Eurokrise

Vermögensabgaben dürfen kein Tabu sein

22.12.12 06:00 Uhr

Hohe Privatvermögen sollten stärker belangt werden, um die Staatsschulden in Europa abzubauen, fordern die Gastautoren Stefan Bach und Gert G. Wagner. Allein Deutschland könnte so 170 Milliarden Euro einsammeln.

von Gert G. Wagner und Stefan Bach, Gastautoren von Euro am Sonntag

Den Staatsschulden in der Eurozone stehen hohe private Vermögen gegenüber, die in der Summe die Staatsschulden deutlich übersteigen. Das gilt für Deutschland ebenso wie für Griechenland, Spanien oder Italien. Deshalb macht es grundsätzlich Sinn, die Privatvermögen stärker heranzuziehen, um die Staatsschulden abzubauen.

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Und das nicht nur in Südeuropa: Im Zuge von Bankenrettungen und Konjunkturstimuli sind die deutschen Staatsschulden in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Sie machen aktuell etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, womit sie deutlich über den in den Maastricht-Kriterien festgelegten 60 Prozent liegen.

Realistisch betrachtet ist klar, dass ein Schuldenabbau in Deutschland und in Krisenländern nicht nur durch drastische Ausgabenkürzungen oder fantastische Wachstumsraten zu erreichen ist. Es müssen auch Steuern erhöht werden. Zumal hohe Investitionen in unser Bildungssystem und die öffentliche Infrastruktur anstehen und die Alterung der Bevölkerung die Sozial- und Gesundheitsausgaben steigen lassen wird.

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Abgabe könnte 170 Milliarden einbringen
In dieser Situation sollten höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen nicht tabu sein. Ferner hätte der Staat auch die Möglichkeit, seine Bürger zu zwingen, ihm Kredite zu Konditionen zu gewähren, die schlechter als die marktüblichen Bedingungen sind. Es gibt zahlreiche historische Beispiele für solche Zwangsanleihen. Auch eine einmalige Vermögensabgabe, deren Zahlung wie beim Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg über drei Jahrzehnte gestreckt würde, sollte man nicht grundsätzlich ausschließen — obwohl sie für Deutschland im Moment nicht nötig und auch nicht angezeigt ist.

Man kann berechnen, dass eine Abgabe von zehn Prozent auf alle Vermögen von mehr als einer halben Million Euro (pro Ehepaar also mehr als eine Million Euro) dem deutschen Staat insgesamt etwa 170 Milliarden Euro in die Kasse spülen würde. Das zeigen Rechnungen des DIW Berlin. Berücksichtigt ist dabei, dass kleine und mittlere Betriebe freigestellt würden, um die Wirtschaft nicht zu stark zu belasten. Betroffen wären nur etwa die reichsten 2,5 Prozent der Bevölkerung. Würde man den Freibetrag niedriger ansetzen, bei 250.000 Euro pro Person, könnte man rund 230 Milliarden Euro mobilisieren. Betroffen wären acht Prozent der deutschen Erwachsenen.

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Steuern und Abgaben auf Vermögen würden natürlich dazu führen, dass Reiche versuchen, ihr Geld so anzulegen, dass es vom deutschen Fiskus nicht erreicht wird. Dadurch entstehen sicherlich Mindereinnahmen und längerfristig auch gewisse Wachstumsverluste. Diese negativen Effekte und den Steuerwiderstand könnte man aber in Grenzen halten, indem man die Abgabe oder die Vermögensteuer über Jahre streckt und sie auf den Ertrag des Vermögens erhebt.

Eine einmalige Abgabe hätte dagegen den Vorteil, dass sich anders als bei einer Dauerabgabe die Besteuerungsgrundlage nicht ständig minimieren würde. Sie würde nach dem vorhandenen Vermögensbestand erhoben, der zu einem Stichtag in der Vergangenheit ermittelt und nicht mehr angepasst werden kann.

Nun kann man sagen, dass es ungerecht ist, Staatsschulden über Reichensteuern und Vermögensabgaben abzubauen. Doch die hohen Staatsschulden sind nur die Kehrseite der gewachsenen Privatvermögen. Man kann auch argumentieren, dass besonders Reiche von der Rettung des Finanzsystems und der Stabilisierung des Euro ­profitiert haben. Warum sollen sie deshalb nicht einen größeren Teil der Kosten für die Rettungsaktionen aufbringen? Zumal hohe Vermögen auch durch die niedrigere Besteuerung hoher Einkommen in den vergangenen Jahren gewachsen sind. Laut Zahlen der OECD hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in dieser Zeit ausgeweitet.

Vermögensteuern sind rechtlich zulässig
Rechtlich ist eine Vermögensteuer möglich. Die alte Vermögensteuer wurde ab 1997 ausgesetzt, weil die steuerliche Vermögensbewertung nicht mehr zeitgemäß war. Für eine Wiedereinführung stehen nun seit der jüngsten Erbschaftsteuer­reform hinreichend verkehrswertnahe Bewertungsverfahren zur Verfügung. Eine einmalige Vermögensabgabe ist rechtlich dagegen umstrittener. Aber die Nachkriegszeit hat gezeigt, dass sie juristisch und politisch machbar und wirtschaftlich verkraftbar ist. Klar ist aber: Ob der Gesetzgeber eine Vermögensabgabe oder eine Vermögensteuer will oder nicht, ist eine rein politische Entscheidung. Die Wissenschaft kann hier lediglich Ideen entwerfen und Modelle errechnen.

zu den Personen:

Gert G. Wagner ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor an der TU Berlin.
Stefan Bach ist Steuerexperte des DIW Berlin und Privatdozent an der Universität ­Potsdam.