Finanzbildung gefragt

Jugend braucht Geldkompetenz

01.06.14 15:00 Uhr

Es müssen ja nicht gleich reißerisch gemachte TV-Sendungen wie "Raus aus den Schulden" mit Peter Zwegat sein, um aufzuzeigen, wie schnell auch sehr junge Menschen in der Schuldenfalle landen können.

von Michael Freytag, Gastautor bei Euro am Sonntag

Wenn digitale Bezahlmethoden immer mehr das klassische Bargeld ablösen, müssen der Umgang mit Geld und das richtige Gefühl dafür von jungen Menschen immer wieder neu erlernt werden. Denn durch die zunehmende Dematerialisierung schwindet die haptische Erfahrung, Geld in den Händen zu halten und aus den Händen zu geben. Früher konnten Kinder und Jugendliche miterleben, wie schnell sich das Portemonnaie beim Einkauf leert, doch dieser Lerneffekt bleibt schon heute weitgehend aus.

Es wird für junge Menschen immer schwerer, die Übersicht über ihre Finanzen zu behalten, weil sie im alltäglichen Leben nur noch mit einer Plastikkarte oder über die Eingabe des persönlichen Passworts bezahlen. Der bargeldlose Zahlungsverkehr macht aus Geld immer mehr eine rein virtuelle Größe. Neue digitale Zahlmethoden, zum Beispiel das Bezahlen via Smartphone, und die wachsende Bedeutung des E-Commerce mit Bezahlsystemen wie Paypal werden diese Entwicklung künftig noch weiter verstärken. Frühe Finanzbildung wird deshalb immer wichtiger. Denn wer keinen Bezug zu seinem Budget und seinen Ausgaben aufbauen kann, wird später große Schwierigkeiten haben, den Überblick über seine virtuellen Konten zu behalten.

Wehklagen über eine ach so verantwortungslose Jugend ist freilich fehl am Platz, denn junge Menschen gehen in aller Regel gewissenhaft und verantwortungsbewusst mit ihrem Geld um: Die Rückzahlungsquote für Kredite ist bei den 18- bis 24-Jährigen mit circa 97 Prozent erfreulich hoch. Dennoch fühlen sich Jugendliche und junge Erwachsene im Umgang mit finanziellen Angelegenheiten oft unsicher. Das wachsende und unübersichtliche Angebot an Bezahlweisen und die sinkenden Halbwertzeiten von Produktneuheiten überfordern viele.

Nur rund 30 Prozent der jungen Erwachsenen fühlen sich bei Finanzfragen gut informiert, zeigen jüngste Umfragen. Der nachlässige Umgang mit den eigenen Daten und die mangelnde Bereitschaft, sich zu informieren - nur sechs Prozent der 18- bis 24-Jährigen ­lesen beispielsweise im Internet die allgemeinen Geschäftsbedingungen -, erhöhen die Risiken zusätzlich. Dabei ist der Wissensbedarf bei Jugendlichen groß: Zwei Drittel der 15- bis 17-Jährigen wünschen sich mehr Informationen und Aufklärung in Finanzfragen.

Praxisorientierten Umgang
mit Finanzen fördern

Spätestens als Azubi oder mit Beginn des ­Studiums stehen Jugendliche vor der Herausforderung, ihre Finanzen selber regeln zu müssen. Mit dem ersten Gehalt, der ersten BAföG-Zahlung oder der monatlichen Unterhaltsleistung der Eltern steht ihnen plötzlich Geld zur Verfügung, das in dieser Höhe bislang nicht vorhanden war. Gleichzeitig wachsen Wünsche, die lange Zeit unerreichbar schienen - etwa nach der ersten Wohnung oder dem eigenen Auto. Umso wichtiger ist es, den richtigen Umgang mit Geld frühzeitig zu erlernen. Dies sollte fester Bestandteil der Schulausbildung sein. Entscheidend ist, die Jugendlichen nicht nur mit Informationen zu versorgen, sondern Zusammenhänge herzustellen und sie auch über mögliche Folgen ­ihres Handelns aufzuklären.

Die aktuelle PISA-Studie der OECD hat bei einem Großteil der 15-Jährigen mangelnde grundlegende Problemlösungsfähigkeiten im Alltag festgestellt: Allein zu wissen, wie es theoretisch geht, reicht nicht. Die Jugendlichen müssen Kompetenzen entwickeln, um ihr Wissen auch praktisch anwenden zu können. Über die Lehrpläne an den Schulen ­gelingt das offensichtlich (noch) nicht.

Genau an diesem Punkt setzt die Schufa mit ihrer Internetbildungsinitiative "WirtschaftsWerkstatt - Nimm deine Finanzen in die Hand" (www.wirtschaftswerkstatt.de) an. Sie unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene bei der Herausbildung eines starken Bewusstseins für den Umgang mit Finanzen im Alltag und möchte helfen, Unsicherheiten zu beseitigen und eigene Finanzkompetenzen auszubilden. Dabei stehen die Sensibilisierung für das eigene Handeln und der selbst gesteuerte Umgang mit den eigenen Daten im Mittelpunkt.

Das ist nur eine von vielen weiteren notwendigen Initiativen, die Jugendliche am Ende in die Lage versetzt, selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen, und hilft, all das zu erlernen, was bei der schulischen Ausbildung bislang leider oft nicht im Fokus steht: einen nachhaltigen Umgang mit Finanzen, der sich direkt in das echte Leben übertragen lässt.

Zur Person:

Michael Freytag, Vorstandschef
der Schufa Holding AG

Der gelernte Bankkaufmann hat Rechtswissenschaften studiert und promoviert. Seit November 2010 ist Freytag ­Vorstandsvorsitzender der Schufa Holding. Die Schufa - Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung - wurde 1927 als unabhängige ­Einrichtung in Berlin gegründet. Im Jahr 2000 wurden die Regional­gesellschaften und die Bundes-Schufa zur ­Holding verschmolzen. ­Zu den heutigen Aktionären zählen Spezialkreditinstitute, Sparkassen, Privatbanken, Genossenschaftsbanken sowie Handels­unternehmen und ­sonstige Dienstleister.