Immobilienmarkt: Kleine Wohnung gesucht
Temporäres Wohnen ist nicht nur bei Studenten und Pendlern angesagt - auch für Immobilienanleger bieten sich Chancen, wie Gastautor Karsten Jungk verrät.
von Karsten Jungk, Gastautor von Euro am Sonntag
Solange Niedrig- und Negativzinsen herrschen, gehen Investoren immer neue Wege. So entdecken sie zunehmend das Wohnen auf Zeit als attraktive Anlageklasse. Ausreichend Nachfrage ist vorhanden, denn Lebens- und Arbeitsmodelle werden immer flexibler. Gerade junge Menschen, die ihre Ausbildung beginnen, ein Au-pair- oder freiwilliges soziales Jahr absolvieren, ein Studium aufnehmen oder als Berufseinsteiger die Probezeit abwarten, wollen sich nicht auf einen festen Wohnort festlegen. Hinzu kommen aufgrund flexibler Jobmodelle viele Geschäftsreisende, die nur für ein paar Wochen oder Monate in einer Stadt bleiben sowie Pendler und Monteure.
Aber welche Standorte bieten tatsächlich (noch) Potenzial für Investoren? Einen Anhaltspunkt bietet die Versorgungslage der Singlehaushalte mit kleinen Wohnungen. Sie kann ermittelt werden, indem die Zahl der Einpersonenhaushalte an einem Standort mit der tatsächlichen Zahl der vorhandenen Ein- bis Zweizimmerwohnungen verglichen wird. Dazu addieren sich Studenten und Pendler, die an den Studien- beziehungsweise Arbeitsorten meist nicht mit Hauptwohnsitz gemeldet sind und so nicht unter die Einpersonenhaushalte fallen, aber die Nachfrage nach temporärem Wohnraum verstärken.
Unter den deutschen Großstädten weisen vor allem Wolfsburg, Braunschweig, Oldenburg und Hannover einen schlechten Versorgungsgrad mit kleinen Wohnungen von unter 30 Prozent auf. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass in diesen Städten ein Großteil der allein Lebenden in Wohnungen mit drei Zimmern oder mehr lebt. Einen entsprechend hohen Bedarf an kleinen Wohnungen gibt es dort. Aber auch Osnabrück, Heilbronn, Koblenz, Remscheid, Hagen und Mülheim an der Ruhr sind mit einem Anteil von 35 Prozent und weniger mit kleinen Wohnungen deutlich unterversorgt.
Für Investoren besonders attraktiv sind Wolfsburg und Braunschweig sowie Heilbronn und Koblenz. Denn dort liegt das Mietniveau für kleine Wohnungen (unter 50 Quadratmeter) bei über acht Euro, die Versorgungslage ist jedoch bescheiden.
In den deutschen Top-Sieben-Städten sieht die Situation anders aus: In Düsseldorf und Köln beispielsweise könnten mehr als 50 Prozent der allein Lebenden in einer Ein- oder Zweizimmerwohnung leben, in München sogar über 60 Prozent. Und auch einige Studentenstädte scheinen den Bedarf erkannt zu haben: In Jena, Heidelberg, Rostock, Mainz und Regensburg stehen mehr als der Hälfte der allein Lebenden kleine Wohnungen zur Verfügung. Für Anleger heißt dies, dass in diesen Städten der Nachfrageüberhang nach temporärem Wohnen nicht so stark ist.
Heilbronn hat den Bedarf an
temporärem Wohnen erkannt
Die Faktoren Versorgungsgrad mit kleinen Wohnungen und Mietniveau allein reichen aber nicht aus, um eine Investitionsentscheidung zu treffen. Vorausgehen muss immer eine gründliche Analyse des Mikrostandorts. Denn die demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Perspektiven haben ebenfalls großen Einfluss auf die Attraktivität des Standorts.
Unter dem Aspekt ist das mit kleinen Wohnungen unterversorgte Heilbronn interessant. Mit einer Wirtschaftsleistung, die 40 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt, ist die Stadt ein bedeutender Standort in Baden-Württemberg und zieht Berufstätige, Studenten und Berufseinsteiger an: Etwa jeder Fünfte in Heilbronn ist Student oder Pendler. Zudem sind dort die Bevölkerungszahl und die Mieten in den vergangenen Jahren gestiegen. Den Bedarf an kleinen Wohnungen hat die Stadt offenbar erkannt - seit 2011 hat der Anteil der zum Bau genehmigten Ein- oder Zweizimmerwohnungen gegenüber den Vorjahren deutlich zugenommen.
Dies ist auch in Koblenz der Fall, ein weiterer attraktiver Standort für die Investition in Mikroapartments. Bevölkerungs- und Mietentwicklung weisen auch hier einen positiven Trend auf, und der Anteil der Studenten und Pendler liegt sogar bei 40 Prozent der Einwohner. Zudem lässt das Wachstum in den Trendbranchen Informationstechnologie und Multimedia auch weiterhin eine attraktive Entwicklung erwarten.
zur Person:
Karsten Jungk,
Geschäftsführer und
Partner von Wüest & Partner Deutschland
Jungk ist seit 2009 Geschäftsführer der Wüest & Partner Immobilienberatung. Davor war der Diplom-Kaufmann von 2006 bis 2009 Geschäftsführer bei Catella Property Valuation. Wüest & Partner Deutschland wurde 2007 gegründet und ist in Frankfurt am Main und Berlin ansässig.
Im Fokus steht die Bewertung von Immobilienportfolios und Einzelobjekten.
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