Private Krankenversicherung

Großer Test: Welche PKV am meisten fürs Geld bietet

aktualisiert 18.06.19 17:13 Uhr

Private Krankenversicherungen kosten seit Jahresanfang erheblich mehr. Zugleich bieten sie oft bessere Leistungen. €uro zeigt, wer Rundumschutz mit akzeptablen Prämien kombiniert.

von Martin Reim, Euro am Sonntag

Der Urknall ist vorbei und die Rauchschwaden lichten sich. Seit 21. Dezember 2012 müssen auch in der privaten Krankenversicherung (PKV) bei Neuverträgen die Prämien für Männer und Frauen gleich sein. Ergebnis: eine komplette Umwälzung der Tarife. Die Beiträge sind im Schnitt um 20 Prozent teurer geworden, schätzt Gerd Güssler, Geschäftsführer des Informationsdienstleisters KVpro. "Dafür bieten sie aber auch einiges mehr, beispielsweise bei Psychotherapie, Hilfsmitteln wie Prothesen und Zahnleistungen wie Inlays."

€uro hat gemeinsam mit KVpro untersucht, welche Policen nun für Neukunden empfehlenswert sind. Getestet wurden dabei lediglich Tarife mit umfassenden Leistungen - in der Autosprache ausgedrückt also die Mercedes-S-Klasse der Branche. Hintergrund: "Wer zu geizig ist und zu wenig zahlt, zahlt am Ende drauf", warnt Experte Güssler. Das gilt vor allem wegen hoher Zuzahlungen im Leistungsfall oder eingeschränkten Optionen, wenn man den Tarif wechseln will. So haben die billigen Einsteigertarife, die eine Zeitlang von Gesellschaften und Vermittlern intensiv angeboten wurden, oft solche Lücken, dass man von einem umfassenden Schutz nicht mehr sprechen kann.

Drei Kategorien. Innerhalb dieser Top-Schutzofferten haben wir drei Kategorien, je nach Umfang der jährlichen Selbstbeteiligung, gebildet. Die Tabelle 1 (siehe unten) zeigt die Besten der Besten (und oft auch die teuersten), bei denen der Kunde keine feste Maximalsumme pro Jahr draufzahlen muss. Die darunter aufgeführte Version (Tabelle 2) enthält Tarife mit einem jährlichen Selbstbehalt von maximal 1.000 Euro. In Tabelle 3 sind Tarife aufgeführt, deren Selbstbehalt über diesem Wert liegt. Achtung: Ein hoher Selbstbehalt bedeutet nicht, dass Kunden auch bei starker Nutzung des Tarifs automatisch viel zuzahlen müssen. Weil nur die leistungsstärksten Tarife untersucht wurden, sind viele Leistungen komplett inklusive.

Für Angestellte ist es leichter tragbar als für Selbstständige, Produkte mit geringem Selbstbehalt und entsprechend hohen Beiträgen zu kaufen. Denn der Arbeitgeber beteiligt sich an den Prämien, der Nettobeitrag des Arbeitnehmers liegt also weit unter dem in der Tabelle genannten Beitrag.

Selbstständige wählen in der Regel einen höheren Selbstbehalt, denn sie bekommen keinen Zuschuss durch den Arbeitgeber. Wichtig: Beide Berufsgruppen profitieren vom Bürgerentlastungsgesetz, das seit 2010 gilt. Demnach können privat und gesetzlich Versicherte einen Großteil ihrer Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von der Steuer absetzen. Das kommt vor allem privat versicherten Familien mit Kindern zugute.

Lohnt sich also der Wechsel in einen neuen, geschlechtsneutral kalkulierten Tarif (sogenannte Unisexlösung) auch für Kunden mit einem alten, nach Geschlecht unterschiedlich kalkulierten Vertrag (Bisexlösung)? "Für Bestandskunden gilt der Satz ,Upgrade geht immer, Downgrade geht nimmer‘", sagt Güssler. Der Verbraucher hat, je nach Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, innerhalb seiner Gesellschaft teils komfortable Wechselmöglichkeiten. Oder er kann in die neue Unisexwelt wechseln. Dabei werden seine erworbenen Rechte und Pflichten voll angerechnet. Es geht nichts verloren, es geht jedoch auch nicht mehr zurück.

Generell gilt laut Güssler: "Die PKV ist mit den Unisexprodukten tendenziell besser geworden. Neue Kunden haben weniger, aber qualitativ hochwertigere Produkte zur Auswahl." Die Entscheidungskriterien für oder gegen einen bestimmten Tarif seien jedoch unverändert. "Kaufe nach Leistung - also nach dem, was individuell und existenziell notwendig ist. Erst dann sollte der Preis kommen." Anschließend sei anzuraten, den Vergleich mit den leistungsmäßig auf gleichem Niveau befindlichen Alternativen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu ziehen.

Wechsel ab 4.350 Euro. Grundsätzlich ist zu bedenken: Wer in die PKV umsteigen kann und will, sollte sich vor einem Schnellschuss hüten und stattdessen die aktuellen Angebote kritisch unter die Lupe nehmen. Da sind zunächst die systembedingten Unterschiede. Arbeitnehmer können sich derzeit erst ab einem Bruttoeinkommen von monatlich 4.350 Euro privat versichern.

Der Wechsel vom umlagefinanzierten gesetzlichen Kassensystem zur kapitalgedeckten privaten Versicherung ist verlockend. Neben kurzfristig günstigeren Beiträgen haben Privatversicherte die Aussicht, langfristig besser und nachhaltiger versorgt zu werden. Während die Politik die Leistungen der gesetzlichen Kassen jederzeit kürzen kann, gelten in der PKV die vereinbarten Leistungszusagen während der gesamten Vertragslaufzeit. Um das garantieren zu können, arbeitet die private Assekuranz mit versicherungsmathematischen Modellen, die neben dem Alter auch die individuelle Krankengeschichte und die vereinbarten Leistungen berücksichtigen.

Die Leistungen spielen nicht nur bei der Kalkulation, sondern auch im Wettbewerb der privaten Krankenversicherer eine wichtige Rolle. Daher kamen die essenziellen 24 Leistungspositionen für den €uro-Versicherungscheck auf den Prüfstand. Die Auswertungen zeigen, dass Versicherer hohe Risiken möglichst meiden, geringe Risiken dagegen gern als Leistungshighlight herausstellen. "Eine Erstattung für Sehhilfen in Höhe von 200 Euro lässt sich - vor allem bei Brillenträgern - leicht als gute Leistung verkaufen, belastet die Kalkulation des Versicherers jedoch wenig", sagt Güssler.

Viel wichtiger, weil extrem teuer, sei dagegen eine gute Leistung bei psychotherapeutischen Behandlungen und im Zahnbereich, beispielsweise bei Implantaten. Eine detaillierte Analyse der Einzelergebnisse empfiehlt sich daher vor jedem Vertragsabschluss. Anhand der Resultate sollte auch geprüft werden, ob bei Familien alle Verträge bei einem Versicherer oder - optimiert - bei unterschiedlichen Anbietern geschlossen werden sollten.

Neben diesen Überlegungen innerhalb des PKV-Systems stellt sich immer auch die Frage, ob sich der Wechsel von der Gesetzlichen in die Private auch auf lange Sicht überhaupt lohnt. Trotz der Aussicht auf mehr Leistung sollte jeder Wechselwillige die Risiken bedenken. Denn grundsätzlich gilt: einmal privat versichert, immer privat versichert. Der Weg zurück in den Schoß des Volkskrankenschutzes ist verbaut, es sei denn, man rutscht mit seinem Monatseinkommen unter die Summe von 4.350 Euro.

Persönliche Risiken. Riskant kann es auch werden, wenn sich etwas im persönlichen Umfeld ändert, der Versicherte heiratet oder Nachwuchs bekommt. In solchen Fällen bieten die gesetzlichen Kassen das Schmankerl der beitragsfreien Familienversicherung. Da kann die PKV nicht mithalten: Hier ist für jedes Familienmitglied ein separater Vertrag abzuschließen. Und auch wenn der Versicherte berufsunfähig geworden ist, muss er die Prämien für die Private weiterzahlen. Daneben ist das Risiko steigender Beiträge im Alter zu berücksichtigen. Eine Untersuchung von KVpro zeigt, dass sich die privaten Versicherer keineswegs von steigenden Kosten in der Gesundheitsbranche abkoppeln können.

Ein weiteres Problem der privaten Krankenversicherung haben wir in der Auswertung berücksichtigt: die sinkenden Marktzinsen. Sie wirken verheerend auf die Rücklagen der Gesellschaften. Denn die Mittel werden zum Großteil in Anleihen angelegt, und hier gehen die Renditen seit Jahren nach unten.

Durch die niedrigeren Erträge aus den Kapitalanlagen mussten bereits einige Krankenversicherer den sogenannten Rechnungszins reduzieren. Hintergrund: Der Rechnungszins zeigt, wie tief die Verzinsung der Kapitalanlagen maximal sinken darf, um die Prämien noch konstant zu halten. Rutscht die Marktrendite unter diesen Wert, muss auch der Rechnungszins sinken, und in der Folge steigen dann die Prämien. Die in den Tabellen auf den folgenden Seiten genannten Unternehmenskennzahlen geben einen Hinweis darauf, wie wahrscheinlich solche Rechnungszins-Absenkungen zumindest im laufenden Jahr sind - je höher die Punktzahl, umso besser für den Kunden. 

Tarifwechsel
Nur nicht einschüchtern lassen

Wenn Preis oder Leistung nicht stimmen, kann es sich lohnen, in einen anderen Tarif zu wechseln. Das ist für manche praktisch. Für viele Versicherte ist es jedoch die Notbremse, um ...
... aus einem unter anderen Vorzeichen abgeschlossenen Einsteiger- oder Billigtarif zu Privatpatient-gerechten Leistungen zu kommen.
... aus einem immer teureren Tarif in einen - bei vergleichbaren Leistungen - günstigeren Tarif zu wechseln.
Die Zauberformel für das Wechselrecht steht im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), Paragraf 204. Demnach kann jeder Kunde von seinem Versicherer den Wechsel in einen anderen Tarif mit gleichem Leistungsumfang verlangen.Bereits erworbene Rückstellungen bleiben erhalten.

Doch Vorsicht: Versicherer mauern gern, wenn ein Versicherter wechseln will. Der Versicherer ist aber bei jeder Beitragserhöhung verpflichtet, auf das Wechselrecht hinzuweisen. Bei Versicherten, die das 60. Lebensjahr überschritten haben, muss er sogar geeignete Wechseltarife nennen.
Verläuft der Umstieg innerhalb leistungsähnlicher Tarife oft mehr oder weniger problemlos, ziehen Versicherungsgesellschaften beim Wechsel in einen leistungsstärkeren Tarif gern die Notbremse.
Patienten sollten notfalls auf einige Leistungen verzichten. Oft müssen sie höhere Prämien zahlen und manchmal mit Risikoausschlüssen rechnen.
Lassen Sie sich nicht abwimmeln, bestehen Sie auf einer schriftlichen Stellungnahme und beschweren Sie sich gegebenenfalls beim Ombudsmann der Privaten Krankenversicherung: (www.pkv-ombudsmann.de), Postfach 06 02 22, 10052 Berlin.

So lesen Sie die Tabellen (pdf)
Tabelle 1 Tarife ohne Selbstbeteiligung (pdf)
Tabelle 2 Tarife bis 1000 Euro Selbstbeteiligung (pdf)
Tabelle 3 Tarife über 1000 Euro Selbstbeteiligung (pdf)