Welche Versicherungen man haben muss, welche nicht
Versicherungen locken Kunden mit Rabatten bei Bündel-Policen. Hier lesen Sie, welche Versicherungen unverzichtbar sind - und auf welche Sie getrost verzichten können.
von Euro-Redakteur Erhard Drengemann
Unter den Folgen der Krise an den Finanzmärkten leiden auch die Versicherer – und das gleich doppelt: Auf der einen Seite sprudeln die Quellen aus den Kapitalerträgen derzeit nur spärlich und auf der anderen Seite halten sich die Kunden beim Abschluss von Verträgen zurück. Ideen sind gefragt, um das lahmende Geschäft anzukurbeln.
Da wirkliche Ideen aber selten sind, greift die Finanzdienstleistungsbranche gern auf althergebrachte Erfolgsrezepte zurück und verkauft diese, miteinander kombiniert, als Innovation. Aufgehübscht und als Policen-Bundling bezeichnet gehen die Anbieter auf Kundenfang. Das Reizwort „Rabatt“ soll neben der Gewinnung neuer Kunden auch dazu dienen, die bisherigen Kunden bei der Stange zu halten.
So bietet beispielsweise die AXA ihr Kombiprodukt „BOX-Plus“ über ein Drittel günstiger an, als die einzelnen Versicherungen. Nach dem Baukastenprinzip kann sich der Kunde seinen persönlichen Versicherungsschutz aus dem Portefeuille des Anbieters zusammensuchen. Offeriert werden Versicherungen für Privathaftpflicht, Tierhalterhaftpflicht, Hausrat (mit Fahrrad und Reisegepäck), Glas, Wohngebäude, Unfall und Rechtsschutz. Und das in drei Varianten: Deckt die preisgünstigste Variante die Grundabsicherung des jeweiligen Risikos für wenig Prämie („Basis“), soll die mittlere Linie („Standard“) die wichtigsten Risiken absichern und die Top-Version („Extra“) Leistungen weit über dem üblichen Marktangebot offerieren.
Nach diesem Muster verfahren auch andere Bundle-Anbieter. Die Zurich-Versicherungsgruppe erweitert das Spektrum zwar durch einen Mobilschutz, hinter dem verstecken sich eine Auslandsreise-Krankenversicherung und eine Reisegepäckversicherung. Im Prinzip gibt es jedoch nur kleine Differenzen.
Versteckte Unterschiede
Größere Unterschiede gibt es beim Kleingedruckten, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Hier kann das AXA-Angebot durchaus punkten. Beispiele: In der Privathaftpflicht sind Gefälligkeitsschäden und ehrenamtliche Tätigkeiten beitragsfrei mitversichert – ebenso wie Schäden durch deliktsunfähige Kinder. Sogar die Übernahme der Vollkasko-Selbstbeteiligung bei Benutzung fremder Fahrzeuge ist eingeschlossen. In der Wohngebäudeversicherung sind unter anderem mut- und böswillige Beschädigungen, einschließlich Graffiti, ab der Standard-Variante mitversichert. In der Unfallversicherung sind, neben üblichen Kapitalleistungen und Unfallrenten, auch Leistungen bei Unfällen infolge von Bewusstseinsstörungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall abgedeckt.
Auch die Mobil-Plus-Palette der Zurich steht leistungsmäßig nicht abseits: In der Privathaftpflicht bleiben Kinder, selbst nach dem Auszug, drei Monate weiter mitversichert. In der Unfallsparte werden die Kosten für Therapien und Kinderbetreuung (bis zu zehn Tagen) übernommen. Die Hausratversicherung ersetzt zusätzliche Einbruchsicherungsmaßnahmen bis zu 10.000 Euro und leistet zusätzlich 1000 Euro Erholungsgeld bei Großschäden. Solche Leistungserweiterungen und –ergänzungen können im Einzelfall sinnvoll sein.
Nachhaltiger sind andere Merkmale:
- Rabatt: 36,5 Prozent Nachlass bietet beispielsweise die AXA bei BOX-Plus gegenüber den Normalprodukten. Klingt gut, sagt jedoch nichts über die wirkliche Preiswürdigkeit. Denn der Nachlass reduziert die im Wettbewerbsumfeld hohe Prämie auf ein eher mittleres Niveau. So verlangt der Kölner Anbieter als Basispreis für das Standard-Privathaftpflichtrisiko, mit einer Versicherungssumme von drei Millionen, über 105 Euro Jahresprämie. Selbst bei vollem Rabatt bleiben noch 84,41 Euro übrig – Top-Preis-Anbieter verlangen nur gut 50 bis 70 Euro. Getrickst wird obendrein: Während die einen Anbieter den Rabatt auf alle Verträge beziehen – also auch bei später dazukommenden, behandeln andere weitere Verträge wie Neuverträge – ohne bisher erreichte Rabattstufen.
- Bonusregelungen: Die Zurich steigt nicht so sehr auf den Preiswettbewerb ein, sondern erhöht das Leistungsversprechen. So steigt in der Unfallversicherung die Invaliditäts-Grundsumme um 20 Prozent, in Hausrat und Wohngebäude gibt es entweder keine Selbstbeteiligung (Top-Schutz), beziehungsweise eine um die Hälfte kleinere Selbstbeteiligung. Bei BOX-Plus dient der Schadenfreiheitsrabatt dazu, die Selbstbeteiligung zu reduzieren. Der Haken: Wird ein Schaden in irgendeiner der vereinbarten Sparten gemeldet, entfällt der bis dahin erreichte Rabatt für alle abgeschlossenen Verträge. Letztlich zeigt die Bündelungsstrategie der Anbieter spätestens im Schadenfall die Kehrseite.
Petra Hardock, Marketing Consultant bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, empfiehlt ihrer Assekuranz-Klientel: „Durch Bündelung gelingt es dem Anbieter, sich der Preisvergleichbarkeit zu entziehen.“ Nicht gerade ein verbraucherfreundlicher Ansatz. Einige Interessenten werden die unübersichtlichen Angebote dennoch gut finden: Es ist sicherlich bequemer, seinen Versicherungsschutz bei einem Anbieter abzudecken.
Wirtschaftlich effektiver stellt sich jedoch das traditionelle Policen-Hopping dar, bei dem für jeden Bereich die jeweils optimalen Assekuranzprodukte herausgesucht und zusammengestellt werden. Ein manchmal beruhigender Nebeneffekt: Der Individual-Kunde behält seine Entscheidungsautonomie. Und das ist für viele der wahre Mehrwert.
Lesen Sie, welche Sachversicherungen notwendig sind - und welche nicht
Haftpflicht: Leistet für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die der Versicherungsnehmer, sein Partner oder die Kinder beispielsweise als Privatperson (Privathaftpflicht) verursacht haben. Daneben gibt es spezielle Policen für Hunde- und Pferdehalter, Bootseigner, Öltankbesitzer sowie für bestimmte Berufsgruppen.
Bedeutung: unverzichtbar
Hausrat: Leistet Schadenersatz bei Beschädigung oder Verlust des Hausrats durch Einbruchdiebstahl, Feuer, Leitungswasser oder Sturm. Wertsachen sind in der Regel nur eingeschränkt eingeschlossen, Fahrräder grundsätzlich nur gegen Beitragszuschlag.
Bedeutung: eingeschränkt sinnvoll
Glas: Erstattet grundsätzlich Glasschäden (Fenster und Haushalt). Preis richtet sich regelmäßig nach Größe (qm Fensterfläche) und Qualität (Ein-/Zwei-/Dreischichtenglas).
Bedeutung: unnötig
Wohngebäude: Ersetzt Schäden am Gebäude, die infolge von Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel sowie (optional) durch Elementargefahren wie Überschwemmung, Erdbeben und Lawinen entstanden sind.
Bedeutung: sehr wichtig
Unfall: Schützt vor den finanziellen Folgen eines Unfalls. Gezahlt wird in der Regel eine Kapitalleistung. Die Höhe der Leistung hängt grundsätzlich von der so genannten Gliedertaxe ab.
Bedeutung: sinnvoll
Rechtsschutz: Trägt das Prozesskostenrisiko. Angeboten werden in der Regel: Verkehrs-, Privat- und Berufs- und Immobilienrechtsschutz sowie Kombinationen dieser Teilbereiche.
Bedeutung: nicht zwingend