Widerrufsjoker: Nicht allzu gierig sein!
Nur noch wenige Wochen gilt bei einer Baufinanzierung das sogenannte ewige Widerrufsrecht, auch Widerrufsjoker genannt.
Hat der Darlehensvertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung, dann kann er auch Jahre später noch widerrufen werden, was zu enormen Ersparnissen führen kann. Allerdings sollte man beim Widerrufsjoker eine Regel beherzigen: Nicht allzu gierig sein! Denn wer mit dem Kopf durch die Wand will und das Maximum erreichen will, der kann auch auf die Nase fallen. Daher sollte man gut abwägen, was man erreichen will.
Wer mit Hilfe eines Widerrufs seiner Baufinanzierung aus dem Darlehen aussteigen möchte oder den Zinssatz deutlich senken will, hat im wesentlichen zwei Möglichkeiten, sein Ziel zu erreichen: Entweder versucht er mit Hilfe eines Anwalts einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Kreditinstitut zu erzielen - oder er reicht Klage ein und sucht den Erfolg beim Widerrufsjoker vor Gericht.
Wobei die beiden Möglichkeiten sich nicht gegenseitig ausschließen. Häufig wird zunächst außergerichtlich eine akzeptable Lösung gesucht. Gelingt dies nicht (in der Regel, weil die Bank blockt), dann zieht man vor Gericht.
Das Ganze ähnelt der Frage nach dem Spatz in der Hand oder der Taube auf dem Dach: Der außergerichtliche Vergleich ist dabei der Spatz in der Hand. Er ist in etlichen Fällen ohne großes Kostenrisiko und vergleichsweise schnell zu erzielen. Dafür ist der wirtschaftliche Vorteil geringer. Er bezieht sich normalerweise auf den Zinsvorteil für die noch ausstehende Zinsbindung des Darlehens. In der Regel wird der Zinssatz in die Nähe des aktuell gültigen Marktzinses reduziert. Aus vier oder fünf Prozent können da schnell weniger als zwei Prozent werden. Ansprüche aus der zurückliegenden Laufzeit des Darlehens fallen dabei in der Regel unter den Tisch.
Wer dagegen vor Gericht zieht, der setzt auf eine Rückabwicklung des Darlehens. Der wirtschaftliche Vorteil, der sich daraus ergeben kann, ist deutlich größer als bei einer bloßen Absenkung des Zinses. Denn eine Rückabwicklung berücksichtigt auch, dass die Bank für die bereits abgelaufene Kreditlaufzeit eine Entschädigung zahlen muss. Nicht selten verdoppelt sich dadurch die Ersparnis für den Kunden. Der Weg dahin ist aber steinig. Ein Prozess ist teuer, wenn keine Rechtsschutzversicherung oder ein Prozessfinanzierer einspringt. Zudem kann sich ein Verfahren über mehrere Jahre hinziehen - erst recht, wenn es in die Berufung geht.
Kreditnehmer müssen sich also entscheiden, ob sie den Spatz in der Hand haben wollen oder die Taube auf dem Dach. Bei etlichen Kreditinstituten fällt die Antwort leicht: Banken wie die Deutsche Bank, Commerzbank, DKB und zumeist auch DSL Bank sind bislang außergerichtlich grundsätzlich nicht kompromissbereit. Anders sieht es aus bei Kreditinstituten wie der ING Diba, den Sparda Banken sowie zahlreichen Volksbanken und Sparkassen. Dort besteht - zumindest in Teilbereichen - eine außergerichtliche Kompromissbereitschaft.
Häufig hängt die richtige Strategie von zwei Fragen ab:
- Greift eine Rechtsschutzversicherung, siehe dazu www.widerruf.info/rechtsschutzversicherung
- Ist beim Kreditinstitut Verhandlungsbereitschaft zu erwarten?
Wer das Thema vernünftig angehen will, sollte zunächst seinen Kreditvertrag mit Hilfe der IG Widerruf (www.widerruf.info) von einem erfahrenen Anwalt auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung prüfen lassen. Das Prüfungsergebnis erhalten Sie innerhalb von wenigen Tagen. Danach sollten Sie mit dem Anwalt besprechen, welche Reaktion von seiner Bank zu erwarten ist und welche Vorgehensweise sinnvoll erscheint. Bis dahin ist die Sache für Sie kostenlos und unverbindlich. Natürlich können wir nicht jede einzelne der mehr als tausend Kreditinstitute in Deutschland exakt einschätzen. Aber zumindest bei den größeren Banken und Versicherungen ist eine tendenzielle Aussage möglich.
Grundsätzlich raten wir dazu, nicht allzu gierig zu sein, wenn das Kreditinstitut Kompromissbereitschaft zeigt. Vor allem, wenn die Kosten nicht durch eine Rechtsschutzversicherung oder einen Prozessfinanzierer abgedeckt wird, ist das Kostenrisiko einer Klage eine hohe Hürde.
Denken Sie daran, dass das ewige Widerrufsrecht vom Gesetzgeber eingeschränkt wurde. Für Darlehen aus dem Zeitraum November 2002 bis Juni 2010 verfällt die Möglichkeit zum Widerruf am 21. Juni 2016. Es gilt also, keine Zeit mehr zu verlieren. Zum anderen gibt es aber auch keinen Grund zur Hektik. Wer vernünftig abwägt und gelassen vorgeht, kann auch in den letzten verbleibenden Wochen mit dem Widerrufsjoker viel Geld sparen.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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