Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker - Hartnäckigkeit zahlt sich beim Kredit-Widerruf aus

13.01.17 09:19 Uhr

Widerrufsjoker - Hartnäckigkeit zahlt sich beim Kredit-Widerruf aus | finanzen.net

Wenn ein privater Verbraucher aus einer Baufinanzierung mit Hilfe des sogenannten Widerrufsjokers aussteigen will, dann kommt es häufig zu einem Gerichtsverfahren. Das Ergebnis einer solchen Klage ist nicht immer zu prognostizieren.

Manchmal kommt es gerade in der ersten Instanz zu seltsamen Ergebnissen. Daher kann es sich lohnen, nicht aufzugeben, wenn ein Prozess verloren geht. Das zeigt ein Fall aus der Praxis der Interessengemeinschaft Widerruf.

Vor drei Jahren ist der Widerrufsjoker, also der Widerruf von Baufinanzierungen, erstmals zum großen Thema geworden. Dennoch lassen sich Gerichtsurteile zu diesem Thema in vielen Fällen immer noch nicht verlässlich prognostizieren. Gerade in erster Instanz erleben wir bei der IG Widerruf (www.widerruf.info) immer wieder, dass Richter bei bestimmten Konstellationen sehr unterschiedlich entscheiden. Das ist für Verbraucher insbesondere dann ärgerlich, wenn trotz eindeutig fehlerhafter Widerrufsbelehrung und entsprechender sorgfältiger Prüfung durch den eigenen Anwalt eine Klage verloren geht.

Doch jeder Verbraucher sollte wissen: Vor Gericht gibt es grundsätzlich keine absolute Sicherheit (Sie kennen den Spruch vom Gericht und der hohen See...). Und beim Widerrufsjoker gilt dies noch einmal in besonderem Masse. Grund: Der Widerruf einer Baufinanzierung ist eine recht komplexe Materie. Nicht wenige Einzelrichter am Landgericht - man muss es so deutlich sagen - sind damit überfordert. Sei es, dass sie die häufig komplizierten Berechnungen einer Rückabwicklung nicht verstehen oder sich nicht ausreichend sorgfältig vorbereiten. Auch spezielle Fragen zu Verwirkung oder rechtsmißbräuchlichem Handeln bieten Ansatzpunkte für teilweise seltsame Urteile von Richtern in der ersten Instanz - selbst dann, wenn ein vergleichbarer Sachverhalt von höheren Instanzen schon längst gegenläufig entschieden wurde.

Einen solchen Fall möchte ich Ihnen aus der Erfahrung der IG Widerruf schildern. Der Verbraucher, der von einem unserer Kooperationsanwälte vertreten wurde, hatte in 2009 einen Kreditvertrag bei der Sparda Bank München abgeschlossen. Verwendet wurde eine Widerrufsbelehrung, die schon mehrfach als fehlerhaft geurteilt wurde. Verwirkung war nach BGH-Rechtsprechung auszuschließen, da das Darlehen zum Zeitpunkt des Widerrufs noch lief. Und dennoch kassierte der Verbraucher beim Landgericht München eine überaus seltsame Niederlage. Die Widerrufsbelehrung sei nicht irreführend und nicht unverständlich, urteilte der Richter und wie die Klage ab.

Doch in der Berufung kassierte die Bank (und auch der Richter der ersten Instanz) eine echte Watschn, wie man in München wohl sagen würde. Denn in einer Verfügung des OLG München (17U 4386/16) wurde das Urteil der ersten Instanz komplett auf den Kopf gestellt. Ohne den Aufwand eines kompletten Verfahrens zu betreiben, erklärte der zuständige Senat, dass er die Widerrufsbelehrung für fehlerhaft hält und eine Rückabwicklung für angebracht hält.

Wörtlich heißt es unter anderem: "Zur Herbeiführung einer zeitnahen, endgültigen und weitere Kosten vermeidenden Regelung empfiehlt sich vorliegend eine gütliche Einigung dringend. Die Parteien sollten den Darlehensvertrag zeitnah beenden und sich über einen Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung, eine Erstattung (eines maßgeblichen Teils) der Zinszahlung seit Zugang des Widerrufs und eine von der Beklagten an die Kläger zu zahlende angemessene Nutzungsentschädigung (...) einigen."

Das ist eine klare Ansage an die Bank, der in der Regel ein entsprechender - für den Kunden sehr vorteilhafter - Vergleich folgt. Sperrt sich die Bank, dann kassiert sie nach einer solchen Verfügung in der Regel ein entsprechendes Urteil. Dieser Fall zeigt, dass Verbraucher sich von einem negativen Urteil in der ersten Instanz nicht einschüchtern lassen sollten. Häufig stehen die Chancen in der zweiten Instanz besser.

Nur damit wir uns nicht missverstehen: Ein schwacher Fall, der in der ersten Instanz verloren wird, wird auch in der zweiten Instanz vermutlich keine Chance haben. Eine Berufung sollte auf keinen Fall nur dazu da sein, den Anwälten weiteres Honorar zu beschaffen. Deswegen bedarf es einer kritischen Analyse, wie gut die Chancen wirklich stehen. Rät der Anwalt nach einer verlorenen Klage zu einer Berufung, dann lassen sie sich klipp und klar aufzeigen, warum das Urteil in der zweiten Instanz anders ausfallen soll.

Gibt es entsprechende OLG-Urteile oder gar ein BGH-Urteil, die zugunsten des Verbrauchers ausfallen? Welche Fehler hat der Richter in der ersten Instanz gemacht? Erst wenn diese Fragen befriedigend beantwortet werden, sollten Sie grünes Licht für eine Berufung geben.

Für alle, bei denen keine Rechtsschutzversicherung beim Widerrufsjoker greift, kann es sinnvoll sein, einen Prozessfinanzierer prüfen zu lassen, ob er eine Berufung begleiten würde. Zwar wäre damit häufig ein Wechsel des Anwalts verbunden, da zumindest der Prozessfinanzierer der IG Widerruf stets mit eigenen Anwälten arbeitet. Dennoch ist dies ein sinnvoller Schritt, wenn Sie eine kritische Meinung suchen: Denn ein Prozessfinanzierer wird einen solchen Fall nur dann akzeptieren, wenn er eine gute bis sehr gute Chance sieht, den Fall zu gewinnen.

Immobilienbesitzer, die eine Baufinanzierung von einem erfahrenen Anwalt auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung prüfen lassen wollen, können dies kostenlos und unverbindlich unter www.widerruf.info tun lassen. In diesem Zuge erfahren Sie beispielsweise auch, welche Kosten mit einem Vorgehen verbunden sind und wie die Chancen im konkreten Fall stehen.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.