Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker: Wann Kompromisse sinnvoll sind

01.06.17 16:34 Uhr

Widerrufsjoker: Wann Kompromisse sinnvoll sind | finanzen.net

Wer eine Baufinanzierung widerrufen möchte, braucht einen Anwalt. Das zeigen die Erfahrungen der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Wer auf eigene Faust vorgeht, wird von den Banken entweder zurückgewiesen, hingehalten oder mit mageren Kompromissen abgespeist. Ein erfahrener Anwalt kann dagegen entscheiden, welcher Weg zum Widerrufsjoker der sinnvollste ist.

Sie möchten mit Hilfe des Widerrufs seiner Baufinanzierung, dem sogenannten Widerrufsjoker aus dem Darlehen aussteigen oder wollen den Zinssatz deutlich senken? Dann haben Sie im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, das Ziel zu erreichen: Entweder versuchen Sie mit Hilfe eines Anwalts einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Kreditinstitut zu erzielen - oder Sie reichen Klage ein und suchen den Erfolg beim Widerrufsjoker vor Gericht.

Wobei die beiden Möglichkeiten sich nicht gegenseitig ausschließen. Häufig wird zunächst außergerichtlich eine akzeptable Lösung gesucht. Gelingt dies nicht (in der Regel, weil die Bank blockt), dann zieht man vor Gericht.

Das Ganze ähnelt der Frage nach dem Spatz in der Hand oder der Taube auf dem Dach: Der außergerichtliche Vergleich ist dabei der Spatz in der Hand. Er ist in etlichen Fällen ohne großes Kostenrisiko und vergleichsweise schnell zu erzielen. Dafür ist der wirtschaftliche Vorteil geringer. Er bezieht sich normalerweise auf den Zinsvorteil für die noch ausstehende Zinsbindung des Darlehens. In der Regel wird der Zinssatz durch den Widerrufsjoker in die Nähe des aktuell gültigen Marktzinses reduziert. Aus vier Prozent können da schnell weniger als zwei Prozent werden. Ansprüche aus der zurückliegenden Laufzeit des Darlehens fallen dabei in der Regel unter den Tisch.

Wer dagegen vor Gericht zieht, der setzt auf eine Rückabwicklung des Darlehens. Der wirtschaftliche Vorteil, der sich daraus ergeben kann, ist deutlich größer als bei einer bloßen Absenkung des Zinses. Denn eine Rückabwicklung berücksichtigt auch, dass in der abgelaufenen Kreditlaufzeit zu hohe Zinsen bezahlt wurden. Nicht selten verdoppelt sich dadurch die Ersparnis für den Kunden. Der Weg dahin ist aber steinig. Ein Prozess ist teuer, wenn keine Rechtsschutzversicherung oder ein Prozessfinanzierer einspringt. Zudem kann sich ein Verfahren über mehrere Jahre hinziehen - erst recht, wenn es in die Berufung geht.

Kreditnehmer müssen sich also entscheiden, ob sie mit dem Widerrufsjoker den Spatz in der Hand haben wollen oder die Taube auf dem Dach. Bei etlichen Kreditinstituten fällt die Antwort leicht: Banken wie die Deutsche Bank, Commerzbank oder DKB sind bislang außergerichtlich grundsätzlich nicht kompromissbereit. Anders sieht es aus bei Kreditinstituten wie der ING Diba, den Sparda Banken sowie zahlreichen Volksbanken und Sparkassen. Dort besteht - zumindest in Teilbereichen - eine außergerichtliche Kompromissbereitschaft.

Wer das Thema vernünftig angehen will, sollte zunächst seinen Kreditvertrag von einem erfahrenen Anwalt auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung prüfen lassen (beispielsweise kostenlos bei der Interessengemeinschaft Widerruf unter www.widerruf.info). Danach sollte er mit dem Anwalt besprechen, welche Reaktion von seiner Bank zu erwarten ist und welche Vorgehensweise sinnvoll erscheint. Grundsätzlich raten wir dazu, beim Widerrufsjoker nicht allzu gierig zu sein, wenn das Kreditinstitut Kompromissbereitschaft zeigt. Vor allem, wenn die Kosten nicht durch eine Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer abgedeckt wird, ist das Kostenrisiko einer Klage eine hohe Hürde.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

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