Widerrufsjoker: Der Trick mit dem Kontoauszug
Mit einem Urteil aus dem November 2016 hat der Bundesgerichtshof eine große Zahl von Baufinanzierung für fehlerhaft erklärt. Kreditnehmer können nun mit einem nachträglichen Widerruf aus den Darlehen aussteigen (Widerrufsjoker). Doch die Banken versuchen sich zu wehren - teilweise mit untauglichen Mitteln.
In dem BGH-Urteil (Az. XI ZR 434/15) ging es um die sogenannten Pflichtangaben, die das Kreditinstitut dem Kunden aushändigen muss, damit die Widerrufsfrist von 14 Tagen zu laufen beginnt. Viele Banken hatten dabei eine fehlerhafte Pflichtangabe in ihrer Widerrufsbelehrung aufgeführt, nämlich die Aufsichtsbehörde der Bank. Diese war zwar ursprünglich tatsächlich als Pflichtangabe vorgesehen, wurde aber kurz vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Juni 2010 gestrichen. Dennoch findet sich die Nennung der Aufsichtsbehörde fälschlich in den Widerrufsbelehrungen vieler Kreditverträge aus der zweiten Hälfte 2010, teilweise auch noch im Jahr 2011.
Der BGH hat nun entschieden: Die Erwähnung der Aufsichtsbehörde in der Widerrufsbelehrung ist nicht per se falsch und führt daher auch nicht automatisch zur Unwirksamkeit bzw. zur Rückabwicklung des Darlehens. Nennt die Bank allerdings die Aufsichtsbehörde (fälschlich) als Pflichtangabe, dann muss sie diese auch im Kreditvertrag aufführen. Genau dies aber haben viele Banken nicht getan. Somit ist das Darlehen angreifbar und der Verbraucher kann den Kredit mit Hilfe des Widerrufsjokers auch Jahre nach dem Abschluss noch widerrufen.
Besonders brisant ist die Lage für die Sparkassen: Sie hatten in ihrem Muster für die Kreditverträge die Aufsichtsbehörde als Pflichtangabe aufgeführt, diese aber nicht im Kreditvertrag genannt. Das falsche Muster wurde von Sparkassen in ganz Deutschland verwendet - teilweise nur bis November 2010, zumeist aber noch tief bis in das Jahr 2011 hinein. All diese Verträge stehen nun im Feuer, denn Kreditnehmer können mit dem Widerrufsjoker aus diesen Baufinanzierungen aussteigen.
In der Regel handelt es sich dabei um Darlehen mit Zinsen zwischen drei und vier Prozent, an die die Immobilienbesitzer mindestens noch bis 2020 gebunden sind, teilweise auch noch deutlich länger. Kann der Kreditnehmer hier durch einen einfachen Widerruf aus dem Darlehen aussteigen und die aktuellen Niedrigzinsen für eine Umschuldung nutzen, dann bedeutet das einen massiven Gewinn für ihn - und einen herben Verlust für die Bank.
Deswegen versuchen nun einige Sparkassen mit fragwürdigen Tricks, ihre Lage rund um den Widerrufsjoker zu verbessern. So berichten uns Nutzer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info), die eine Baufinanzierung aus dem fraglichen Zeitraum haben, erstaunliche Dinge: So wurde auf den Jahres-Kontoauszügen der Kredite die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) als zuständige Aufsichtsbehörde aufgeführt.
Das mag ein Zufall sein, an den wir aber nicht so richtig glauben wollen. Wahrscheinlicher ist, dass hier Sparkassen versuchen, ihr Versehen aus den falschen Kreditverträgen "wettzumachen", indem sie die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde quasi durch die Hintertür nachreichen. Allerdings dürfte dies nicht ausreichen.
Zwar fehlt bislang noch die ausführliche Begründung des BGH-Urteils aus dem November 2016, doch ist bereits in der vorliegenden Mitteilung klar zu erkennen, dass die obersten Richter verlangen, dass die Pflichtangaben im Kreditvertrag stehen und nicht Jahre später kommentarlos nachgeliefert werden.
Besonders pikant ist die Sache aus folgendem Grund: Wenn sich die Sparkasse auf den Standpunkt stellt, dass sie per Kontoauszug die fehlende Pflichtangabe nachliefert, dann würde dies nun die ursprüngliche Widerrufsfrist von 14 Tagen in Gang setzen. Denn diese beginnt erst dann zu laufen, wenn der Kunde alle Pflichtangaben (darunter die Aufsichtsbehörde) erhalten hat. Ein Kunde könnte also nach Erhalt seines Kontoauszugs das Darlehen widerrufen.
Wie gesagt: Wir glauben nicht, dass die Sparkassen mit dieser Argumentation eine Chance haben. Völlig auszuschließen ist dies aber nicht. Dennoch sollten Verbraucher individuell prüfen lassen, welches Vorgehen rund um den Widerrufsjoker für sie am günstigsten ist. Die Interessengemeinschaft Widerruf bietet eine solche Prüfung durch erfahrene Anwälte unter www.widerruf.info kostenlos an. Dabei wird zum einen geprüft, ob der verwendete Darlehensvertrag fehlerhaft ist. Zum anderen erfahren Verbraucher, welche konkreten Schritte für die Umsetzung des Widerrufs nötig sind. Dabei prüfen wir auch, ob die Kosten eines Rechtsstreits von der Rechtsschutzversicherung getragen werden oder ob eine Prozessfinanzierung in Frage kommt.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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