Steuer: Ansagen für Einsprüche
Wer es versäumt hat, seinen Steuerbescheid anzufechten, muss nicht gleich aufgeben. Meist findet sich noch ein Hintertürchen für eine längere Frist. Worauf zu achten ist.
von Sophie Brandt, Euro am Sonntag
Jede dritte Abrechnung vom Finanzamt weicht von der Steuererklärung ab. Es lohnt sich also, kostenlos Einspruch gegen den Steuerbescheid einzulegen. Dann rechnet der Fiskus alles noch mal nach. Sollte die Nachprüfung zu Ungunsten des Steuerzahlers ausfallen, kann man den Einspruch zurückziehen. Allerdings sollten in Zeiten, wo Briefträger streiken und sich die Zustellung verzögert, Steuerpflichtige genau wissen, wann der Countdown für die Einspruchsfrist exakt zu laufen beginnt. Hier gilt die Faustregel: Datum des Steuerbescheids plus drei Tage nach dem postalischen Versand. Denn da der Fiskus nicht genau wissen kann, wann der Postbote den Bescheid in den Briefkasten des Steuerzahlers wirft, führte der Gesetzgeber die sogenannte Bekanntgabefiktion ein. Demnach gilt ein Brief üblicherweise am dritten Tag nach Versand als zugestellt, auch wenn Steuerzahler den Bescheid tatsächlich früher erhalten haben.
Beispiel: Der Steuerbescheid trägt das Datum 15. Juni. Drei Tage später, am Donnerstag, den 18. Juni, gilt der Bescheid als bekannt. Die Einspruchsfrist beginnt am 19. Juni. Ab diesem Datum kann man binnen eines Monats den Bescheid anfechten.
Doch es gibt auch höchstrichterlich gebilligte Ausnahmen. Wird der Bescheid später als drei Tage nach Absendung in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen, so beginnt die Einspruchsfrist am Tag des Einwurfs, entschied der Bundesfinanzhof (Az. I R 111/04).
Vier Wochen Zeit
Wer, aus welchen Gründen auch immer, unverschuldet die Einspruchsfrist versäumte, kann trotzdem den Einspruch durchboxen. Dafür muss man die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beim Finanzamt per Brief, Fax oder E-Mail beantragen. Wichtig: Auch hierfür haben Steuerpflichtige nicht unbegrenzt Zeit. Laut Paragraf 110 Abgabenordnung muss der Antrag binnen vier Wochen "nach Wegfall des Hindernisses" gestellt werden.
Und was sind die unverschuldeten Gründe, die Steuerzahler an der fristgerechten Abgabe des Einspruchs hindern? Hierzu zählen neben der verzögerten postalischen Zustellung des Einspruchs etwa eine schwere Krankheit, ein Wasserschaden in der Wohnung oder ein Trauerfall. Das muss plausibel begründet werden. Grundsätzlich kann der Antrag auf Wiedereinsetzung nur ein Jahr lang gestellt werden.
Genauso viel Zeit den Bescheid anzufechten haben Steuerzahler gemäß Paragraf 126 Absatz 3 Abgabenordnung, wenn der Fiskus gravierend von ihrer Steuererklärung abgewichen ist ohne dies zu erläutern oder sich in dem Steuerbescheid kein Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit befindet.
Auf Musterprozesse achten
Doch es gibt noch weitere Hintertürchen, um eine längere Einspruchsfrist für sich zu reklamieren: Ist der Steuerbescheid in einigen Punkten vorläufig ergangen, weil vor dem Bundesfinanzhof Musterprozesse zu den strittigen Punkten geführt werden, können Steuerzahler noch nach Monaten erläutern, warum Sie mit Verweis auf den Musterprozess gegen den strittigen Punkt im Steuerbescheid Einspruch einlegen wollen. Sie können dann auch die Höhe der Einkünfte korrigieren, falls vergessene Belege auftauchen.
Noch besser sieht es aus, wenn der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Das ist meist dann der Fall, wenn Steuerzahler noch Belege nachreichen sollen oder wenn bei Unternehmern in Kürze eine Betriebsprüfung ansteht. Solche Steuerbescheide sind jederzeit änderbar. Zumindest so lange, bis der Vorbehalt vom Finanzamt aufgehoben ist oder die Festsetzungsfrist für Steuerbescheide abgelaufen ist. Üblicherweise geschieht das nach vier Jahren.
In diesem Fall haben Steuerzahler genug Zeit, alles in Ruhe zu überprüfen, vergessene Anträge zu stellen, Belege nachzureichen und sonstige Fehler zu korrigieren. Der Pferdefuß: Auch das Finanzamt kann den Steuerbescheid jederzeit ändern, wenn es zu seinen Gunsten einen Fehler entdeckt.
Tauchen nachträglich neue Tatsachen oder Beweise auf, können Steuerzahler die Änderung ihres Bescheids noch bis zu vier Jahre anstreben. Wichtig: Wer mit den neuen Tatsachen hingegen eine Steuerreduzierung beantragt, muss nachweisen können, dass er kein Verschulden daran hat, dass diese nachträglich bekannt wurden. Dieses Verschulden wird anhand der Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit geprüft. Wer etwa Hinweise in den Vordrucken nicht beachtet und ausdrückliche Fragen des Finanzamts nicht beantwortet, handelt vorsätzlich. Ausnahmsweise kann der Fiskus aber auch bestandskräftige Steuerbescheide ändern. Und zwar dann, wenn der Gesetzgeber rückwirkend die Spielregeln etwa für Abschreibungskünstler, die sich mit Firmenbeteiligungen gegenüber dem Fiskus arm rechnen, ändert. Dagegen können sich die Betroffenen ohne Beachtung einer Frist wehren. Da Laien aber nicht alle Tricks und Kniffe der Abgabenordnung kennen, können sie einen allgemeinen Änderungsantrag verfassen.
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