Widerrufsjoker: Das ist die richtige Vorgehensweise beim Widerruf eines Kredits
Die Uhr tickt: Nur noch wenige Monate haben Verbraucher Zeit, ihren Darlehensvertrag aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung zu widerrufen.
Denn der Gesetzgeber will ab Juni dem sogenannten Widerrufsjoker einen Riegel vorschieben. Umso wichtiger ist, jetzt die richtigen Schritte zu gehen. Wer einen Kredit aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrung widerrufen möchte, steht vor der Frage, wo er beginnen soll. Dabei ist es wichtig, keine Fehler zu machen und nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen zu wollen. Deshalb möchte ich Ihnen an dieser Stelle zeigen, in welcher Reihenfolge Sie die ersten Schritte machen sollten.
Schritt 1: Prüfung des Kreditvertrags
Zunächst sollten Sie prüfen lassen, ob das Darlehen für einen Widerruf in Frage kommt. Voraussetzung dafür ist, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Rund 70 Prozent aller Kredite, die zwischen 2002 und 2011 abgeschlossen wurden, weisen solche Fehler auf und sind daher angreifbar. Zwar gibt es im Internet mehrere Webseiten, die eine Selbstprüfung der Widerrufsbelehrungen ermöglichen. Ich warne jedoch davor, sich ausschließlich auf eine eigenständige Prüfung zu verlassen. Stattdessen sollte diese immer durch einen Anwalt erfolgen, zum Beispiel mithilfe der IG Widerruf (www.widerruf.info) oder einer spezialisierten Anwaltskanzlei. Der Grund dafür ist folgender: Im Rahmen dieser Ersteinschätzung sollten Sie mit dem Anwalt auch besprechen, welche konkrete Vorgehensweise sich in ihrem Fall empfiehlt. Idealerweise erfahren Sie auch, welche Reaktion von Ihrem Kreditinstitut auf einen Widerruf zu erwarten ist. In der Regel kann man zumindest bei größeren Kreditinstituten absehen, ob eine Kompromissbereitschaft besteht oder nicht, siehe auch die entsprechenden Blogbeiträge auf der Website der IG Widerruf.
Schritt 2: Prüfung Rechtsschutzversicherung
Ergibt diese Ersteinschätzung, dass der eigene Kreditvertrag widerrufbar ist, dann sollte als nächstes die Prüfung einer Kostenübernahme durch die Rechtschutzversicherung erfolgen. Ist die finanzierte Immobilie nicht als Neubau erworben worden und zudem selbst genutzt, dann stehen die Chancen gut, dass die Kosten für das juristische Vorgehen von der Rechtsschutzversicherung zu tragen sind. Selbst wenn Sie noch keine Rechtsschutzversicherung haben, ist es in diesem Fall noch möglich, eine Police abzuschließen. Aber Vorsicht: Etliche Rechtsschutzversicherungen haben genau diese Vorgehensweise durch eine Änderung ihrer Rechtsschutzbedingungen in den vergangenen Monaten ausgeschlossen. Welche Policen immer noch infrage kommen, erfahren Sie im Blog den IG Widerruf.
Schritt 3a: Mit Rechtsschutzversicherung - eigenständiger Widerruf und Mandatierung des Anwalts
Der nächste Schritt ist abhängig davon, ob Sie den Fall über eine Rechtsschutzversicherung abwickeln können. Ist dies der Fall, so müssen Sie zunächst eigenständig gegenüber der Bank den Widerruf des Darlehens erklären. Das ist nicht weiter kompliziert. Sie können dazu beispielsweise das Musterschreiben der IG Widerruf benutzen, das sie auf unserer Website finden. Dieses Widerrufsschreiben wird von den Kreditinstituten in aller Regel zurückgewiesen. Das ist völlig normal. Lassen Sie sich nicht von den Argumenten verunsichern, die ihre Bank dabei benutzt (rechtsmissbräuchliches Handeln, Verstoß gegen Treu und Glauben, etc.). Das sind alles Nebelkerzen, die Sie davon abhalten sollen, Ihr gutes Recht in Anspruch zu nehmen.
Die Ablehnung der Bank stellt den Schadensfall dar, den sie für die Rechtsschutzversicherung benötigen. Sie können den Fall nun also einem Anwalt übergeben, der seinerseits die Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung einholen wird. Wir empfehlen, diese Verhandlung mit der Rechtsschutzversicherung nicht selbst zu führen, sondern dem Anwalt zu überlassen. Üblicherweise ist das ein kostenloser Service des Anwalts, zumindest ist das bei den Kooperationsanwälten der IG Widerruf so. Leider drücken sich einige Rechtsschutzversicherungen davor, die Kosten bei einem Kreditwiderruf zu übernehmen. Daher sollte der Anwalt diese Verhandlungen führen, damit der auch mit der nötigen Sachkenntnis und dem nötigen Nachdruck auf eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung beharren kann. Ist diese erfolgt, so kann der Anwalt tätig werden ohne dass Sie ein Kostenrisiko haben. In der Regel wird er zunächst außergerichtlich aktiv, indem er die Bank anschreibt, die Fehler im Kreditvertrag aufzeigt und eine Rückabwicklung des Kredits fordert. Häufig lässt sich bereits aufgrund eines solchen fachmännischen Schreibens ein vernünftiger Vergleich mit der Bank erzielen. Bringt dieses Vorgehen jedoch kein befriedigendes Ergebnis, weil das Kreditinstitut nicht kompromissbereit ist, so muss im weiteren Verlauf eine Klage erwogen werden.
Schritt 3b: Ohne Rechtsschutzversicherung: Anwalt oder Prozessfinanzierung?
Greift keine Rechtsschutzversicherung, so stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen. Natürlich können Sie auch hier ihre Bank anschreiben (oder ansprechen) und den Widerruf eigenständig erklären. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass dies in den allermeisten Fällen nichts bringen wird. Die Kreditinstitute reagieren zumeist nur dann, wenn ein Anwalt eingeschaltet wird und der Kunde damit zeigt, dass er gewillt ist, die Sache mit dem nötigen Ernst zu verfolgen.
Wenn es um die Beauftragung des Anwalts geht, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie zahlen den Anwalt selbst oder Sie arbeiten mit einem Streit- bzw. Prozessfinanzierer zusammen. Selbst die Kosten zu übernehmen, ist in der Regel nur dann sinnvoll, wenn Ihr Kreditinstitut als kompromissbereit bekannt ist. Dann lässt sich eine deutliche Reduktion der Zinsen mit überschaubarem (Kosten-) Aufwand erreichen. Eine Gerichtsklage aus eigener Tasche zu finanzieren, ist dagegen nur in den seltensten Fällen zu empfehlen. Hier geht das Kostenrisiko schnell in den fünfstelligen Bereich, sodass man schon sehr streitfreudig sein muss, um einen solchen Fall auf eigene Faust durchzuziehen.
Die Alternative dazu ist die Zusammenarbeit mit einem sogenannten Streit- oder Prozessfinanzierer. Der Streitfinanzierer übernimmt die Kosten für ein außergerichtliches Vorgehen des Anwalts, der Prozessfinanzierer zahlt für eine komplette Klage vor Gericht. In beiden Fällen gilt: Sie vermeiden ein Kostenrisiko. Geht der Fall verloren, so müssen Sie nichts bezahlen. Gelingt jedoch eine Einigung, mit der sie Geld sparen, dann müssen Sie einen Teil dieser Ersparnis abgeben. Es handelt sich also um ein klassisches Erfolgshonorar, das in der Regel zwischen 30 und 40 Prozent liegt.
Fazit: Individuelles Vorgehen nötig
Sie sehen also, dass der Weg zum Widerruf eines Darlehens sehr individuell ist. Deshalb ist es wichtig, sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt einen erfahrenen Partner an die Seite zu holen. Dazu kommt, dass die Zeit für einen Widerruf von Krediten, die bis Juni 2010 abgeschlossen wurden, immer knapper wird. Der Gesetzgeber plant eine neue Regelung, die einen Widerruf voraussichtlich ab Juni 2016 unmöglich machen wird. Wollen Sie also die Chance eines Widerrufs nutzen, sollten Sie jetzt mit Hilfe der IG Widerruf (www.widerruf.info) aktiv werden.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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