Euro Magazin

Rechtschutz: Wenn das Zoffen teuer wird

03.01.16 03:00 Uhr

Rechtschutz: Wenn das Zoffen teuer wird | finanzen.net

Manche Prozesse sind extrem kostspielig. Eine Rechtsschutzversicherung kann davor schützen - und eine hohe Selbstbeteiligung die Prämien drücken.

von Uwe Schmidt-Kasparek, Euro Magazin

Eigentlich soll Musik ja erfreuen. Nachbarn sind da aber oft anderer Meinung. So auch der Lehrer Andreas Menzel (alle Namen geändert) aus einem Vorort von Bonn. Aus dem angrenzenden Haus der Familie Pauli ertönte nämlich immer häufiger ein Saxophon. Der Sohn übte mit dem neuen Instrument - nicht selten bei offenem Fenster. Der Nachbarschaftsstreit eskalierte. Am Ende stand die Klage auf Unterlassen der Ruhestörung. Tatsächlich stellte ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger fest: Die Musik ist zu laut. Die Paulis mussten alle Gerichtskosten zahlen.



Doch den Löwenanteil von 3500 Euro konnte sie sich von ihrer Rechtsschutzversicherung wiederholen, letztlich blieben an der Familie nur 500 Euro Selbstbeteiligung hängen. Eine solche Selbstbeteiligung bei Rechtsschutzpolicen ist vernünftig, denn sie reduziert den finanziellen Aufwand für den Streitschutz erheblich. Zudem hilft sie, Maß zu halten. Denn nicht jeder kleine Streit lohnt, ausgefochten zu werden. Beispiel: ein 1000-Euro-Blechschaden am Auto. Bei 500 Euro Selbstbeteiligung überlegt man sich zweimal, deswegen vor Gericht zu ziehen. Und auch aus einer übergeordneten Perspektive macht der Gang vor Gericht hier wenig Sinn. Denn bei drei Instanzen - also wenn der Streit bis zum Bundesgerichtshof getragen wird - ist mit Kosten von 2600 Euro rechnen. Das 2,6-Fache des Schadens …

Ganz anders liegt der Fall, wenn ein Mensch verletzt wird und für immer ein Invalide bleibt. Wird um eine Rente von 300 000 Euro gestritten, betragen die juristischen Kosten in der dritten Instanz - und bei solchen Werten ist das wahrscheinlich - schon über 85 000 Euro, wie der Prozessfinanzierer Roland Prozessfinanz vorrechnet. Honorare für Gutachter sind vielfach zusätzlich zu zahlen - und das auch noch vorab.


Zu Recht warnen Verbraucherschützer, dass solche Ausgaben einen Geschädigten in seiner Existenz bedrohen können. "Die Rechtsschutzversicherung kann ruhig eine hohe Selbstbeteiligung haben", sagt eine Sprecherin der Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten. Kleine Streitigkeiten könne der Kunde notfalls aus eigener Tasche tragen - oder er gibt in einem solchen Fall einmal klein bei. Das kann sinnvoll sein, um nicht als Streithansel angesehen zu werden.

Kündigung droht. Wer viele Schäden in der Rechtsschutzversicherung meldet, muss mit einer sogenannten außerordentlichen Kündigung rechnen. "Unter Umständen wird es dann schwierig, einen neuen Vertrag zu bekommen", warnt Johannes Brück, Vorstandsmitglied beim Bundesverband mittelständischer Versicherungs- und Finanzmakler.


Wer vom Versicherer gekündigt wird, kommt in die Anti-Betrugs-Datenbank der Branche namens HIS. Der neue Versicherer kann hier nachfragen und gegebenenfalls den Neukunden ablehnen. Zudem ist eine Rechtsschutzversicherung mit hoher Selbstbeteiligung güns­tiger, wie Vergleichsdaten des Analyse­hauses Innosystems aus Inning am Ammersee zeigen. Dabei wurden besonders leistungsstarke Tarife ausgewählt. So darf der Versicherer eine außerordentliche Kündigung nur nach zwei Schadensfällen in zwölf Monaten aussprechen.

Ebenfalls wissenswert: Die Selbstbeteiligung wird selbst dann nur einmal fällig, wenn aus einem Ereignis - etwa einer Jobkündigung - mehrere Rechtsschutzfälle entstehen. Und: Wer sich von einem Anwalt beraten lässt und dann gar nicht streitet, wird belohnt; die Selbstbeteiligung wird nicht fällig. Zudem sind außergerichtliche Verfahren vor Schieds- und Schlichtungsstellen mitversichert.

In unserem Vergleich waren bis zu 1000 Euro Selbstbeteiligung zugelassen. Doch ist diese wünschenswert hohe Summe nur bei der Rechtsschutz-Union, einer Tochtergesellschaft der Alten Leipziger, möglich. Alle anderen Anbieter liegen deutlich darunter. Die Tabelle zeigt, dass ohne Selbstbeteiligung die Jahresprämie teilweise fast doppelt so teuer ist. So verlangt die Degenia für ihren Classic-Tarif mit 500 Euro Eigenbeteiligung lediglich 192 Euro pro Jahr. Ohne Selbstbeteiligung soll der gleiche Schutz hingegen 360 Euro kosten.

Billigangebote, die weit unter den in der Tabelle genannten Prämien rangieren, sollte man genau prüfen. So gibt es einen Trend, dass einige Tarife nicht mehr im außergerichtlichen Bereich leisten. "So werden die Kunden in den Prozess gedrängt", warnt Arno Schubach, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Koblenz. Demgegenüber würden heute Rechtsanwälte oft eine außergerichtliche Klärung erreichen. Eine Möglichkeit, die bei Magertarifen vollständig entfalle. "Eine Rechtsschutzversicherung, die nicht die Kosten eines Anwaltes für die außergerichtliche Vertretung übernimmt, ist zudem sehr gefährlich", meint Schubach. Dies könne nämlich dazu führen, dass viele Kunden, um die eigenen Kosten gering zu halten, zunächst versuchen, die Sache in Eigenregie zu klären. "Dann passieren leicht Fehler, die den vollständigen Rechtsverlust zur Folge ­haben können", sagt Schubach.

Sehr hilfreich kann eine gute Rechtsschutzpolice übrigens beim Streit um eine private Berufsunfähigkeitsrente (BU) sein. Hier gibt es nach Erkenntnissen des Deutschen Anwaltvereins immer wieder Ärger, weil angeblich Vorerkrankungen bei Abschluss der Police nicht angegeben wurden. Daher rät Beatrix Hüller, Fachanwältin für Versicherungsrecht aus Bonn, mindestens ein Vierteljahr vor BU-Abschluss eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen - und zwar nicht bei dem späteren BU-Versicherer.
Für jede Lebenslage kann man Rechts­schutz übrigens nicht kaufen. Beim Erben und beim Bauen oder Kaufen von ­Immobilien ist er ausgeschlossen.

Bildquellen: Everett Collection / Shutterstock.com, ollyy / Shutterstock.com