Widerrufsjoker: Handeln Sie jetzt!
Nach erfolgreicher Lobbyarbeit des Bankensektors spricht vieles dafür, dass der Widerrufsjoker, also der Widerruf von Darlehen aufgrund einer falschen Widerrufsbelehrung, im Juni 2016 verschwinden wird - zumindest für einen großen Teil der in Frage kommenden Darlehen.
Damit hebelt die Politik den Verbraucherschutz aus, um den Kreditinstituten zu Hilfe zu eilen. Zwar ist das entscheidende Gesetz, das Immobilienkredite in Deutschland neu regeln wird, noch nicht verabschiedet. Dies soll bis März geschehen. Doch die Informationen, die die Interessengemeinschaft Widerruf aus dem zuständigen Ministerium für Verbraucherschutz bekommt, sprechen eine klare Sprache.
Demnach soll das Gesetz den Widerruf von Immobilienkrediten nicht nur für Darlehen regeln, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden. Vielmehr ist auch eine sogenannte Rückwirkung vorgesehen. Diese betrifft Darlehen, die schon vor etlichen Jahren geschlossen wurden. Dabei soll es zwei unterschiedliche Regelungen für diese älteren Darlehen geben
Gruppe 1: Darlehen bis Juni 2010
Diese Darlehen bereiten den Banken besondere Kopfschmerzen. Denn in diesem Zeitraum weisen mehr als drei Viertel aller Baukredite fehlerhafte Widerrufsbelehrungen auf. Macht nur die Hälfte Kunden von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, dann droht den Kreditinstituten ein Milliardenschaden. Deswegen haben die Banken hier ganz besonders Druck gemacht, um eine restriktive Regelung zu finden, die das Problem kurzfristig löst. Und die scheint jetzt auch zu kommen: Darlehen, die bis Juni 2010 abgeschlossen wurden, werden daher voraussichtlich nur noch drei Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes widerrufbar sein. Wer diesen Termin verpasst, schaut in die Röhre!
Gruppe 2: Darlehen nach Juni 2010
Bei dieser zweiten Gruppe gibt es zwar auch noch fehlerhafte Widerrufsbelehrungen, die Fehlerquote hat aber deutlich abgenommen. Grund ist unter anderem die Einführung einer europäischen Verbraucherkreditrichtlinie im Jahr 2010, die mit einer Harmonisierung der Kreditverträge einherging. Damit sind etliche Fehler aus den Widerrufsbelehrungen verschwunden - aber bei weitem nicht alle. Dennoch scheint dieser Fall dem Gesetzgeber nicht ganz so dringlich zu sein. Hier scheint es daher zu einer etwas großzügigeren Regelung zu kommen. Geplant ist, dass für diese Kredite bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen nach Inkrafttreten des Gesetzes greift. Daher werden Kredite, die nach Juni 2010 abgeschlossen wurden, voraussichtlich bis April 2017 widerrufbar sein.
Derzeit befindet sich das Gesetz noch im parlamentarischen Prozess. Änderungen sind daher noch möglich. Die Verabschiedung muss bis zum 21. März stattfinden, um den europäischen Anforderungen gerecht zu werden.
Was heißt das nun für Verbraucher, die einen Kredit in den genannten Zeiträumen abgeschlossen haben und mit einem Widerruf des Darlehens liebäugeln? Wichtig ist vor allem, den eigenen Kreditvertrag möglichst bald von einem erfahrenen Anwalt auf eine fehlerhafte Widerrufsklausel prüfen zu lassen. Dies können Sie kostenlos bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) tun. Damit wissen Sie, wie Ihre Chancen für einen Widerruf stehen. Der Anwalt wird dann die möglichen Optionen mit Ihnen besprechen. So erfahren Sie, ob beispielsweise eine Rechtsschutzversicherung greifen könnte oder ob die Zusammenarbeit mit einem Prozessfinanzierer in Frage kommt.
Noch gibt es keinen Grund zur Hektik. Die genannten Fristen gelten jeweils für die Ausübung des Widerrufs gegenüber dem Kreditinstitut. Alle weiteren Schritte, wie eine Klageerhebung, können auch nach Ablauf der Frist vorgenommen werden. Genauso wenig sollten Sie jetzt aber die Sache auf die lange Bank schieben. Zumindest was die Prüfung des Darlehens angeht, sollten Sie jetzt handeln! Denn es ist zu befürchten, dass die meisten Anwälte, die sich mit Kredit-Widerruf auskennen, kurz vor dem Stichtag im Juni stark ausgelastet sein werden.
Lassen Sie also den Kreditvertrag kostenlos und unverbindlich bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) unter die Lupe nehmen. Mit dem Ergebnis der Prüfung sind sie für alle weiteren Schritte gerüstet.
Nach aktuellem Stand ist für Kredite, die vor Juni 2010 abgeschlossen wurden, eine 3monatige Frist nach Inkrafttreten des Gesetzes geplant. Da das Gesetz im März in Kraft treten soll, reden wir also von einem Auslaufen der Frist im Juni 2016.
Für alle Darlehen, die zwischen Juni 2010 und dem Inkrafttreten des Gesetztes geschlossen werden bzw. wurden, gilt eine Frist von einem Jahr und 14 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes. Für Kredite, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden, gilt eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen nach Abschluss des Darlehens.
Für Kredite aus den Jahren 2011 und 2012, um die es im anstehenden BGH-Verfahren geht (Checkbox), gilt demnach eine Frist von einem Jahr und 14 Tagen nach Inkraftreten des Gesetzes, also voraussichtlich April 2017.
Quellen dafür sind diverse Presseberichte, z.B. hier sowie der Gesetzesentwurf (indem die Rückwirkung allerdings noch nicht steht) sowie meine Gespräche mit dem Ministerium. Meines Wissens gibt es noch keinen aktualisierten Gesetzesentwurf, in dem die Rückwirkung nachzulesen ist. Sie ist jedoch definitiv aktueller Diskussionsstand, wie mir das Ministerium bestätigte.
Da das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, können sich die genannten Regelungen aber noch ändern.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.