Sicherheit für Häuslebauer
Verbraucherschützer kritisieren die Bundesregierung, weil sie die sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung beibehalten will. Zu Unrecht, meint Gastautor Jürgen Gros.
von Jürgen Gros, Gastautor von Euro am Sonntag
Die anhaltende Baulust prägt auch deutlich das Kreditgeschäft der Banken. So stieg etwa bei den 279 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken die Kreditnachfrage in den ersten sechs Monaten auf ein Mehrjahreshoch. Um 720 Millionen auf 41,8 Milliarden Euro erhöhte sich das an ihre Privatkunden ausgereichte Kreditvolumen. Ein guter Teil davon entfällt auf Immobilienfinanzierungen.
Die Haushalte in Bayern profitieren derzeit von der guten Wirtschaftslage im Freistaat, steigenden Löhnen und niedrigen Zinsen. Ein lockerer Spaziergang ist der Hauskauf allerdings nach wie vor nicht. Denn während die Finanzierungskonditionen günstig sind wie nie zuvor, bewegen sich die Immobilienpreise je nach Region mitunter in nie gekannten Höhen. Deshalb bleibt weiterhin gefragt, was die Mehrheit der deutschen Häuslebauer seit Jahrzehnten von den Banken einfordert: Finanzierungen mit Laufzeiten von zehn Jahren (und mehr) sowie feste Zinsen, damit die Investition in Haus oder Wohnung auf belastbarem Fundament steht.
Kreditvergabe und das Steuern von Zinsrisiken sind Paradedisziplinen der Volks- und Raiffeisenbanken. Um den Kunden langfristige Finanzierungen anbieten zu können, müssen sie sich als Kreditgeber aber auch darauf verlassen können, dass die vertraglich vereinbarten Laufzeiten gelten. Nur so können sie künftige Zinseinnahmen und anfallende Kapitalkosten in ein zeitlich kalkulierbares und betriebswirtschaftlich vernünftiges Verhältnis bringen.
Durch eine vorzeitige Kreditkündigung wird diese Kalkulationsbasis über den Haufen geworfen. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, wer den Banken die ihrerseits entstandenen Refinanzierungskosten für die Kredite ersetzt. Deshalb ist es gängige und bewährte Praxis, dass bei vorzeitig zurückgeführten Darlehen eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Das macht das langfristige Kreditangebot erst möglich. Davon profitiert die Gesamtheit der Kreditnehmer.
Die bayerischen Kreditgenossenschaften wollen ihren Kunden auch in Zukunft verlässlich Baukredite anbieten können. Sie begrüßen deshalb die Position der Bundesregierung, die am bewährten Instrument der Vorfälligkeitsentschädigung festhalten will. Das geht aus dem im Juli vorgelegten Gesetzesentwurf zur Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie hervor, der aktuell im Bundestag und -rat behandelt wird. Im März 2016 sollen die Regelungen in Kraft treten.
Verbraucherschützer liegen mit
ihrer Argumentation daneben
Der Gesetzgeber muss den eingeschlagenen Kurs im Sinne der Kunden halten. Um die Stabilität der Immobilienfinanzierung in Deutschland zu sichern, ist die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer vorzeitigen Kündigung des Kreditvertrags weiterhin erforderlich. Gesetzliche Vorgaben zur Berechnung sind hingegen verzichtbar, da deren Parameter durch die einschlägige BGH-Rechtsprechung festgelegt sind. Generell sollte von Regelungen abgesehen werden, die über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehen. Ein solches nationales "Goldplating" würde Bürger und Unternehmen gegenüber anderen EU-Staaten benachteiligen.
Die dazu immer wieder vorgebrachte Argumentation von Verbraucherschützern sticht nicht: Die Vorfälligkeitsentschädigung abzuschaffen oder zu beschränken ist nicht im Interesse von zukünftigen Immobilieneigentümern. Das setzt vielmehr die langfristige Kreditkultur in Deutschland aufs Spiel, die sich in einer verlässlichen und fairen Partnerschaft von Kunde und Bank ausgeprägt hat.
Warum? Weil den Banken dann keine verlässliche Planung für ihre festverzinslichen Kredite mehr möglich wäre. Die Konsequenzen wären höhere Zinssätze für alle Immobilienkredite mit Zinsbindung oder alternativ Kredite mit variabler Verzinsung. Denn nur so könnten die Banken das Risiko vorzeitiger Rückzahlungen in ihrer Gesamtkalkulation ausreichend berücksichtigen und solide wirtschaften. Gleichzeitig würden sich damit Baudarlehen für alle Kunden verteuern beziehungsweise die Zinsänderungsrisiken für die Kunden erhöhen. Das kann niemand wollen.
zur Person:
Jürgen Gros, Vorstand des
Genossenschaftsverbands Bayern
Gros hat Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Deutsche Philologie studiert und 1998 promoviert. Nach verschiedenen Stationen in der Politik und Industrie arbeitet er seit 2005 beim Genossenschaftsverband Bayern e. V. (GVB). Seit 1. August ist er dort Mitglied des Vorstands. Der GVB vertritt die Interessen von 1300 genossenschaftlichen Unternehmen im Freistaat mit insgesamt 2,9 Millionen Mitgliedern.
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