Von der Pflicht zur Schadensminderung bei Pkw-Unfällen – BGH stellt Rechte der Geschädigten
Verkehrsunfälle mit PKW-Schäden gehen in vielen Fällen so richtig ins Geld. Doch bei der Schadensregulierung gibt es oft Probleme.
von Claudia Marwede-Dengg, Euro am Sonntag
Für Geschädigte kann vor allem die Pflicht zur Schadensminderung schnell zur Stolperfalle werden. „So lange die Haftung weder dem Grunde noch der Höhe nach anerkannt ist, hat man als Geschädigter immer ein gewisses Restrisiko, wenn man die Reparatur vorfinanziert und dafür sogar möglicherweise auch noch einen Kredit aufnimmt“, erläutert Jost Kärger stellvertretender Leiter Verkehrsrecht in der juristischen Zentrale des ADAC. Mit zwei Urteilen zur Reparaturmöglichkeit durch eine freie Werkstatt sowie zum Restwert hat der Bundesgerichtshof jetzt für mehr Klarheit gesorgt. Die Pflicht zur Schadensminderung ergibt sich aus Paragraph 254 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Bei Totalschaden bedeutet das: Wer sein Auto zum Restwert verkauft, muss bei mehreren Kaufangeboten das höchste wählen. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni hervor (Az. VI ZR 316/09).
Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Nach einem Totalschaden hatte ein Sachverständiger einen Restwert von 800 Euro für den Wagen ermittelt. Die Versicherung des Unfallverursachers unterbreitete dem Geschädigten dagegen mehrere Angebote aus dem Internet, die allesamt über diesem Schätzwert lagen. Außerdem beinhalteten sie die kostenlose Abholung gegen Barzahlung und waren drei Wochen gültig. Das höchste Gebot belief sich auf 1730 Euro und hätte per Telefon angenommen werden können. Das Unfallopfer ließ jedoch die Drei-Wochen-Frist verstreichen und verkaufte den PKW danach für 800 Euro an einen Käufer seiner Wahl. Als die Versicherung bei der Schadensregulierung den Restwert von 1730 Euro zugrunde legte, zog der Geschädigte wegen der Differenz von 930 Euro vor Gericht.
Der BGH gab der Versicherung Recht und begründete das damit, dass der Kläger nicht den wirtschaftlichsten Weg gewählt habe. Es sei zwar grundsätzlich in Ordnung, dass ein Geschädigter seinen Unfallwagen zu dem Restwert verkaufe, den ein Sachverständiger festgestellt habe. Auch müsse er nicht Sondermärkte wie das Internet daraufhin durchkämmen, ob der Wagen dort besser zu verkaufen sei. Doch da der Geschädigte im konkreten Fall das höhere Angebot einfach per Telefon hätte annehmen können, stellt der Verkauf zu dem wesentlich niedrigeren Preis aus Sicht der Richter einen Verstoß gegen die Pflicht dar, den Schaden gering zu halten.
Und wie ist zu bewerten, wenn beispielsweise der ermittelte Restwert in der Zwischenzeit geringer geworden ist, weil die Schadensregulierung unklar ist und sich daher über Monate hinzieht? Hier gibt es bisher noch keine BGH-Entscheidung, sondern erst einen Beschluss des Kammergerichts Berlin. Der wesentliche Leitsatz darin: Der Geschädigte muss sich nicht auf die Restwertangabe seines eigenen Sachverständigen verweisen lassen, solange der gegnerische Haftpflichtversicherer noch nicht seine Regulierungsbereitschaft erklärt hat, und zwar selbst dann nicht, wenn sich der Restwert zwischenzeitlich verringert (AZ: 12 U 155/08).
Entscheidend ist in einem solchen Fall nach Meinung der Richter, was ein Geschädigter tun würde, der erstens gegenüber dem Schadenverursacher und dessen Haftpflichtversicherer zu einer ökonomisch günstigen Verwertung des Fahrzeugs in der Pflicht sei, zweitens an die Bedingungen seiner Vollkaskoversicherung gebunden ist, die nach den Versicherungsbedingungen bei der Verwertung des Altfahrzeugs ein Weisungsrecht habe, und drittens noch keinen verbindlichen Bescheid über die Haftungsübernahme durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer habe, also nicht wisse, ob er unter Umständen erst einmal auf die eigene Vollkaskoversicherung zurückgreifen müsse.