Immobilien mit Tücken: Die Mietkauf-Falle
Vom Mieter zum Eigentümer - ohne Schulden und Eigenkapital. Dieser Traum soll per Mietkauf wahr werden. Doch das Modell hat Tücken, wie etwa der Fall Geno zeigt.
von Maren Lohrer, Euro am Sonntag
"Wir haben in Baden-Württemberg immer auf Ingenieurskompetenz gesetzt, auf Tüftler, auf Mitbürger namens Daniel Düsentrieb", sagte Günther Oettinger zu seinen Zeiten als Ministerpräsident im Ländle. Er hob dabei auf die Erfindung des Autos ab - und des Bausparvertrags. "Wer bei uns ein Haus bauen will, braucht zuallererst Eigenkapital, braucht einen Bausparvertrag und geht erst dann zur Bank und bekommt ergänzend Kredit", so der heutige EU-Kommissar weiter.
An der Baufinanzierung hatte auch Jens Meier aus Ludwigsburg bei Stuttgart getüftelt. Das Ergebnis: ein Optionskauf, eine Weiterentwicklung des Mietkaufs, auf genossenschaftlicher Basis und daher dem Bausparkollektiv ähnlich. Meier, Vorstandschef der Geno Wohnbaugenossenschaft, lässt sich auf der Firmenhomepage als Visionär bezeichnen. Dass er den richtigen Riecher für die Wünsche vieler Bundesbürger hat, steht außer Frage. Schließlich verbinden viele mit dem Bauspargedanken Solidität. Und in Zeiten niedrigster Zinsen wollen viele Deutsche ihr Geld ins Eigenheim stecken.
Mietkaufmodelle folgen dem Prinzip "erst einziehen, später zahlen". Der Interessent wohnt also schon als Mieter in der Wohnung, muss aber erst in zehn, 20 oder 35 Jahren den Kaufpreis entrichten. Auf diese Summe wird die Miete, die er bis dahin gezahlt hat, zumindest teilweise angerechnet. Doch Vorsicht: Ist der Kauf verpflichtend, so können sich Probleme ergeben. "Interessierte sollten darauf achten, ob die Anrechnung der Mietraten in voller Höhe oder nur teilweise erfolgt und ob hier zusätzliche Kosten versteckt sind", rät Philipp Rumler, Fachanwalt für Erbrecht in München.
Und: "Die Verpflichtungsmodelle können unflexibel sein. Der Lebensentwurf und das Budget des Interessenten können sich in so großen Zeitspannen verändern." Dazu kommen noch weitere Fragen: Kann ein Vertrag angepasst werden oder enthält er eine Ausstiegsklausel? Wenn ja, wie viel vom gezahlten Geld erhält der Interessent zurück? Was passiert mit dem Angesparten, sollte der Anbieter Insolvenz anmelden?
"Gewöhnlich wird der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bereits bei Abschluss des Vertrags festgelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt verbleibt die Immobilie im Eigentum des Vermieters oder Verkäufers. Wird der insolvent, ist der Eigentumserwerb nur dann gesichert, wenn im Vertrag ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde", sagt Rumler.
Neben Modellen mit Kaufverpflichtung gibt es auch welche mit Kaufoption. Hierbei zahlt der Mieter monatlich Miete an den Eigentümer. Diese Miete ist meist reines Wohnentgelt und wird nicht auf den Kaufpreis angerechnet. Um die Kaufoption nutzen zu können, spart der Mieter zeitgleich und finanziert damit den zukünftigen Kauf.
Nur auf den ersten Blick einfach
Anbieter werben damit, dass für den Mietkäufer keine Schulden entstehen und er kein Darlehen aufnehmen muss. Damit ist der Mietkauf auch ohne Schufa-Auskunft möglich. So werden etwa Selbstständige umworben, die womöglich schwieriger einen Kredit erhalten. "Die Angebote richten sich auch an Familien, die nicht über das nötige Eigenkapital verfügen", sagt Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale (VZ) Bremen. Ihr Fazit: Mietkauf sieht zwar einfach aus, ist aber ein kompliziertes Geschäft, bei dem es schnell passieren kann, dass die Kunden draufzahlen. ",Warum Miete zahlen, wenn sich die Wohnung fürs gleiche Geld finanzieren lässt?‘ Wer sich auf solche Versprechen einlässt, geht Risiken ein", mahnt Oelmann. Denn der Traum von der eigenen Immobilie mit extrem wenig Eigenkapital sei unrealistisch. Sie hat die Sorge, dass so auch Menschen Immobilien erwerben, die sich diese gar nicht leisten könnten.Noch komplizierter wird das Ganze dann bei Jens Meiers Geno, die das Modell Optionskauf als Wohnungsbaugenossenschaft anbietet. Der Erwerb der Wunschimmobilie soll erfolgen, nachdem das Mitglied eine Einzahlung vorgenommen hat. Nach einer Wartezeit soll dann von der Genossenschaft die Immobilie erbaut und dem Genossen zunächst zur Miete überlassen werden. Danach hat der Genosse eine Option, seine Immobilie zu kaufen. Beim Beitritt wird im Basistarif eine Abschlussgebühr in Höhe von 1,6 Prozent der Bruttoinvestitionssumme von der Genotec Vertriebs AG vereinnahmt, die auch bei Austritt nicht zurückgezahlt wird.
"Die Nachteile des Mietkaufs, hohe monatliche Belastung und Kaufzwang, wurden ausgemerzt", wirbt das Unternehmen und verspricht seinen Mitgliedern, "ein Leben lang sicher und flexibel wohnen" zu können.
Die Schattenseiten freilich werden weniger vollmundig präsentiert. Wie realistisch ist es, überhaupt eine Immobilie zu erhalten? Laut Geno konnten 2015 mehrere Zuteilungen ausgesprochen, jedoch keine neuen Objekte für die Mitglieder realisiert werden. Die Zahl der Optionskaufobjekte liege aktuell bei 149 Liegenschaften - die der Mitglieder allerdings bei 5678. Interessenten erfahren auf der Homepage auch nichts über mögliche Probleme, wenn sie aus der Gemeinschaft wieder austreten.
"2013 sind offenbar zahlreiche Mitglieder ausgeschieden", sagt Ingo Dethloff, Berliner Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der ein ehemaliges Geno-Mitglied vor Gericht vertritt. "Einer meiner Mandanten hat geklagt, weil er nach seinem Austritt nicht seine Auszahlung erhalten hat", erklärt Dethloff. Das Amtsgericht Ludwigsburg hat die Geno zwar im August 2016 zur Zahlung des Guthabens verurteilt, doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Verbraucherzentrale Sachsen stand diesem Modell von Beginn an kritisch gegenüber. "Aus unserer Sicht war es abhängig vom Beitritt immer neuer Genossen und selbst bei einer solchen Annahme eine teure Angelegenheit. Auch auf das Risiko des Verlusts der Einlage haben die Verbraucherschützer hingewiesen", sagt die Referatsleiterin Finanzdienstleistungen Andrea Heyer.
Ein Bausparvertrag, der keiner ist
Dethloff berichtet, dass das Konzept bei manchen Interessenten so angekommen sei, als handle es sich um eine Art Bausparvertrag. Das Unternehmen Geno scheint bemüht, diese Nähe herzustellen. So wird bei den Personalkosten, die vom Prüfverband PDG als zu hoch kritisiert wurden, darauf verwiesen, dass die Geno mit einer Bausparkasse zu vergleichen sei und daher viel Personal brauche. Weiter heißt es im jüngsten Geschäftsbericht: "Das Geno- Kollektiv ist sehr artverwandt mit dem ersten Bausparkollektiv."Die Bausparkassen wehren sich gegen diese aus ihrer Sicht unzulässige Vereinnahmung. "Der Vergleich mit dem Bausparvertrag ist schief und irreführend. Es ist der unseriöse Versuch, ein risikoreiches Produkt mit einem Gütesiegel zu versehen, das ihm nicht zukommt", sagt Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkassen. Die Sicherheitsarchitektur des Bausparens mit strenger staatlicher Aufsicht sei einmalig und auf dieses Geschäftsmodell keinesfalls übertragbar.
Der selbst ernannte Visionär Meier war übrigens schon einmal in ein Projekt mit Geno im Namen involviert, dem GenoHausFonds I. Das Konzept: Der Fonds kauft ein Haus von Besitzern in finanziellen Schwierigkeiten, diese erhalten eine Wohngarantie von bis zu 33 Jahren. Danach können sie das Haus zurückkaufen. 2014 wurde der Fonds liquidiert. Die Schutzgemeinschaft geschädigter Kapitalanleger hatte zuvor gewarnt: "Die weichen Kosten liegen sehr hoch."
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