Überziehungskredite: Kritik an Dispozinsen springt zu kurz
Manche Politiker und auch immer wieder Verbraucherschützer fordern die Deckelung der Zinsen von Dispokrediten. Dabei ist die kurzfristige, erlaubte Kontoüberziehung gegen Gebühr eher ein Service denn ein Geschäftsmodell der Banken.
von Jürgen Gros, Gastautor von Euro am Sonntag
Sosehr man diese Behauptungen auch wiederholt - wahr werden sie dadurch nicht. Ein Blick auf die Fakten belegt das.
Dispokredite sollen im Einzelfall, wenn es eilt, die Liquidität des Kontoinhabers sicherstellen. Sie sind für den Kreditnehmer schnell und unkompliziert. Sie helfen, wenn plötzlich das Auto streikt, die Waschmaschine ihren Dienst versagt oder eine anderweitige finanzielle Notlage vor dem nächsten Gehaltseingang entsteht.
Aus Sicht der Bank sind Dispokredite somit oftmals unplanbar. Sie sind zudem unbesichert und damit aufwendig sowie kostenintensiv. Außerdem ziehen sie häufig noch zusätzliche regulatorische Überwachungspflichten nach sich, die ebenfalls mit erheblichem Aufwand - und damit Kosten - verbunden sind. In dieser zusätzlichen Arbeit und der Flexibilität ist begründet, warum die Zinssätze bei Dispokrediten höher sein müssen als bei anderen Kreditvarianten oder das allgemeine Zinsniveau am Geldmarkt. Sind Kontoüberziehungen wohlüberlegt und rasch wieder ausgeglichen, kann der Dispokredit gleichwohl ein einfaches und sinnvolles Hilfsmittel sein.
Die Zinsen für Dispokredite sind seit Jahren gesunken
Dispokredite werden für die Kreditnehmer nicht "immer teurer", wie häufig behauptet wird. Das Gegenteil ist der Fall: Im Durchschnitt der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken belief sich der Disposollzins für Privatkunden im Jahr 2015 auf 9,07 Prozent. Seither ist er stetig zurückgegangen und lag zum Jahresende 2019 bei 8,07 Prozent - Tendenz weiter fallend. Damit liegen die Dispozinssätze der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken deutlich unter dem bundesweiten Bankendurchschnitt von 9,79 Prozent. In vielen Fällen haben Kunden jedoch ohnehin Sonderregeln mit ihrer Bank vereinbart, die ein Überziehen des Kontos unter bestimmten Bedingungen zu deutlich günstigeren Konditionen einräumen.
Im Übrigen steht es dem Kunden frei, nach besseren Konditionen unter den zahlreichen Mitbewerbern zu suchen. Der Markt für Zahlungskonten ist transparent und wettbewerbsorientiert. Neben der gesetzlichen Kontowechselhilfe gibt es zahlreiche private Portale zum Kostenvergleich für Girokonten. Dass diese Instrumente funktionieren, hat die Aufsichtsbehörde Bafin erst jüngst bestätigt. In einer Untersuchung zog sie ein positives Fazit zur Anwendung der Kontowechselhilfe. Ob allerdings der Dispozinssatz ein hinreichender Grund für einen Kontowechsel darstellt, ist eine andere Frage. Schließlich können Konten neben Dispozinsen viele andere Vorteile bieten, die für den Kunden relevant sind, zum Beispiel ein enges Netz an Geldautomaten oder anderen Serviceleistungen.
Dass sich die Banken nicht an ihren Kunden bereichern, belegen die Zahlen ebenfalls. Privatkunden der bayerischen Kreditgenossenschaften zahlten im Jahr 2019 rund 58 Millionen Euro an Dispozinsen an ihre Bank. Bei einem Gesamtzinsertrag in Höhe von fast drei Milliarden Euro entspricht das einem Anteil von zwei Prozent. Eine nennenswerte Ertragsquelle ist das wahrlich nicht.
Nur für kurzfristige finanzielle Überbrückungen gedacht
Der Dispokredit ist lediglich als Instrument gedacht, um den kurzfristigen Liquiditätsengpass zu bewältigen und nicht gleich in Zahlungsverzug zu geraten. Er ist aber keinesfalls ein Kreditmodell, das zur Regel werden sollte. Das drückt sich in den Konditionen für Dispokredite aus. Kunden, die mehr als eine kurze finanzielle Überbrückung benötigen, finden bei ihrer Volks- bank und Raiffeisenbank günstige und attraktive Kreditalternativen. Eine weitere Regulierung oder gar ein Dispodeckel sind nicht nötig.
Wer dagegen ständig den Dispo in Anspruch nimmt - wofür dieser nicht gedacht ist -, sollte sich an seine Bank wenden, sofern das die Bank umgekehrt nicht ohnehin tut. Denn womöglich liegen die Probleme anderswo als in den angeblich so schlechten Konditionen des Kreditinstituts.
Jürgen Gros:
Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern
Der GVB vertritt seit mehr als 125 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.242 Mitgliedern zählen 236 Volks- und Raiffeisenbanken sowie über 1.000 Unternehmen aus Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50.000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat.
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