Crowdinvesting: Was beim Investieren in Unternehmen zu beachten ist
Schwarmfinanzierungen waren einst vor allem für Existenzgründer gedacht. Mittlerweile zeigt sich: Start-ups haben eher wenig davon. Warum das so ist.
von Ulrich Lohrer, Euro am Sonntag
Crowdinvesting zählt zu den am rasantesten wachsenden Märkten. Wurden 2011 gerade mal 1,4 Millionen Euro von Kleinanlegern über die Finanzierungsplattformen eingesammelt, waren es voriges Jahr laut dem "Crowdinvest Marktreport 2018" immerhin 297 Millionen Euro. Ursprünglich sollten die Schwärme über Internetplattformen mit kleinen Anlagebeträgen bereits ab einem
Euro vor allem Existenzgründer finanzieren.
In zahlreichen Fällen trug das dazu bei, dass neue Unternehmen auch längerfristig eine Erfolgsgeschichte schreiben konnten. So wurden seit 2012 über die Dresdner Plattform Seedmatch Firmen wie Jobrad (Dienstwagenprinzip für Fahrräder), Erdbär (vergleichsweise gesunde Snacks für Kinder) und Volocopter (Entwickler von Flugtaxis) via Crowd anschubfinanziert.
Produktemittenten profitieren davon, dass der Gesetzgeber bei der Schwarmfinanzierung im Vermögensanlagengesetz (Paragraf 2a VermAnlG) Ausnahmen von den strengen Regulierungen des Kleinanlegerschutzgesetzes erlaubt. Die Anbieter müssen lediglich ein Vermögensinformationsblatt (VIB) verfassen, aber keinen aufwendigen Prospekt erstellen. Diese Ausnahmen für die Crowd galten bislang aber nur für die Finanzierung mit Nachrangdarlehen oder paritätischen Darlehen bis 2,5 Millionen Euro. Sofern Kleinanleger keine Auskunft über ihre Vermögens- und Einkommenssituation abgaben, durften sie nicht mehr als 1.000 Euro je Beteiligung investieren.
2019 wurden die Anforderungen für das Crowdinvesting weiter gelockert. Seit dem 15. Juli können neben Nachrangdarlehen und paritätischen Darlehen auch Genussrechte schwarmfinanziert werden. Die Prospektpflichtgrenze wurde von 2,5 Millionen auf sechs Millionen Euro angehoben, und Anleger, deren Vermögen 100.000 Euro übersteigt, können statt zuvor maximal 10.000 Euro nun bis zu 25.000 Euro pro Beteiligung investieren.
Erhöhtes Verlustrisiko
Vor allem Verbraucherschützer haben diese Liberalisierung kritisiert. So bieten die über die Crowd finanzierten Nachrangdarlehen den Anlegern im Fall einer Insolvenz des Unternehmens wenig Schutz, da die oft erstrangig abgesicherten Darlehen von Banken im Insolvenzfall zuerst zurückgezahlt werden. Noch riskanter ist aber die sehr seltene Beteiligung am Eigenkapital oder - häufiger - am eigenkapitalähnlichen Kapital ("Mezzanine"), da auf dieses im Insolvenzfall vor den Darlehen zugegriffen wird.
Kritisiert wird aber auch, dass über die Crowdinvesting-Plattformen kaum Existenzgründer und stattdessen vor allem Immobilienprojekte mit Nachrangdarlehen finanziert werden. "Crowdinvesting fördert mitnichten innovative Hightechfirmen. Es geht meist um das Vorgaukeln falscher Sicherheit durch die Werbung mit einem vermeintlichen Immobilieninvestment", so Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg.
Tatsächlich wurden laut dem "Crowdinvest Marktreport 2018 Deutschland" von den im vergangenen Jahr bei Schwärmern eingesammelten 297 Millionen Euro allein 211 Millionen (71 Prozent) für Immobilienprojekte verwendet, aber nur 80 Millionen (27 Prozent) für Unternehmensfinanzierungen eingesetzt. Und unter den Unternehmensfinanzierungen ging nicht mal ein Viertel an Start-ups - bei den restlichen Anteilen handelt es sich um Finanzierungen von bereits etablierten Wachstumsfirmen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU).
Ein Grund für den hohen Immobilienanteil im Crowdinvesting ist wohl die bislang geringe Zahl von Ausfällen oder von Fällen, bei denen noch nicht hinreichend klar ist, ob es zu einem Ausfall kommt. Der Anteil negativer Beispiele liegt hier bei nur 0,1 Prozent. Ganz anders sieht es bei der Finanzierung von Unternehmen aus. Die Quote von ausgefallenen oder hinsichtlich Ausfall noch ungeklärten Investments beläuft sich bei Wachstumsunternehmen auf 5,7 Prozent. Bei KMU liefert die Statistik einen Anteil von 17,2 Prozent und bei den Start-ups einen von 23,4 Prozent. Dabei muss man wissen, dass sich bei über 71 Prozent der schwarmfinanzierten Start-ups und 93 Prozent der ebenso finanziell unterstützten Wachstumsunternehmen noch keine Aussage zu ihrem Erfolg treffen lässt. Denn die Anlageperiode ist noch nicht abgelaufen.
Bislang wurden unter den Crowd-investments bei den KMU nur 5,9 Prozent des angelegten Gelds wieder zurückgezahlt, bei den Start-ups vier Prozent und bei den Wachstumsunternehmen nur 1,3 Prozent. Dass noch längst nicht alle Einlagen zurückgezahlt wurden, trifft allerdings auch für die Immobilieninvestments zu. Es könnte also passieren, dass es bei Letzteren noch zu einer höheren Ausfallquote kommt.
Über die Renditen, die Anleger mit ihren Crowdinvestments erzielten, informieren die Portale und Unternehmen in der Öffentlichkeit kaum. Bei den Eigenkapital- (EK) oder Mezzanineinvestments erfahren die Anleger die Ergebnisse erst nach einem vertraglich vereinbarten Rückzahlungstermin oder einem vorzeitigen "Exit". Mit Letzterem ist zum Beispiel gemeint, dass ein Venture-Capital-Fonds die Anteile der Crowdinvestoren aufkauft.
Lars Hornuf, Professor für Betriebswirtschaft an der Universität Bremen, wertet seit 2011 verfügbare Informationen zu Schwarmfinanzierungen aus. Vor drei Jahren ermittelte er die Ergebnisse von Crowdportalen wie Companisto, Innovestment und Seedmatch bei der Start-up-Finanzierung. Das ernüchternde Fazit seinerzeit: "Wer von 2011 bis Ende 2015 über die Crowd in Start-ups investierte, der machte im Durchschnitt einen Verlust von 23 Prozent", so Hornuf. Neuere Zahlen wurden bislang nicht veröffentlicht.
ETFs - die Alternative zur Crowd
Auch das Verhältnis zwischen bereits zurückgezahlten und ausgefallenen Investments legt die Vermutung nahe, dass deutsche Crowdinvestments eher riskant und nicht für jedermann geeignet sind. Wer hier investiert, sollte sich dessen bewusst sein und für Schwarmfinanzierungen nur einen kleineren Teil seines Vermögens vorsehen. Interessenten können ihre Crowdinvestments über Plattformen tätigen, die sich auf Unternehmensfinanzierungen spezialisiert haben (siehe Tabelle unten). Die größten Vermittler von Mezzanine- und Eigenkapital waren 2018 Kapilendo, Companisto, GLS Crowd und Seedmatch. Kredite an Unternehmen vermittelten die Plattformen Funding Circle und Kapilendo.
Mögliche Alternative für Kleinanleger, die in Start-ups oder allgemein in Private Equity investieren, aber nicht so hohe Risiken eingehen wollen: Sie können sich an entsprechenden Fonds beteiligen. So bietet iShares einen ETF auf den S & P Private Equity Index an, der die Wertentwicklung von Private-Equity-Beteiligungsfirmen wie Blackstone oder KKR widerspiegelt. Andere ETFs auf Private Equity werden von Xtrackers und Lyxor angeboten. Nachteil dabei: Eine Begrenzung auf deutsche Start-ups ist mit solchen Anlagen nicht gegeben. Dafür müsste es dann doch ein Crowdinvestment sein, das im Idealfall die Erfolgsgeschichte eines Unternehmens auslöst.
Unternehmensfinanzierungen über die Crowd (pdf)
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