Widerrufsjoker: So tricksen die Sparkassen mit dem Kontoauszug
Der Bundesgerichtshof hat unlängst mit einem Urteil zahlreiche Baufinanzierungen der Sparkassen aus dem Zeitraum 2010/2011 für ungültig erklärt.
Grund: Die zuständige Aufsichtsbehörde wurde in den Darlehensverträgen nicht angegeben, obwohl sie als Pflichtangabe in der Widerrufsbelehrung genannt wurde. Kreditnehmer können nun mit einem nachträglichen Widerruf aus den Darlehen aussteigen (Widerrufsjoker). Nun versuchen die Sparkassen nachzubessern - meist mit untauglichen Mitteln.
In dem BGH-Urteil (Az. XI ZR 434/15) ging es um die sogenannten Pflichtangaben, die das Kreditinstitut dem Kunden aushändigen muss, damit die Widerrufsfrist von 14 Tagen zu laufen beginnt. Viele Banken hatten dabei eine fehlerhafte Pflichtangabe in ihrer Widerrufsbelehrung aufgeführt, nämlich die Aufsichtsbehörde der Bank. Diese war zwar ursprünglich tatsächlich als Pflichtangabe vorgesehen, wurde aber kurz vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Juni 2010 gestrichen. Dennoch findet sich die Nennung der Aufsichtsbehörde fälschlich in den Widerrufsbelehrungen vieler Kreditverträge aus der zweiten Hälfte 2010, teilweise auch noch im Jahr 2011.
Der BGH hat nun entschieden: Die Erwähnung der Aufsichtsbehörde in der Widerrufsbelehrung ist nicht per se falsch und führt daher auch nicht automatisch zur Unwirksamkeit bzw. zur Rückabwicklung des Darlehens. Nennt die Bank allerdings die Aufsichtsbehörde (fälschlich) als Pflichtangabe, dann muss sie diese auch im Kreditvertrag aufführen. Genau dies aber haben viele Banken nicht getan. Somit ist das Darlehen angreifbar und der Verbraucher kann den Kredit mit Hilfe des Widerrufsjokers auch Jahre nach dem Abschluss noch widerrufen.
Besonders brisant ist die Lage für die Sparkassen: Sie hatten in ihrem Muster für die Kreditverträge die Aufsichtsbehörde als Pflichtangabe aufgeführt, diese aber nicht im Kreditvertrag genannt. Das falsche Muster wurde von Sparkassen in ganz Deutschland verwendet - teilweise nur bis November 2010, zumeist aber noch tief bis in das Jahr 2011 hinein. All diese Verträge stehen nun im Feuer, denn Kreditnehmer können mit dem Widerrufsjoker aus diesen Baufinanzierungen aussteigen.
In der Regel handelt es sich dabei um Darlehen mit Zinsen zwischen drei und vier Prozent, an die die Immobilienbesitzer mindestens noch bis 2020 gebunden sind, teilweise auch noch deutlich länger. Kann der Kreditnehmer hier durch einen einfachen Widerruf aus dem Darlehen aussteigen und die aktuellen Niedrigzinsen für eine Umschuldung nutzen, dann bedeutet das einen massiven Gewinn für ihn - und einen herben Verlust für die Bank.
Deswegen versuchen nun einige Sparkassen mit fragwürdigen Tricks, ihre Lage rund um den Widerrufsjoker zu verbessern. So berichten uns einige Nutzer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info), die eine Baufinanzierung aus dem fraglichen Zeitraum haben, erstaunliche Dinge: So wurde auf den Jahres-Kontoauszügen der Kredite die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) als zuständige Aufsichtsbehörde aufgeführt.
Widerruft der Kunde nun sein Darlehen mit Hinweis auf das BGH-Urteil, so verweisen die Sparkassen darauf, dass sie ihr Versehen aus den falschen Kreditverträgen bereits korrigiert hätten, indem sie die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde über die Kontoauszüge nachgereicht hätten. Bei näherer Betrachtung ist dies jedoch Unsinn.
Zwar ist grundsätzlich bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine sogenannte Nachbelehrung möglich. Die Bank hat also die Möglichkeit, einen Fehler im Kreditvertrag nachzubessern und damit die "ewige" Widerrufsfrist, die durch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung entsteht, auszuschalten. Allerdings muss eine solche Nachbelehrung deutlich als solche zu erkennen sein. Eine versteckte Information in einem Jahreskontoauszug ist nach Ansicht der Anwälte der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) auf keinen Fall ausreichend. Zudem muss die Bank deutlich darauf hinweisen, dass mit der Nachbelehrung die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.
Wie gesagt: Wir glauben nicht, dass die Sparkassen mit dieser Argumentation eine Chance haben. Völlig auszuschließen ist dies aber nicht. Dennoch sollten Verbraucher individuell prüfen lassen, welches Vorgehen rund um den Widerrufsjoker für sie am günstigsten ist. Die Interessengemeinschaft Widerruf bietet eine solche Prüfung durch erfahrene Anwälte unter www.widerruf.info kostenlos an. Dabei wird zum einen geprüft, ob der verwendete Darlehensvertrag fehlerhaft ist. Zum anderen erfahren Verbraucher, welche konkreten Schritte für die Umsetzung des Widerrufs nötig sind. Dabei prüfen wir auch, ob die Kosten eines Rechtsstreits von der Rechtsschutzversicherung getragen werden oder ob eine Prozessfinanzierung in Frage kommt.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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