Euro am Sonntag

Steuern: Rechnung ohne Fiskus gemacht?

26.03.16 03:00 Uhr

Steuern: Rechnung ohne Fiskus gemacht? | finanzen.net

Finanzbeamte durchforsten regelmäßig die Branchen, in denen überwiegend bar bezahlt wird. €uro am Sonntag zeigt, wie Prüfer arbeiten - und wie Unbescholtene unbehelligt bleiben.

von Peter Schweitzer, Euro am Sonntag

Von wegen, nur Bares ist Wahres. Zu viel Bargeld fördere den Betrug, sagen wichtige Stimmen der Finanzbranche. So überlegt die Europäische Zentralbank, den 500-Euro-Schein abzuschaffen. Immerhin hat er den zweithöchsten Gesamtwert aller Euro-Banknoten, wenn man den ganzen Umlauf zusammenzählt. Und das Bundesfinanzministerium denkt über Höchstgrenzen für Bargeldgeschäfte nach.



Letztere Meldung zeigt deutlich, dass der Fiskus den klassischen Barzahlungsbranchen mit einigem Misstrauen begegnet. Die Steuerbehörden scheinen Friseuren, Gebrauchtwagenhändlern und vor allem Gastronomen gern mal zu unter­stellen, dass ein Großteil der Umsätze in der Hosentasche statt in der Firmenkasse landet.

Offenbar häufig zu Recht: Zahlreiche Betriebs- oder Steuerfahndungsprüfungen bringen der Staatskasse oft hohe zusätzliche Summen ein. Doch was ist das Geheimnis der Betriebsprüfer? Wie kommen sie Steuersündern auf die Schliche? Schließlich denkt doch fast jeder Unternehmer, er habe alle Spuren verwischt.


"Häufigstes Problem ist die Raffgier, das Bedürfnis nicht nur einzelne Umsätze zu verschweigen, sondern die Gewinne noch weiter zu drosseln", erklärt die Betriebsprüferin Helga Schubert (sämtliche Namen geändert). Wer hundert Rollen Alufolie kauft, um Mitnahmegerichte zu verpacken, aber angeblich nur 200 Portionen außer Haus verkauft hat, fällt da schon auf.

Kalkulationen anhand einzelner Einkaufspositionen sind gang und gäbe - und mit das wichtigste Kriterium, schwarze Schafe herauszufiltern, so die Prüferin weiter. Denn wer schon nicht alle Umsätze versteuern will, sollte auch nicht versuchen, alle seine Einkäufe gegenzurechnen.

Kasse nie im Minus

Nächster Ansatzpunkt ist das Kassenbuch. Eine echte Kasse kann nie im Minus sein. Schließlich kann man aus einem Behälter nichts herausnehmen, was nicht drin ist. Ist die Kasse rechnerisch dann doch in den roten Zahlen, weiß der Prüfer, dass ­etwas nicht stimmt. Sogenannte Hinzuschätzungen sind in diesem Fällen von den obersten Gerichten abgesegnet und höhere Zahlungen der Ertappten programmiert.


"Oft braucht man keine statistischen Tests oder komplizierte Zeitreihenvergleiche. Ein bisschen gesunder Menschenverstand plus Lebenserfahrung - und jeder Betriebsprüfer merkt gleich, wo die Buchführung nicht ganz rund läuft", bestätigt Klaus Bröckmann, Sachgebietsleiter bei einem Finanzamt. Jüngst ging den Bearbeitern dort ein Autohändler ins Netz. Der hatte beispielsweise Wagen für 3.000 Euro angekauft und für 5.000 Euro veräußert.

Um die 2.000 Euro Differenz nicht versteuern zu müssen, fälschte er entweder den An- oder den Verkaufsvertrag oder tat so, als habe er selbst nur eine Provision für die Vermittlung von jeweils 100 Euro bekommen. Bei den jährlich ungefähr 50 gefälschten Verträgen glichen sich die vermeintlichen Kundenunterschriften jedoch so sehr, dass der Betriebsprüfer stutzig wurde und die Steuerfahndung einschaltete.

Einen Erfolg der anderen Art hatten Fahnder jüngst in einem Dorf in Schleswig-Holstein. Nach einer Kontrollmitteilung über nicht versteuerte Umsätze suchte man auch dort einen Autohändler zu Hause auf. Als es klingelte, fragte er nach, wer vor der Tür stehe. Die Beamten meldeten sich ordnungsgemäß mit "Steuerfahndung, bitte öffnen Sie die Tür." Der Mann rief, er sei gerade auf der Toilette. Die Fahnder mussten sich fast zehn Minuten gedulden und waren schon kurz davor die Tür aufzubrechen, als der Händler endlich öffnete.

Auf dem Weg ins Arbeitszimmer hinterließ er matschige Spuren mit seinen Schuhen. Das veranlasste die Prüfer, einen Blick in den Garten zu werfen, wo sie eine frisch ausgegrabene und nur notdürftig abgedeckte Kuhle vorfanden. Dort lagen acht Ordner mit den korrekten Buchführungsunterlagen. Eine erste Sichtung der Unterlagen deutete auf zusätzliche Steuern von etwa 250.000 Euro hin.

Quittungen privat akquiriert

Und wo kriegen die Finanzämter die sogenannten Kon­trollmitteilungen her? "Hierfür akquiriert man üblicherweise Kollegen aus den eigenen Reihen", sagt Prüferin Schubert. Auf Dienstbesprechungen werden Finanzbeamte gebeten, ihre eigenen Quittungen zu kopieren, wenn sie in Restaurants gehen, Autos kaufen oder Handwerker zu Hause beschäftigen. Die Nachweise werden der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt und dann mit den vom Unternehmer erklärten Umsätzen abgeglichen.

Ein Finanzamt entdeckte kürzlich auf diesem Wege, dass ein Gastronom eine zweite Kasse haben muss. Denn jene Kassenbons, die die Finanz­beamten privat bekommen hatten, sahen völlig anders aus als die Belege, die das Finanzamt offiziell bekommen hatte. Bei ­einer Hausdurchsuchung fand man die Zweitkasse schnell in ­einem Nebenraum - und mit dieser Kasse waren keine Umsätze erklärt worden. Die zusätzlichen Steuern beliefen sich auf 170.000 Euro.

Wie können Selbstständige vorbeugen?

Belege bereithalten: Wer mit einer Betriebsprüfung rechnen muss (Indiz ist ein Vermerk auf dem Steuerbescheid "ergeht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung"), sollte dafür sorgen, dass Belege vollständig und ordnungsgemäß sind. Wer bei einer Prüfung anbieten muss, ­Belege nachzureichen, gerät leicht in Verdacht, dass er diese erst nachträglich erstellen will.

Notizen machen: Werden häufiger Bareinnahmen auf das Konto eingezahlt, sollte man zumindest in Stichworten notieren, woher das Geld kommt - beispielsweise unter "Einnahmen ­Geschäft 15.5. bis 19.5" oder "Darlehen Tante Elke". Jahre später kommt man sonst bei einer Überprüfung in Erklärungsnot.

Dahrlehensvertrag mit Verwandten: Hat die Verwandtschaft tatsächlich mit Darlehen einen neuen Betrieb unterstützt, dann sollten Sie ­unbedingt einen schriftlichen Darlehensvertrag machen, monatliche Rückzahlraten vereinbaren und diese dann auch per Überweisung einhalten. Darlehen mit Verwandten werden immer geprüft und müssen Verträgen mit Fremden entsprechen.

Kredit nachweisbar: Haben Tante oder Onkel einen vermeintlichen Kredit gewährt, so sollte nachweisbar sein, dass Tante oder Onkel das Geld auch tatsächlich hatten. Der Fiskus darf in diesem Falle auch die Einkünfte der Verwandten überprüfen. Und nichts ist unangenehmer, als wenn die Steuerfahndung eines Morgens bei den Verwandten klingelt.

Nur 450 Euro zahlen: Haben Sie im Betrieb 450-Euro-Kräfte angestellt, sollten Sie diesen auch nur 450 Euro zahlen und nicht nebenbei schwarz noch weitere Hunderter. Ausgaben, für die Sie keine Belege haben, können Sie nicht ­absetzen und müssen so eventuell Gewinne ­versteuern, die Sie nie hatten.

Privatanteile ausweisen: Erklären Sie dem ­Finanzamt auch Privatanteile für Kfz-Nutzung, Telefon oder auch Verpflegung, wenn Sie ein Restaurant betreiben. Ein Betriebsprüfer setzt hierfür auf alle Fälle Richtwerte an; das kann zu einigen Nachzahlungen führen.

Vorauszahlungen erhöhen: Wenn Ihre Umsätze und Gewinne steigen, bitten Sie freiwillig das ­Finanzamt, Ihre Vorauszahlungen zu erhöhen. Nachzahlungen nach Betriebsprüfungen - oft für fünf bis sechs Jahre - haben schon so manch einem Unternehmen das Genick gebrochen.

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