.2018 als angeschafft. Damit bei der späteren tatsächlichen Veräußerung die korrekte Steuer zu ermitteln ist, werden die Erträge aus der fiktiven Veräußerung zum Jahresende 2017 - berechnet nach den alten Regeln - addiert mit den seitdem nach den neuen Bestimmungen ermittelten tatsächlichen Erträgen.

Was bedeutet das in der Steuerpraxis?
Die Daten dieser "Veräußerungsfiktion" müssen Banken und andere depotführende Stellen nur dann mitteilen, wenn die privaten und betrieblichen Kunden das ausdrücklich beauftragen. Die Quirin Privatbank etwa wartet jedoch nicht darauf und wird diese Werte in den Steuerbescheinigungen für 2017 allen Kunden mitteilen. Grundlage werden dann die Anwendungsvorschriften des Bundesministeriums für Finanzen sein, die bisher noch nicht abschließend vorliegen.

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Falls Aktien-Altbestände, die vor 2009 gekauft und seitdem ununterbrochen gehalten wurden, weiterhin in jedem Fall steuerfrei bleiben - ist das eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Aktienfonds, die gerichtlich mit Erfolgsaussichten angreifbar ist?
Diese Frage kann aufgrund der lediglich im Entwurf vorhandenen Anwendungsschreiben des Bundesministeriums für Finanzen gegenwärtig noch nicht abschließend beantwortet werden. Die Fonds werden jedenfalls klassifiziert und durch den für alle Kreditinstitute zuständigen WM-Datenservice bewertet und für die Kundenabrechnungen zur Verfügung gestellt. Soweit realisierte Gewinne aus bestandsgeschützten Altaktien steuerfrei bleiben, könnte man den begrenzten Bestandsschutz für Fonds-Altanteile im Licht des Gleichheitsgebots kritisch sehen.

Gilt der 100.000-Euro-Steuerfreibetrag bei Ehepaaren mit Gemeinschaftsdepots jeweils pro Anleger, verdoppelt er sich in dieser Konstellation also auf 200.000 Euro?
Den 100.000-Euro-Freibetrag für die steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne gibt es als Ausgleich für den wegfallenden Bestandsschutz bei Fonds, die von Privatanlegern vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden - dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer. Im Fall von Gemeinschaftsdepots verdoppelt sich dieser Freibetrag auf 200.000 Euro. Nur wenn diese Alterträge den Freibetrag übersteigen, kann es sinnvoll sein, über einen Verkauf solcher Papiere vor dem Jahresende nachzudenken. Darüber sollten betroffene Anleger mit ihrem Steuerberater sprechen.

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Wie lange haben die depotführenden Stellen Zeit, um den am Stichtag 31.12.2017 aufgelaufenen fiktiven Gewinn von Fonds- und ETF-Altanteilen zu ermitteln?
Spätestens bis zum 31.12.2020 muss der fiktive Gewinn ermittelt werden. Viele Banken und andere depotführende Stellen werden ihre Kunden allerdings deutlich früher informieren, so auch die Quirin Privatbank, die dies bereits im Rahmen der nächsten Steuererklärungs-Daten für das Jahr 2017 tut. Eilige Banken können direkt ab dem 31.12.2017 die sogenannten "Veräußerungsfiktionen" buchen und entsprechend dokumentieren. Bei etwaigen nachträglichen Änderungen seitens der Fonds sind Korrekturen möglich.

Was ist, wenn Fonds-Altbestände nach 2017 vererbt werden - gilt die Steuerfreiheit für aufgelaufene Buchgewinne mit Fonds-Altbeständen dann auch für die Erben?
Bei Erbschaften und Schenkungen behalten die Fondsanteile ihren Altbestandsschutz. Das bedeutet, sie sind für jeden Bundesbürger, also auch für Kinder, bis zur 100.000-Euro-Freibetragsgrenze steuerfrei. Denn die Erben nehmen die Position des Erblassers ein und nutzen damit als "Anleger von Altanteilen" einen eigenen Steuerfreibetrag.

Kurz-Vita
Diplom-Kauffrau Anja Kleversaat leitet seit 2008 die Stabsabteilung Abgeltungsteuer bei der Quirin Privatbank in Berlin, Deutschlands erste Honorarberaterbank.

Mehr zum Thema Neue Investmentsteuer lesen Sie im neuen €uro Magazin, das seit 23. August im Handel erhältlich ist.

Bildquellen: Quirin Privatbank