Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker: Rückabwicklung einer Baufinanzierung - die Berechnung der Nutzungsentschädigung

09.12.16 13:56 Uhr

Widerrufsjoker: Rückabwicklung einer Baufinanzierung - die Berechnung der Nutzungsentschädigung | finanzen.net

Mit dem Widerruf eines Darlehens ist die Zielsetzung verbunden, einen Kredit rückabzuwickeln. Dabei gibt es einen entscheidenden Faktor, der den wirtschaftlichen Vorteil dieser Rückabwicklung bestimmt: die sogenannte Nutzungsentschädigung, auch Nutzenersatz genannt.

Doch die ist nicht unumstritten.

Bei der Rückabwicklung einer Baufinanzierung wird so getan, als sei der Kredit niemals zustande gekommen. Kreditnehmer und Kreditinstitut sollen also möglichst so gestellt werden, als habe es das Darlehen nie gegeben. Das ist in der Praxis gar nicht so einfach. Denn immerhin hat der Verbraucher zumeist über mehrere Jahre das Geld zur Verfügung gehabt, dafür eine Immobilie gekauft und Zins und Tilgung an die Bank gezahlt.

Die Gerichte sehen vor, dass beide Parteien im Rahmen der Rückabwicklung eine Entschädigung an den jeweils anderen Vertragspartner dafür zahlen müssen, dass sie mit dem Kapital arbeiten konnten. In der Literatur gibt es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Berechnungsmethoden und auch vor Gericht werden nicht selten einige Kämpfe über die richtige Berechnungsmethode gefochten.

Dennoch hat sich in den meisten Fällen folgende Berechnungsmethode durchgesetzt: Die Bank darf die Zinsen, die sich aus dem Kreditvertrag ergeben, (und die der Kunde bereits bezahlt hat) behalten. Damit hat der Kunde seine Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung erfüllt. Auf ihn kommen also keine weiteren Zahlungen mehr zu. Die Bank muss aber ihrerseits auf die Raten des Kunden auch eine Nutzungsentschädigung bezahlen. Immerhin hat sie während der Laufzeit des Darlehens von ihm Zins- und Tilgungszahlungen erhalten. Mit diesem Geld konnte sie auch arbeiten und eine Rendite erzielen. Die Frage ist nur: Wie hoch ist diese?

Häufig argumentieren die Kreditinstitute, dass der gezogene Nutzen nur in Höhe der sogenannten Zinsmarge anfällt. Das ist die Gewinnspanne zwischen dem Zinssatz, zu dem sich die Bank das Geld leiht und jenem Zinssatz, zu dem sie es verleiht. Diese Zinsmarge beträgt meist zwischen 0,5 und 1,0 Prozent. Je nach Kredit und Kunde kann es aber auch deutlich mehr sein. Im Gegenzug kann man als Kunde argumentieren, dass die Bank das Geld ja auch im Rahmen eines neuen Privatkredits oder gar Überziehungskredits hätte verleihen können und damit zwischen fünf und zehn Prozent Zins kassieren konnte.

Kurzum: Der Nachweis darüber, welchen Nutzen das Kreditinstitut aus den Zahlungen des Kunden gezogen hat, ist schwer zu führen. Der BGH hat hier in seinen Urteilen zumeist pauschale Zinssätze angesetzt, um den Nutzenersatz zu berechnen. Als Grundlage wird dabei der sogenannte Basiszins genommen, der auf dem Refinanzierungszins der Europäischen Zentralbank basiert und im Zivilrecht häufig dann verwendet wird, wenn eine Partei der anderen Geld schuldet und mit der Zahlung in Verzug ist. Der Basiszins wird zweimal im Jahr neu berechnet und liegt derzeit bei minus 0,88 Prozent.

Auf diesen Basiszins kommt ein Aufschlag. In vielen Fällen hat der BGH geurteilt, dass ein Aufschlag von fünf Prozent auf den Basiszins angebracht ist, beispielsweise als es im Jahr 2014 darum ging, dass Banken ihren Kunden die zu Unrecht gezahlten Bearbeitungsgebühren für Kredite zurückzahlen mussten. Damals mussten die Banken diese Bearbeitungsgebühr zurückzahlen und zusätzlich eine Verzinsung von fünf Prozent über Basiszins erstatten.

Auch bei der Rückabwicklung eines Kredits im Rahmen des Widerrufsjokers wurden lange fünf Prozent über Basiszins genommen, um den Anspruch des Kunden zu berechnen. Allerdings hat der BGH vor einigen Monaten entschieden, dass bei grundschuldbesicherten Darlehen (und damit bei so gut wie allen Baufinanzierungen) nur ein Zinssatz von 2,5 Prozent über Basiszins angebracht ist. Warum es zu diesem Schwenk kam, ist nicht nachvollziehbar - vielleicht war es auch ein politisches Zugeständnis an die Banken, deren Lobby sich massiv über die Rechtsprechung um Rahmen des Widerrufsjokers beschwert hat. Allerdings lässt der BGH eine Lücke in der Berechnung einer Rückabwicklung. Er sagt, dass sowohl Kreditinstitut als auch Verbraucher nachweisen können, dass im konkreten Fall ein höherer oder niedrigerer Nutzen als 2,5 Prozent über Basiszins gezogen wurde. Aber in der Praxis zeigt sich, dass zumeist weder Bank noch Verbraucher die Richter davon überzeugen können, von den "2,5 Prozent über Basiszins" abzuweichen. Doch auch auf dieser Basis kommt für den Verbraucher häufig noch ein schöner Anspruch zusammen. Immerhin lag der Basis noch 2008 bei deutlich über drei Prozent, so dass sich für diesen Zeitraum ein Rückabwicklungszins von fast sechs Prozent ergibt. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Anspruch des Kunden auf Nutzenersatz umso höher ist, je älter das Darlehen ist und je stärker es getilgt wurde.

Insbesondere Sondertilgungen fallen hier ins Gewicht, insbesondere dann, wenn sie schon vor längerer Zeit vorgenommen wurden. Wie hoch dieser in ihrem Fall ist, können Sie mit dem Rückabwicklungsrechner der Interessengemeinschaft Widerruf unter www.widerruf.info abschätzen. Ein Beispiel: Ein Nutzer der IG Widerruf hat 2007 ein Darlehen mit einem Volumen von 340.000 Euro abgeschlossen. Er bezahlt einen Zins von 4,8 Prozent und eine Tilgung von einem Prozent. Zudem hat er in den ersten drei Jahren des Darlehens noch eine Sondertilgung von jeweils 10.000 Euro geleistet. Für ihn ergibt sich ein Anspruch auf Nutzenersatz von 24.000 Euro.

Aber vergessen Sie nicht: Der Weg zu einer Rückabwicklung ist zumeist kein Selbstläufer. Unsere Erfahrungen bei der Interessengemeinschaft Widerruf zeigen, dass es durchaus sinnvoll sein, nicht auf das Maximum zu beharren, sondern eine gewisse Kompromissbereitschaft an den Tag zu legen. Häufig lässt sich damit der Widerruf eines Darlehens - außergerichtlich oder gerichtlich - sehr viel schneller über die Bühne bringen.

Lassen Sie mit Hilfe der Interessengemeinschaft kostenlos und unverbindlich prüfen, ob der Widerrufsjoker auch für Sie in Frage kommt. Unter www.widerruf.info können Sie uns die Kreditunterlagen schicken. Diese werden anwaltlich geprüft und Sie erfahren, ob der Darlehensvertrag fehlerhaft ist und welche konkreten Schritte für Sie sinnvoll sind.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

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