Pflegepolicen: Raus aus der Pflegefalle
Immer mehr Deutsche werden pflegebedürftig - und schon heute reicht die gesetzliche Absicherung nicht aus. €uro hat die besten Zusatzpolicen herausgefunden.
von Martin Reim, Euro Magazin
Das Szenario wirkt düster. Laut Hochrechnungen soll die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2050 um 75 Prozent steigen. Wenn man einberechnet, dass der medizinische Fortschritt viele Pflegefälle wahrscheinlich verhindern wird, kommt immer noch ein Plus von knapp 50 Prozent heraus.
Egal wie man kalkuliert - die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung werden nach jetzigem Stand nicht genügen. Denn schon heute reichen sie nicht aus, um die Kosten zu decken. Um angesichts dieser Tatsache die Bevölkerung zur privaten Vorsorge zu motivieren, hat die damalige schwarz-gelbe Koalition vor drei Jahren den sogenannten Pflege-Bahr eingeführt. Die private Zusatzversicherung ist nach dem früheren Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) benannt. Für jeden Vertrag gibt es einen Zuschuss von fünf Euro pro Monat, wenn die Prämie mindestens zehn Euro beträgt. Problem: Die Absicherung ist auch inklusive Pflege-Bahr oft zu gering. So bekommen 60-Jährige, die jetzt einen Vertrag abschließen, üblicherweise lediglich 600 Euro im Monat, wenn sie schwerst pflegebedürftig sind. Deshalb sind sogenannte Kombi-Tarife empfehlenswert, bei denen Pflege-Bahr und eine ungeförderte Zusatzversicherung desselben Anbieters zusammengefasst sind. Hier bekommen Pflegebedürftige mehr.
€uro hat gemeinsam mit der Analysegesellschaft für Anlage-und Versicherungsprodukte die besten Angebote für beide Produktarten und je drei Altersstufen herausgefiltert. Ergebnis: In jeder Kategorie gibt es sehr gute Offerten. Beim Pflege-Bahr stechen HanseMerkur, R + V und Bayerische Beamtenkrankenkasse (BBKK) - Letztere hat identische Offerten mit der Union Krankenversicherung - mit jeweils durchgehender Bestnote hervor (siehe Seite 113 im Euro Magazin Nr. 6/2016). Einige dieser Policen sind auch über gesetzliche Kassen erhältlich, so kooperiert die DAK mit der HanseMerkur.
Bei den Kombi-Produkten erreichen nur LVM und DKV stets die Topbewertung (siehe Seite 114). Die Güte der Kombi-Tarife - gemessen an Prämienhöhe, Absicherung und Zusatzleistungen - ist sehr unterschiedlich und hängt stark vom Eintrittsalter des Versicherten ab. So kosten die besten Kombi-Tarife für einen 60-jährigen Neukunden mindestens 252 Euro je Monat. Jedoch garantieren sie bei Zuhause-Versorgung mindestens 3600 Euro, was zusammen mit den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung reichen sollte.
Generell gilt: Wer über einen Kombi-Tarif nachdenkt, sollte nachrechnen, in welchem Umfang er die zusätzliche Absicherung braucht. Denn wer während des Arbeitslebens pflegebedürftig wird, kann eventuell Leistungen aus der gesetzlichen Erwerbsunfähigkeits- oder der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung erwarten, vielleicht auch aus einer Unfallversicherung. Hinzu kommen im Rentenalter die gesetzliche Rente, oft private Zusatzversorgungen und finanzielle Rücklagen. "Eine Pflegezusatzversicherung ist häufig ein finanzieller Schutz für die Erben, nicht für einen selbst", meint deshalb der unabhängige Versicherungsmakler Helge Kühl.
Generell unterscheiden sich Pflege-Bahr-Policen und Kombi-Versicherungen in einem wichtigen Punkt: Laut Gesetz dürfen die Pflege-Bahr-Anbieter keine Gesundheitsfragen stellen, Risikozuschläge erheben oder bestimmte Leistungen ausschließen. Selbst wer schwer erkrankt ist, bekommt uneingeschränkten Schutz zum Einheitspreis. Bei den Kombi-Policen sollen Gesundheitsfragen dies ausschließen.
Risiken beim Pflege-Bahr. Die fehlende Gesundheitsprüfung macht den Pflege-Bahr für Kranke attraktiv, kann aber auf lange Sicht teuer für alle Bahr-Kunden werden. Denn falls sich viele Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen für den Pflege-Bahr entscheiden, steigen die Ausgaben und damit die Prämien. Diese sind nämlich nicht für die gesamte Laufzeit garantiert. Das ist übrigens auch bei Kombi-Policen so. Für beide Arten gilt: Gebremst wird ein Anstieg nur durch Rückstellungen, die in jüngeren Jahren des Versicherten gebildet und im Alter aufgelöst werden. Noch ein Argument dafür, Policen früh abzuschließen. Die Rückstellungen sind auch der Grund, weshalb die Wahl des richtigen Versicherers entscheidend ist: Wenn man den Anbieter wechselt, bleibt das Geld sowohl beim Pflege-Bahr als auch bei den Kombi-Tarifen im Unternehmen. Für den Kunden ist es also verloren.
Es gibt übrigens eine Möglichkeit, sich fixe Prämien zu sichern: die Pflegerentenversicherung. Diese hat den weiteren Vorteil, dass die Versicherung meist auch dann Geld zahlt, wenn der Kunde nicht bis Vertragsende seine Prämien überweist. Die Kehrseite der Medaille: Die Prämien sind im Vergleich zum Pflege-Bahr unverhältnismäßig hoch. Und es gibt keine staatliche Förderung. Dafür haben säumige Kunden beim Pflege-Bahr schnell ihren Anspruch auf Pflegeleistungen verwirkt.
So lesen Sie die Tabellen (PDF)
Im Überblick
Die besten Pflege-Bahr-Policen und Die besten Anbieter von Pflege-Bahr-Policen
Die besten Kombi-Policen und Die besten Anbieter von Kombi-Policen (PDF)
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