Euro am Sonntag-Steuer-Tipps

Abgeltungsteuer: Was Anleger wissen müssen!

30.10.16 03:00 Uhr

Abgeltungsteuer: Was Anleger wissen müssen! | finanzen.net

Wie werden Strafzinsen, Vorschusszinsen, Goldanleihen und Verluste aus Optionen steuerlich behandelt? Ein neuer Erlass klärt diese Fragen.

von Michael Schreiber, Euro am Sonntag

Die Strafzinsen kommen. Zwar sind längst nicht alle Sparer betroffen, doch die Zahl der Banken, die von vermögenden Kunden Geld fürs Geldparken verlangen, steigt. Die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee etwa berechnet ein Verwahrentgelt von 0,4 Prozent auf Guthaben von Giro- und Tagesgeldkonten ab einer Höhe von 100.000 Euro. Das Gleiche tut die Volksbank Stendal. Diese beiden Institute sind aber nicht die ersten, die Negativzinsen verlangen: Bereits seit Ende 2014 kassiert die thüringische Skatbank auf Guthaben von mehr als ­einer halben Million Euro einen Zins von 0,25 Prozent.



Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt keinerlei Mitgefühl für die Zinszahler. Seine Beamten haben einen Erlass zu Detailfragen rund um die Abgeltungsteuer herausgegeben (Az. IV C 1 - S 2252/08/10004:017). Danach stufen sie Strafzinsen nicht etwa als negative Zins­einnahmen ein, die steuerlich abzugs­fähig wären. Sie halten sie für eine Art Verwahrgebühr für Bargeld (Randziffer 129a des Erlasses). Der Trick dabei: Gebühren werden steuerlich den Werbungskosten zugewiesen, die im System der Abgeltungsteuer durch den Sparerpauschbetrag von 801 Euro pro Steuerzahler abgegolten werden. Im Klartext: Negativzinsen mindern die Steuerlast nicht, auf Habenzinsen wird nach Verbrauch des Sparerpausch­betrags jedoch Abgeltungsteuer fällig.

Übergangsfrist für Golddeals

Im Erlass stehen allerdings nicht nur schlechte Nachrichten. So akzeptiert der Fiskus jetzt endlich auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom Mai 2015 (Az. VIII R 19/14, 35/14 und 4/15), nach der Gewinne aus dem Verkauf von Xetra-Gold und anderen In­haberschuldverschreibungen, die einen Lieferanspruch auf physisches Gold ­verbriefen, nicht der Abgeltungsteuer unterliegen (Randziffer 57). Die Goldgeschäfte werden damit als privates Spekulationsgeschäft steuerfrei gestellt, wenn zwischen Anschaffung und Verkauf mehr als ein Jahr liegt.

Andererseits können dann auch außerhalb der Jahresfrist realisierte Verluste nicht abgesetzt werden. Das gilt allerdings noch nicht für Verluste, die Anleger im Jahr 2015 mit den Papieren erlitten haben. Eine großzügige Übergangsregelung in Randziffer 324 des Schreibens macht es möglich: Steuerzahler können ihre erlittenen Verluste mit anderen abgeltungsteuerpflichtigen Einnahmen verrechnen.


Auf jeden Fall sollten Anleger die Steuerbescheinigung und Erträgnis­aufstellung der depotführenden Bank genau prüfen. Zu viel gezahlte Steuern können sie beim Finanzamt über die Steuererklärung zurückholen. Doch Vorsicht: Wird das Wertpapier nicht durch Gold oder einen anderen Rohstoff in physischer Form abgesichert oder ­sehen die Emissionsbedingungen vor, dass der Kunde statt des Edelmetalls auch Geld verlangen kann, unterliegen die Erträge weiterhin der Abgeltungsteuer. Zwar sind dann alle Erträge zeitlich unbeschränkt steuerpflichtig, Verluste wären dann aber auch unabhängig von der Haltedauer uneingeschränkt verrechenbar.

Vorschusszinsen sind absetzbar

Das Schreiben klärt auch, wie Vorschusszinsen zu besteuern sind (Randziffer 85a des Erlasses). Stellt die Bank bei der vorzeitigen Kündigung einer Spareinlage Vorschusszinsen in Rechnung, stufen die Finanzämter diese Aufwendungen als Kosten im Rahmen des Verkaufs ein. Damit fließen sie in die ­ Berechnung eines steuerpflichtigen ­Gewinns oder Verlusts mit ein.

Übersteigen die Vorschusszinsen im Veräußerungsjahr die Habenzinsen, stellt die betroffene Bank den negativen Betrag in den Verlustverrechnungstopf ein und überträgt die Miesen in das nächste Kalenderjahr. Tipp: Wer den Verlust zeitig nutzen möchte, beantragt bei seiner Bank bis zum 15. Dezember 2016 eine Verlustbescheinigung für das aktuelle Jahr. Damit kann er über die eigene Einkommensteuererklärung (Anlage KAP) eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten bei mehreren Bankverbindungen erreichen.

Kehrtwende bei Optionsscheinen

In einem wichtigen Punkt ist der Ministererlass schon wieder überholt. Darin hatten die Beamten noch die Auffassung vertreten, dass Verluste aus dem wertlosen Verfall von Aktien- und Indexoptionen steuerlich nicht berücksichtigt werden können (Randziffer 27). Dieser umstrittenen Auffassung hat der Bundesfinanzhof gleich mit drei aktuellen Urteilen vom 12. Januar 2016 (Az. IX R 48/14, 49/14 und 50/14) Paroli geboten. Nach Meinung der obersten Steuerjuristen sind die Anschaffung der Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts als Einheit untrennbar miteinander verbunden. Steuerzahler dürften daher erlittene Wertverluste auch steuerlich uneingeschränkt mit anderen Kapital­erträgen, etwa mit Anleihezinsen oder Aktiendividenden, verrechnen. Mit ­einem Schreiben vom 16. Juni 2016 (Az. IV C 1 - S 2252/14/10001:005) hat das Bundesfinanzministerium die juristische Niederlage eingeräumt.


Achtung: Die Banken sind erst ab 1. Januar 2017 verpflichtet, die geänderte Rechtslage zu berücksichtigen. Betroffene Anleger sollten also genau darauf achten, dass in diesem Jahr erlittene Verluste aus dem Verfall von Optionen steuerlich nicht unter den Tisch fallen. Sind die Steuerbescheide alter Jahre noch nicht bestandskräftig, schieben clevere Anleger bisher nicht berücksichtigte Verluste in der Steuererklärung nach.

Banken müssen Steuer erstatten

Bekommt die Bank den neuen Freistellungsauftrag oder die Nichtveranlagungsbescheinigung erst, wenn sie die Steuer bereits abgezogen hat, ist das Institut verpflichtet, bereits abgezogene Steuern wieder zu erstatten. Das hat der Gesetzgeber im Sommer 2015 festgelegt. Davor waren Banken, Bausparkassen und Fondsgesellschaften nicht verpflichtet, rückwirkend eine Neuberechnung vorzunehmen - bei guten Kunden machten sie es aber freiwillig. Jetzt müssen sie für jeden Kunden neu rechnen, solange noch keine Steuerbescheinigung ausgestellt ist.

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