Widerrufsjoker: Die 15 wichtigsten Fragen und Antworten zum Kredit-Widerruf
Der Countdown läuft: Nur noch wenige Wochen, bis zum 21. Juni, ist es möglich, eine Baufinanzierung aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung zu widerrufen.
Wer sich jetzt mit dem Thema beschäftigen will, der braucht kompetente Hilfe und eine schnelle Antwort auf die wichtigsten Fragen und Antworten - hier finden Sie mit Hilfe der Interessengemeinschaft Widerruf beides.
Seit November 2002 haben Verbraucher ein Widerrufsrecht für private Kredite. Dieses dient dazu, dass der Kreditnehmer eine so wichtige Entscheidung wie den Abschluss eines Darlehens noch einmal überdenken kann und innerhalb einer gewissen Frist (üblicherweise 14 Tage) von seiner Entscheidung zurücktreten kann. Deshalb muss der Kreditvertrag eine sogenannte Widerrufsbelehrung enthalten, die den Verbraucher über sein Recht aufklärt. Der Gesetzgeber hat dazu nach der Einführung dieser Regelung einen Mustertext vorgegeben. Doch die Banken haben diesen in der Regel nicht im Wortlaut übernommen, sondern den Text stattdessen an ihre Bedürfnisse angepasst. In vielen Fällen sind dadurch Unklarheiten entstanden, die es dem Kreditnehmer nicht ermöglichen, sein Widerrufsrecht zu verstehen und zu nutzen. Diverse Gerichtsurteile ziehen daraus die Konsequenz: In einem solchen Fall fängt die Widerrufsfrist nicht an zu laufen. Der Kredit kann auch viele Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden.
Durch die stark gesunkenen Zinsen der vergangenen Jahre ergibt sich damit gerade bei Immobilienkrediten eine große Chance. Hausbesitzer können ihre alten Darlehen widerrufen und die gesunkenen Zinsen für eine Umschuldung nutzen. Aus fünf Prozent Zins können auf diese Weise künftig zwei Prozent oder noch weniger werden. Die Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) hilft mit Informationen rund um den sogenannten Widerrufsjoker. Unabhängige Rechtsanwälte prüfen kostenlos Ihren Vertrag auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung und bieten anschließend eine kompetente Unterstützung im Vorgehen gegen das Kreditinstitut. Auch bei der Vermittlung einer Anschlussfinanzierung sind wir behilflich. An dieser Stelle wollen wir für Einsteiger die wichtigsten Fragen und Antworten klären.
1. Welche Kreditverträge sind von falschen Widerrufsbelehrungen betroffen?
Kredite, die nach November 2002 abgeschlossen worden sind, kommen in Frage. Besonders hoch ist die Fehlerquote bei Darlehen, die bis Mitte/Ende 2010 abgeschlossen wurden. In diesem Zeitfenster sind rund 70 Prozent aller Kredite angreifbar. In später abgeschlossenen Darlehen können auch Fehler enthalten sein, die Quote nimmt aber spürbar ab.
2. Kommen nur Immobiliendarlehen für den Widerruf in Frage?
Grundsätzlich kommen alle privaten Verbraucherdarlehen in Frage. Besonders interessant ist das Thema allerdings bei Baufinanzierungen. Grund sind die hohen Kreditbeträge sowie die vergleichsweise einfache Umschuldung. Bei anderen Krediten als Immobiliendarlehen ist ein Widerruf nur in seltenen Fällen sinnvoll.
3. Woher erfahre ich, ob meine Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist?
Sie können den Vertrag kostenpflichtig bei den Verbraucherzentralen prüfen lassen. Oder Sie nehmen das Angebot einer kostenlosen Prüfung durch die Kooperationsanwälte der IG Widerruf (www.widerruf.info) in Anspruch. Hier erfahren Sie, ob Ihr Vertrag angreifbar ist und welche Erfahrungen wir mit Ihrer Bank bereits gesammelt haben.
4. Kann ich meinen Kreditvertrag auch ohne einen Anwalt widerrufen?
Theoretisch ja. Allerdings zeigt unsere Erfahrung, dass ein Kreditinstitut den Kunden nicht ernst nimmt, solange er nicht durch einen Anwalt begleitet wird. In der Regel werden Sie für Ihren Widerruf nur ein ablehnendes Standardschreiben ernten. Das ändert sich bei vielen Kreditinstituten, sobald ein Anwalt eingeschaltet wird.
5. Was kostet mich die Hilfe eines Anwalts?
Normalerweise beginnt der Anwalt seine Tätigkeit mit einer außergerichtlichen Vertretung. Das bedeutet, dass er der Bank in einem Schreiben detailliert die Fehler der Widerrufsbelehrung aufzeigt und einschlägige Gerichtsurteile zitiert. Diese außergerichtliche Tätigkeit wird in der Regel nach dem wirtschaftlichen Vorteil berechnet, also dem Betrag, den der Kunde bei einem erfolgreichen Widerruf sparen kann. Je nach Kredit liegen die Kosten unserer Kooperationsanwälte meist zwischen 800 und 1.500 Euro. Dazu kommt teilweise noch eine sogenannte Einigungsgebühr, wenn die Bank einer Anpassung des Kredits zustimmt. Vor Gericht sind die Kosten deutlich höher. Deshalb ist in der Regel nur für rechtsschutzversicherte Kunden eine Klage ratsam.
6. Wann greift die Rechtsschutzversicherung?
Eine Rechtsschutzversicherung greift meist dann, wenn es sich bei der finanzierten Immobilie nicht um einen Neubau und auch nicht um ein vermietetes Objekt handelt. Wichtig: Der Schadensfall, zu dem die Rechtsschutzversicherung bestehen muss, ist nicht der Abschluss des Kredits (auch wenn das manche Rechtsschutzversicherungen behaupten). Relevant ist vielmehr die Weigerung ihrer Bank den Widerruf anzuerkennen. Deshalb ist es auch möglich, noch eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, nachdem eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung festgestellt wurde. Näheres dazu unter www.widerruf.info/rechtsschutzversicherung.
7. Was bedeutet eigentlich der Widerruf eines Kredits?
Wenn Sie einen Kredit widerrufen, fordern Sie damit dessen Rückabwicklung. Das bedeutet, dass das Kreditinstitut alle Zahlungen, die in Zusammenhang mit diesem Darlehen stehen, stornieren muss. Sie zahlen also den Kreditbetrag zurück, die Bank erstattet ihnen die Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung. Das würde bedeuten, dass Sie nicht nur aus dem teuren Darlehen herauskommen, sondern zusätzlich noch eine Entschädigungszahlung für zu viel bezahlte Zinsen von ihrer Bank bekommen.
8. Wie realistisch ist die vollständige Rückabwicklung des Darlehens?
Die vollständige Rückabwicklung eines Kredits ist die Ausnahme und zumeist nur vor Gericht zu erreichen. Allerdings sehen wir in der Praxis der IG Widerruf, dass viele Banken im Rahmen eines Vergleichs bereit sind, den Kunden ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Darlehen zu entlassen. Eine Entschädigung für in der Vergangenheit zu viel bezahlte Zinsen wird dann nicht geleistet. Solche Kompromisse sind bei etlichen Banken außergerichtlich zu erreichen - ohne großes Kostenrisiko und vergleichsweise schnell.
9. Reagieren alle Kreditinstitute kompromissbereit?
Nein. Die Banken und Versicherungen agieren hier sehr unterschiedlich. Einige Häuser blocken komplett und lassen es darauf ankommen, ob der Kunde zu einer Klage bereit ist. Andere zeigen sich in hohem Masse vergleichsbereit. Die IG Widerruf hat die Erfahrungen mit einzelnen Kreditinstituten in ihrem Blog zusammengefasst.
10. Was ist, wenn der Kreditvertrag inzwischen verlängert wurde (Prolongation)?
Solange Sie bei einer Verlängerung eines Darlehens kein zusätzliches Geld aufgenommen haben, gilt die Prolongation nicht als eigenständiger Kredit. Das bedeutet: Ein Darlehen, das vor November 2002 abgeschlossen wurde und danach bei der gleichen Bank verlängert wurde, kommt für den Widerruf nicht in Frage. Im Umkehrschluss sind aber Darlehen aus der Zeit zwischen 2002 und 2005 noch interessant, die zwischenzeitlich prolongiert wurden.
11. Gilt der Widerrufsjoker nur für noch laufende Darlehen?
Nein. Auch Darlehen, die in der Vergangenheit durch Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung beendet wurden, kommen in Frage. In diesem Fall kann die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückgefordert werden, wenn der Kreditvertrag eine falsche Widerrufsbelehrung enthält. Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung sollte nicht zu lange zurückliegen - vier bis fünf Jahre gelten noch als akzeptabel.
12. Gibt es beim Widerrufsjoker eine Verjährung?
Der Gesetzgeber hat mit einem neuen Gesetz für Immobilienkredite dafür gesorgt, dass der Widerruf auch bei falscher Widerrufsbelehrung nur noch begrenzt möglich ist. Für Kredite, die bis 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, endet diese Frist zum Widerruf am 21. Juni 2016. Wer bis dahin nicht widerrufen hat, verliert die Möglichkeit. Darlehen, die nach Juni 2010 abgeschlossen wurden, sind von dieser Regelung nicht betroffen. Unabhängig davon sehen einige Gerichte beim Widerrufsjoker eine sogenannte Verwirkung. Dies bedeutet, dass man dem Kreditinstitut einen Schutz vor dem Widerruf zuspricht, weil der Kunde seit dem Abschluss des Vertrags über einen längeren Zeitraum den Kredit bedient hat und von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Anders als bei der Verjährung gibt es bei der Verwirkung keine klar definierten Fristen. Zudem ist die Verwirkung äußerst umstritten.
13. Kann ich auch KfW-Darlehen oder andere Förderdarlehen widerrufen?
In der Regel ja. Allerdings galten KfW-Darlehen nur bis Juni 2010 als private Verbraucherdarlehen. Später abgeschlossene KfW-Darlehen können daher nicht mehr widerrufen werden. Für Darlehen bis Mitte 2010 gilt: Sie dürfen nicht direkt mit der Förderbank abgeschlossen worden sein. Da KfW-Kredite in der Regel über die Geschäftsbank vermittelt werden, ist hier ein Widerruf möglich.
14. Wie kann ich mein Kostenrisiko begrenzen?
Da der Widerruf eines Darlehens ohne Anwalt wenig aussichtsreich ist, besteht für den Verbraucher ein Kostenrisiko. Dies können Sie begrenzen, indem Sie zunächst die Möglichkeit prüfen, ob eine Rechtsschutzversicherung in Frage kommt bzw. noch abgeschlossen werden kann (siehe Kapitel Rechtsschutz). Ist dies nicht der Fall, kommt möglicherweise ein Anwalt in Frage, der auf Basis eines Erfolgshonorars außergerichtlich tätig wird. Zudem ist die Zusammenarbeit mit einem Prozessfinanzierer möglich, der sämtliche Kosten für Anwalt und Gericht übernimmt. Die IG Widerruf (www.widerruf.info) stellt den Kontakt her.
15. Wann brauche ich eine Anschlussfinanzierung?
Es kann zwar nicht schaden, sich die grundsätzliche Zusage für eine Anschlussfinanzierung vor dem Widerruf zu besorgen. Wenn Sie allerdings über eine gute Bonität verfügen, ist das allerdings nicht unbedingt nötig. In der Praxis führt der Widerruf eines Kredits nämlich nicht dazu, dass die Bank diesen Widerruf bestätigt und den Kredit fällig stellt. Eher kommt es zu einem Vergleich, in dessen Verlauf der Kreditzins bei der bestehenden Bank nach unten angepasst wird, so dass eine Umschuldung überflüssig wird.
Bestehen jedoch Zweifel an der Bonität oder entwickeln sich die Verhandlungen mit der Bank in Richtung einer Vertragsauflösung, dann sollte eine Anschlussfinanzierung sichergestellt sein. Die IG Widerruf (www.widerruf.info) ist dabei behilflich.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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