Mit dem Schwarm ins Risiko

Crowdinvesting: Was beim Investieren in Unternehmen zu beachten ist

09.11.19 01:00 Uhr

Crowdinvesting: Was beim Investieren in Unternehmen zu beachten ist | finanzen.net

Schwarmfinanzierungen waren einst vor allem für Existenzgründer gedacht. Mittlerweile zeigt sich: Start-ups haben eher wenig davon. Warum das so ist.

von Ulrich Lohrer, Euro am Sonntag

Crowdinvesting zählt zu den am rasan­testen wachsenden Märkten. Wur­den 2011 gerade mal 1,4 Millionen Euro von Kleinanlegern über die Finanzierungsplattformen einge­sammelt, waren es voriges Jahr laut dem "Crowd­invest Markt­report 2018" immerhin 297 Millionen Euro. Ursprünglich sollten die Schwärme über Internetplattformen mit kleinen Anlage­beträgen bereits ab einem Euro vor allem Existenzgründer finanzieren.

In zahlreichen Fällen trug das dazu bei, dass neue Unternehmen auch längerfristig eine Erfolgsgeschichte schreiben konnten. So wurden seit 2012 über die Dresdner Plattform Seedmatch Firmen wie Jobrad (Dienstwagenprinzip für Fahrräder), Erdbär (vergleichsweise gesunde Snacks für Kinder) und Volocopter (Entwickler von Flugtaxis) via Crowd anschubfinanziert.

Produktemittenten profitieren davon, dass der Gesetzgeber bei der Schwarmfinanzierung im Vermögensanlagengesetz (Paragraf 2a VermAnlG) Ausnah­men von den strengen Regulierungen des Kleinanlegerschutzgesetzes er­laubt. Die Anbieter müssen lediglich ein Vermögensinformationsblatt (VIB) ver­fassen, aber keinen aufwendigen Prospekt erstellen. Diese Ausnahmen für die Crowd galten bislang aber nur für die Finanzierung mit Nachrangdarlehen oder paritätischen Darlehen bis 2,5 Millionen Euro. Sofern Kleinanleger keine Auskunft über ihre Vermögens-­ und Einkommens­situation abgaben, durften sie nicht mehr als 1.000 Euro je Beteiligung investieren.

2019 wurden die Anforderungen für das Crowdinvesting weiter gelockert. Seit dem 15. Juli können neben Nachrangdar­lehen und paritätischen Darlehen auch Genussrechte schwarmfinanziert werden. Die Prospektpflichtgrenze wurde von 2,5 Millionen auf sechs Millionen Euro angehoben, und Anleger, deren Vermö­gen 100.000 Euro übersteigt, können statt zuvor maxi­mal 10.000 Euro nun bis zu 25.000 Euro pro Beteiligung investieren.

Erhöhtes Verlustrisiko


Vor allem Verbraucherschützer haben diese Liberalisierung kritisiert. So bieten die über die Crowd finanzierten Nach­rangdarlehen den Anlegern im Fall ei­ner Insolvenz des Unternehmens wenig Schutz, da die oft erstrangig abgesicher­ten Darlehen von Banken im Insolvenz­fall zuerst zurückgezahlt werden. Noch riskanter ist aber die sehr seltene Beteiligung am Eigenkapital oder - häufiger - am eigenkapitalähnlichen Kapital ("Mezzanine­"), da auf dieses im Insolvenzfall vor den Darlehen zugegriffen wird.

Kritisiert wird aber auch, dass über die Crowdinvesting-Plattformen kaum Exis­tenzgründer und stattdessen vor allem Immobilienprojekte mit Nachrangdarle­hen finanziert werden. "Crowd­investing fördert mitnichten innovative Hightech­firmen. Es geht meist um das Vorgaukeln falscher Sicherheit durch die Werbung mit einem vermeintlichen Immobilien­investment", so Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg.

Tatsächlich wurden laut dem "Crowd­invest Marktreport 2018 Deutschland" von den im vergangenen Jahr bei Schwärmern eingesammelten 297 Millionen Euro al­lein 211 Millionen (71 Prozent) für Immobilienprojekte verwendet, aber nur 80 Millionen (27 Prozent) für Unternehmensfinanzierungen eingesetzt. Und unter den Unternehmensfinanzierungen ging nicht mal ein Viertel an Start-­ups - bei den restlichen ­Anteilen handelt es sich um Finanzierun­gen von bereits eta­blierten Wachs­tums­firmen sowie kleinen und mittel­ständischen Unternehmen (KMU).

Ein Grund für den hohen Immobilien­anteil im Crowdinvesting ist wohl die bis­lang geringe Zahl von Ausfällen oder von Fällen, bei denen noch nicht hinreichend klar ist, ob es zu einem Ausfall kommt. Der Anteil negativer Beispiele liegt hier bei nur 0,1 Prozent. Ganz anders sieht es bei der Finanzierung von Unternehmen aus. Die Quote von aus­gefallenen oder hinsichtlich Ausfall noch ungeklärten Investments beläuft sich bei Wachstumsunternehmen auf 5,7 Prozent. Bei KMU liefert die Statis­tik einen Anteil von 17,2 Prozent und bei den Start-­ups einen von 23,4 Prozent. Da­bei muss man wissen, dass sich bei über 71 Prozent der schwarmfinanzierten Start-ups und 93 Prozent der ebenso finanziell unterstützten Wachstums­unternehmen noch keine Aussage zu ihrem Erfolg tref­fen lässt. Denn die Anlageperiode ist noch nicht abgelaufen.

Bislang wurden unter den Crowd-invest­ments bei den KMU nur 5,9 Prozent des angelegten Gelds wieder zurückge­zahlt, bei den Start-ups vier Prozent und bei den Wachstumsunter­nehmen nur 1,3 Prozent. Dass noch längst nicht alle Einlagen zurückgezahlt wurden, trifft allerdings auch für die Immobilieninvestments zu. Es könnte also passieren, dass es bei Letz­teren noch zu einer höheren Ausfallquote kommt.

Über die Renditen, die Anleger mit ih­ren Crowdinvestments erzielten, infor­mieren die Portale und Unternehmen in der Öffentlichkeit kaum. Bei den Eigen­kapital- (EK) oder Mezzanineinvestments erfahren die Anleger die Ergebnisse erst nach einem vertraglich ­vereinbarten Rückzahlungstermin oder einem vorzeitigen "Exit". Mit Letzterem ist zum Beispiel gemeint, dass ein ­Venture-Capital-Fonds die Anteile der Crowdinvestoren aufkauft.

Lars Hornuf, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Bremen, wertet seit 2011 verfügbare Informationen zu Schwarmfinanzierungen aus. Vor drei Jahren ermittelte er die Ergebnisse von Crowdportalen wie Companisto, Innovestment und Seedmatch bei der Start-up-Finanzierung. Das ernüchternde Fazit seinerzeit: "Wer von 2011 bis Ende 2015 über die Crowd in Start-ups investierte, der machte im Durchschnitt einen Verlust von 23 Prozent", so Hornuf. Neuere Zahlen wurden bislang nicht veröffentlicht.

ETFs - die Alternative zur Crowd


Auch das Verhältnis zwischen bereits zurückgezahlten und ausgefallenen Investments legt die Vermutung nahe, dass deutsche Crowdinvestments eher riskant und nicht für jedermann geeignet sind. Wer hier investiert, sollte sich dessen bewusst sein und für Schwarmfinanzierungen nur einen kleineren Teil seines Vermögens vorsehen. Interessenten können ihre Crowdinvestments über Plattformen tätigen, die sich auf Unternehmensfinanzierungen spezialisiert haben (siehe Tabelle unten). Die größten Vermittler von Mezzanine- und Eigenkapital waren 2018 Kapilendo, Companisto, GLS Crowd und Seedmatch. Kredite an Unternehmen vermittelten die Plattformen Funding Circle und Kapilendo.

Mögliche Alternative für Kleinanleger, die in Start-ups oder allgemein in Private Equity investieren, aber nicht so hohe Risiken eingehen wollen: Sie können sich an entsprechenden Fonds beteiligen. So bietet iShares einen ETF auf den S & P Private Equity Index an, der die Wertentwicklung von Private-­Equity-Beteiligungsfirmen wie Black­stone oder KKR widerspiegelt. Andere ETFs auf Private Equity werden von ­Xtrackers und Lyxor angeboten. Nachteil dabei: Eine Begrenzung auf deutsche Start-ups ist mit solchen Anlagen nicht gegeben. Dafür müsste es dann doch ein Crowdinvestment sein, das im Idealfall die Erfolgsgeschichte eines Unternehmens auslöst.

Unternehmensfinanzierungen über die Crowd (pdf)






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