Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker: So reagieren die Sparkassen auf den Widerruf eines Darlehens

13.04.16 11:24 Uhr

Widerrufsjoker: So reagieren die Sparkassen auf den Widerruf eines Darlehens | finanzen.net

Nach mehr als 7.000 geprüften Kreditverträgen haben die Kooperationsanwälte der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) umfangreiche Erfahrungen mit dem Widerrufsjoker bei allen großen Kreditinstituten in Deutschland gesammelt. Wenn es um den Widerruf eines Kredits bei einer Sparkasse geht, kann man diese Erfahrungen wie folgt zusammenfassen:

1. Die Sparkassen benutzen in ihren Darlehensverträgen in der Regel sogenannte Muster- Widerrufsbelehrungen, die vom Sparkassenverband vorgegeben werden. Deshalb finden sich die gleichen Formulierungen bei vielen unterschiedlichen Sparkassen, auch wenn diese als Banken eigenständig agieren.

2. Die Fehlerquote bei Kreditverträgen der Sparkassen ist sehr hoch. Sie dürfte für Darlehen aus dem Zeitraum 2002-2010 bei rund 80 Prozent liegen. Dies ermöglicht einem Großteil der Sparkassen-Kunden auch heute noch den wirksamen Ausstieg aus ihrem Darlehen.

3. Die Sparkassen gehen unterschiedlich mit dem Thema Widerrufsjoker um. Fast alle Institute blocken den Widerruf des Kunden zunächst ab und zeigen keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Selbst nachdem ein Anwalt eingeschaltet wurde, zeigen sich die meisten Sparkassen noch ablehnend. Erst vor Gericht wächst die Bereitschaft zu einem Vergleich. Insgesamt kann man sagen, dass der Sparkassensektor weit weniger vergleichsbereit ist, als beispielsweise der genossenschaftliche Sektor, zu dem unter anderem Volks-und Raiffeisenbanken gehören.

4. Daher ist der Widerruf eines Darlehens für Sparkassen Kunden insbesondere dann aussichtsreich, wenn man den Gang vor Gericht und die damit verbundenen Kosten nicht scheut. Gute Chancen haben also alle, bei denen eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt. Ist das nicht der Fall, zum Beispiel weil es sich um einen Neubau oder eine vermietete Immobilie handelt, sollte auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit einem Prozessfinanzierer geprüft werden.

Die Sparkassen sind bekannt für die von Ihnen verwendeten Fußnoten-Widerrufsbelehrungen. Dabei finden sich im unteren Bereich der Widerrufsbelehrung kleine Hinweise, die mit Fußnoten nummeriert sind. Diese Fußnoten sind eigentlich als Hinweis an die Kredit-Sachbearbeiter der Sparkassen gedacht gewesen. Allerdings wurden diese Fußnoten so missverständlich verwendet, dass ein Verbraucher die jeweiligen Hinweise durchaus auch auf sich beziehen kann.

Unzählige Gerichte haben deswegen bereits geurteilt, dass durch die Verwendung dieser Fußnoten die Widerrufsbelehrung für den Kunden missverständlich und unklar werde. Auf jeden Fall könne sich die Bank aufgrund dieser Ergänzungen nicht mehr darauf beziehen, dass sie den Mustertext des Gesetzgebers verwendet habe (sogenannte Gesetzlichkeitsfiktion oder Musterschutz). Die Voraussetzungen für den Widerrufsjoker und für eine Rückabwicklung des Darlehens sind damit erfüllt.

Besonders gut sind ihre Chancen dann, wenn sie in ihrer Widerrufsbelehrung die Formulierung "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" als Fußnote finden. Dies ist vor allem in Darlehensverträgen, die zwischen 2004 und 2008 abgeschlossen wurden, der Fall. Zu dieser Formulierung gibt es bereits eine große Zahl von Gerichtsurteilen, die besagen, dass die jeweiligen Darlehen widerrufbar sind und damit rückabgewickelt werden müssen. (siehe z.B. OLG Hamm (Urteil vom 04.11.2015, Az. 31 U 64/15), OLG Köln (Beschluss vom 06.11.2015, Az. 13 U 113/15), OLG Nürnberg (Urteil vom 11.11.2015, Az. 14 U 2439/14), OLG Karlsruhe (Urteil vom 13.10.2015, Az. 17 U 42/15), OLG Düsseldorf (Beschluss 22.07.2015, Az. I-14 U 27/15).

Kreditnehmer, die eine solche Widerrufsbelehrung mit Fußnoten in ihrem Darlehensvertrag haben, sollten diesen durch die IG Widerruf kostenlos prüfen lassen. Im Zuge dieser Prüfung erfahren Sie vor allem, wie die in ihrem Fall die sinnvollen nächsten Schritte aussehen. Dabei wird beispielsweise geprüft, ob eine Rechtsschutzversicherung greift bzw. diese noch abgeschlossen werden kann. Ebenso wird untersucht, ob die Zusammenarbeit mit einem Prozessfinanzierer in Frage kommt.

Aber Vorsicht! Die Möglichkeit, den Widerrufsjoker zu ziehen und den Darlehensvertrag zu widerrufen, endet für die genannten Beispiele bereits am 21. Juni 2016. Dies hat der Gesetzgeber in dem neuen Gesetz für Immobilienkredite so beschlossen. Wer bis dahin nicht handelt, verliert die die Möglichkeit zum Widerruf. Nutzen Sie daher die kurze Frist zur Prüfung und zum Widerruf des Darlehens.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

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