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Policen-Verkauf: "Viele überschätzen den Aufwand"

25.11.17 08:00 Uhr

Policen-Verkauf: "Viele überschätzen den Aufwand" | finanzen.net
Ingo Wichelhaus

Lebensversicherungs-Kunden ist häufig unbekannt, dass es beim Verkauf ihrer Policen eine Alternative zur Rückgabe an die Gesellschaft gibt. Zweitmarkt-Experte Ingo Wichelhaus erklärt die Details.

von Stefan Rullkötter, €uro am Sonntag

€uro am Sonntag: Jede zweite der 94 Millionen Lebensversicherungen in Deutschland wird vorzeitig gekündigt. Rund 80 Prozent Kunden wissen aber nicht, dass es bereits seit 17 Jahren einen Zweitmarkt für diese Policen gibt. Was sind die Gründe?
Ingo Wichelhaus: Noch immer gibt es selbst viele Vermittler und Makler, die ihre Kunden nicht auf die Möglichkeit des Verkaufs der Lebensversicherung hinweisen. Dabei gibt es keine bessere Alternative, wenn schnell und sicher Liquidität benötigt wird. Eine Kündigung bringt Verluste, ein Widerruf dauert mitunter Jahre. Offenbar überschätzen auch noch viele Kunden den Aufwand eine Verkaufs.

Was tut Sie als Vorstand des Bundesverband Vermögensanlagen
im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL), um diese Verkaufs-Alternative bekannter zu machen?

Ein starker Fokus unserer Arbeit liegt nach wie vor auf der Erhöhung des Bekanntheitsgrades. Deshalb setzt sich der BVZL seit Jahren auch politisch dafür ein, dass Versicherer auf die Möglichkeit des Verkaufs hinweisen müssen.

Erwarten Sie dabei von der nächsten Bundesregierung Hilfe?
Wir werden sehen, welche Prioritäten die neue Bundesregierung hier setzt und ob bei der Überarbeitung des Lebensversicherungsreformgesetzes diese Idee hier mehrheitsfähig ist. sWir veranstalten Kongresse und nicht zuletzt engagieren sich auch unsere Mitgliedsunternehmen öffentlich für mehr Verbraucherschutz und Transparenz.

Wie sind derzeit die Rahmenbedingungen für den Lebensversicherungs-Zweitmarkt?
Mit 12,4 Milliarden Euro ist das Stornovolumen im vergangenen Jahr noch einmal deutlich zurückgegangen. Das Produkt Lebensversicherung besitzt auch dank weiter robustem Neugeschäft breites Ansehen. 30 Prozent der Deutschen vertrauen laut aktueller Forsa-Umfrage weiter dieser traditionellen Altersvorsorge. Trotzdem beobachten wir, dass jede zweite Police über die Laufzeit gekündigt wird. Das Ankaufsvolumen konnten die BVZL-Mitgliedsunternehmen 2016 auf 275 Millionen Euro steigern, (2015 lag es noch bei 175 Millionen Euro. Der deutsche Zweitmarkt erfährt damit eine deutliche Belebung. Dennoch landen lediglich 2,2 Prozent der stornierten Policen damit im Zweitmarkt. Die Quote ist deutlich ausbaufähig.

Welche Policen kommen grundsätzlich für den deutschen LV-Zweitmarkt in Frage?
Die Ankaufbedingungen sind klar: grundsätzlich geeignet sind klassische Lebensversicherungspolicen mit einem Rückkaufswert von mindestens 10 000 Euro. Nicht ankaufbar sind Direktversicherungen der betrieblichen Altersversorgung sowie Risikolebensversicherungen.

Gilt das auch für Fondspolicen?
Fondsgebundene Policen oder solche, die einen geringeren Rückkaufswert aufweisen, können beliehen werden. Unter Umständen kommt aber auch ein sogenannter Verkauf mit Rückerwerbsoption in Frage. Hier behält der Kunde die volle Flexibilität, behält Zusatzschutz wie Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen und zahlt darüber hinaus während der Laufzeit weder Zins noch Tilgung.

Wie entwickeln sich derzeit die Ankaufspreise für gebrauchte Lebensversicherungen?
Im Schnitt erzielen Verkäufer drei bis fünf Prozent über dem aktuellen Rückkaufswert bei sehr hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Police angekauft wird. Gebrauchte Lebensversicherungen sind aktuell so gefragt, dass sie sich längst zu einem attraktiven Investment für sicherheitsorientierte Anleger entwickelt haben.

Wie sehen die Zweitmarktanbieter die Entwicklung der Finanzstärke bei den Erstversichern?
Die aktuellen Solvenzberichte bestätigen trotz aller Startschwierigkeiten das Bild, das die Aufsichtsbehörde BaFin von den deutschen Lebensversicherern hat. Sämtliche Unternehmen sind aktuell in der Lage, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Bei welchen Versicherern sollte man genau hinsehen?
Insbesondere die Unternehmen mit hohen Garantieverpflichtungen gilt es, im Auge zu behalten. Immerhin 21 Unternehmen benötigen hier regulatorische Übergangsmaßnahmen. Die neuen Transparenzpflichten zu den Solvenzberichten und Solvenzquoten werten wir als ersten wichtigen Schritt, genau wie die gesetzlichen Neuregelungen bei den Standmitteilungen.

Große Anbieter wie Ergo wollen sich von ihren LV-Policenbeständen trennen - ein sogenannter Run Off. Hat das nur Folgen für die Kunden oder auch für die Zweitmarkt-Anbieter?
Wichtig in diesem Zusammenhang ist: noch ist nichts passiert, die Versicherungsaufsicht hat noch nicht einmal einen Antrag zur Übernahme erhalten. Unsere Mitglieder vertrauen hier der BaFin. Wenn es tatsächlich zum Verkauf kommen sollte, muss die Aufsicht ein waches Auge auf den Verkauf der Lebensversicherungsbestände haben. Auch BVZL-Mitglieder haben ein Interesse daran. Denn sie besitzen derartige Altverträge und vertreten damit die Kundenseite. Die aktuelle Meldungslage stellt indes noch keinen Grund für eine vorzeitige Beendigung eines Altvertrags dar. Ein genauer Blick in die Verträge ist für Zweitmarktunternehmen obligatorisch und empfiehlt sich auch für Endkunden.

Derzeit sorgt aber auch der insolvente Zweitmarkt-Anbieter Treuk AG für Schlagzeilen der Versicherten versprochen hatte mehr aus den an sie abgetretenen Policen zu machen...
Es ist völlig richtig, dass die Presse über diesen Fall, bei dem Versicherte geschädigt werden, entsprechend berichtet. Nur würden wir uns wünschen, dass hier klarer differenziert wird zwischen "Policenkäufern" und Unternehmen, die am Pseudo-Zweitmarkt mit fragwürdigen Geschäftspraktiken am Werk sind.

Kurzvita

Ingo Wichelhaus ist seit 2010 Vorstand des Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) und Executive Director bei der EAA Portfolio Advisers. In seiner vorherigen Tätigkeit bei der WestLB AG hat er das deutsche Lebensversicherungs-Zweitmarktgeschäft mit aufgebaut.

Bildquellen: Joachim Schmidt-Dominé/BVZL e.V. , Debeka