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Sicherheit im Blick: So finden Sie die richtige Unfallpolice

06.05.17 03:00 Uhr

Sicherheit im Blick: So finden Sie die richtige Unfallpolice | finanzen.net

Unfallversicherungen sind für manche die einzige bezahlbare Möglichkeit, sich (teilweise) vor Invalidität zu schützen. So schließen Sie richtig ab.

von Uwe Schmidt-Kasparek, Euro am Sonntag

Sie ist nur zweite Wahl - eigentlich. Doch für manche ist die private Unfallversicherung das einzige Produkt, mit dem sich die ­finanziellen Folgen schwerwiegender körperlicher Beeinträchtigungen zumindest teilweise abfedern lassen und das zudem auch bezahlbar ist. Wir zeigen, für wen sie sinnvoll sein kann.



Anders als bei Berufsunfähigkeitsversicherungen gibt es bei privaten Unfallversicherungen nur dann eine Leistung, wenn der Versicherte durch einen Unfall zu Schaden gekommen und dadurch auf Dauer körperlich oder geistig beeinträchtigt ist. Dies muss zudem ärztlich festgestellt sein. Bei derlei Einschränkungen ist es kein Wunder, dass sich diese Policen vor allem für die Anbieter lohnen. Derzeit kassieren sie von jedem Euro Beitrag nach Abzug der Kosten für Schäden und Verwaltung etwa 22 Cent. Kaum ein anderer Versicherungszweig ist so lukrativ.

Doch ein Vergleich zeigt, dass es auch hier große Preisunterschiede gibt: Bei Büroangestellten liegen sie bei fast 170 Prozent, bei Handwerkern sogar bei über 230 Prozent. Das ergab eine Auswertung von 415 Angeboten durch das Softwarehaus Innosystems. Der harte Konkurrenzkampf sorgt dafür, dass hochwertiger Schutz nicht teuer sein muss. Kunden können sparen, wenn sie dem Appell von Verbraucherschützern folgen: raus aus miesen Policen! Viele der über 25 Millionen privaten Unfall­policen wurden auf schlechte Tarife ­abgeschlossen. Verrückt: Teure Policen können deutlich leistungsschwächer sein als günstige Angebote.

Notwendiger Notnagel

Sinnvoll ist der private Unfallzusatzschutz für alle, die sich besseren Schutz schlicht nicht leisten können. Betroffen sind vor allem körperlich Tätige oder bereits vorerkrankte Personen. "Dann ist die Unfallpolice oft die einzige Möglichkeit, für den Fall der Invalidität vorzusorgen", sagt Michael Franke von der Ratingagentur Franke und Bornberg.

Selbst für Kunden, die bereits eine private Berufsunfähigkeitsversicherung haben, kann die private Unfallversicherung noch interessant sein. Grund: Während die Berufsunfähigkeitsversicherung erst zahlt, wenn man zu 50 Prozent berufsunfähig ist, leistet die Unfallpolice bei jedem Grad der Invalidität.



Sinnvoll kann das Angebot auch für Personen sein, die nicht oder nicht voll unter dem gesetzlichen Unfallschutz stehen. Wer etwa im Homeoffice ar­beitet, genießt nur eingeschränkten Schutz. Laut Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. Juli 2016 ist schon der Weg in die Küche nicht versichert (Az.: B 2 U 5/15 R). Hausfrauen, kleine Kinder, Freizeitsportler, alte Menschen oder Selbstständige haben über die gesetzliche Unfallversicherung gar keinen Schutz, da diese nur bei Arbeits-, Ausbildungs- und Wegeunfällen zahlt. Interessant sind zudem Seniorenunfallversicherungen, die in der Genesungszeit Hilfeleistungen bieten. Doch es gilt, genau in die Vertragsbedingungen zu schauen. "Einige Tarife organisieren zwar Hilfe, bezahlen sie aber nicht", warnt Versicherungsberater Georg Pitzl aus Bobingen.

Den Wettbewerb forcieren kleinere Anbieter, die vor allem über Versicherungsmakler den großen Versicherern Kunden abjagen wollen. So wurden etwa Fristen, bis zu denen Invalidität eingetreten, festgestellt und dem Versicherer gemeldet werden muss, deutlich verlängert. Umfassender werden Unfälle infolge von Bewusstseinsstörungen abgesichert. Häufiger eingeschlossen sind Unfälle durch Herzinfarkt, Schlaganfall, Medikamente oder Alkohol. Zudem sind Behinderungen infolge Infektionskrankheiten oft mitversichert. Immer öfter sind auch Unfallfolgen abgedeckt, die durch Vorerkrankungen mitverursacht wurden.

Verbesserter Schutz

Bei Toptarifen fällt die sogenannte Gliedertaxe, die mit exakten Prozentwerten die Leistung bestimmt, zudem deutlich höher aus, als es der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt. Im Musterbeispiel (siehe Tabelle unten) liegt die Basissumme bei 150.000 Euro. Während der GDV für den Verlust eines Fußes einen Entschädigungsgrad von 40 Prozent vorschlägt, leistet beispielsweise der Tarif der InterRisk aus Wiesbaden hier 60 Prozent.

Zudem wird die Leistung noch über eine "Progressionstabelle" vervielfacht. Für die Auswahl wurden nur Tarife mit einer Progression von 350 Prozent berücksichtigt. Unterm Strich würde damit ein Versicherter, der durch Unfall zum Vollinvaliden geworden ist, anstelle der Basissumme von 150.000 Euro das 3,5-Fache - also 525.000 Euro - erhalten.

Grundsätzlich sollte man immer nur eine klassische Risiko-Unfallversicherung abschließen. "Aufpassen müssen Eltern vor windigen Kombiangeboten", warnt Experte Pitzl. So wird die Unfallversicherung für Kinder schon mal mit Ausbildungs- oder Rentenpolicen kombiniert - vollkommen unnötig. Als viel zu teuer und intransparent gilt zudem die Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr (UBR). Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Unfall- und Kapitallebensversicherung.

Regelrechte Fallen sind neuartige Policen, die per App abgeschlossen werden können und für besonders "bedrohliche" Lebenssituationen angeboten werden. Ein Negativbeispiel ist hier die Barmenia-Versicherung, die während des Hypes um "Pokémon Go" und eine dadurch vermeintlich höhere Unfall­gefahr für die Spieler die "Trainer-Versicherung" auf den Markt warf. Für 35 Euro im Jahr lag der Schutz bei Voll­invalidität gerade mal bei 30.000 Euro. Ähnliche Magerprodukte sind der "WasenSchutz" der SV Sparkassenversicherung oder der "Wiesnschutz" der Bayerischen Beamten Versicherung.

"Die Anbieter können online keine ­individuelle Beratung sicherstellen", warnt zudem Arne Bröker vom Anbieter Domcura. Eigentlich müsse auf einen möglichen umfangreicheren Unfallschutz hingewiesen werden. Das gilt auch für das plötzliche Auslaufen von Kurzzeitangeboten, wie beim "Unfall- Schutz-Mobil" der Ergo Direkt mit einer Laufzeit von nur 27 Tagen. Hier ist die Gefahr groß, dass der Kunde nicht merkt, dass sein Schutz beendet wurde. Herkömmliche Policen verlängern sich jedes Jahr, wenn sie nicht drei Monate vor Fristablauf gekündigt werden.

Premium-Policen im Überblick: HOHE PROGRESSION UND VERBESSERTE GLIEDERTAXE (PDF)

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