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Immobilien: Mit dem Eigenheim zu mehr Rente

03.04.20 01:00 Uhr

Immobilien: Mit dem Eigenheim zu mehr Rente | finanzen.net

Viele Senioren haben eine eigene Wohnung, aber nur eine schmale Rente. Wie sie ihr Betongold versilbern können, ohne gleich zum Mieter zu werden.

von Bernhard Bomke, Euro am Sonntag

Hedwig Winkelmann ist erleichtert. Die Münchnerin, die ihren wirklichen Namen lieber für sich behält, hat ihre Wohnung verkauft - und ist, wie sie betont, glücklich darüber. Die 74-Jährige fühlt sich weiter als Eigentümerin ihrer vier Wände, muss aber nicht mehr von nicht mal 1.000 Euro Witwenrente im Monat leben. Lange hatte sie darüber gegrübelt, was sie mit ihrer 80-Quadratmeter-Wohnung im Münchner Süden anfangen sollte - dort, wo die Hecken so gerade geschnitten sind, dass es auffällt, wenn der Nachbar sie drei Wochen lang hat sprießen lassen.

Dann entschied sie sich für das Modell "Wohnungsverkauf mit Nießbrauch", das ihr in Zeitungsanzeigen aufgefallen war. Sie verkaufte die Wohnung mithilfe des Münchner Immobilien­verrentungsunternehmens Hausplusrente für 340.000 Euro an einen privaten Investor. Ein guter Preis, befand sie, obwohl ein Sachverständiger den Marktwert auf mehr als 600.000 Euro geschätzt hatte. Für Hedwig Winkelmann zählte aber vor allem eines: Sie sicherte sich ein lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht. Dazu ließ sie im Grundbuch ein erstrangiges Nießbrauchrecht eintragen. Damit ist sie bis ans Ende ihrer Tage wirtschaftliche Eigentümerin ihrer Wohnung, die juristisch dem Erwerber gehört.

Otto Kiebler, Gründer von Hausplusrente, nimmt für sich in Anspruch, Erfinder dieses Verrentungsmodells zu sein. Vier, fünf weitere Unternehmen in Deutschland, schätzt er, haben sein Nießbrauchkonzept übernommen, darunter die ebenfalls in München ansässigen Anbieter Degiv sowie Wohnen & Gut Leben. Sie alle werben um den gleichen Kundenkreis und tun das unter anderem bei Veranstaltungen, zu denen die Vermittler einladen.

2009 ging der Mann, der sein Geld mit der Vermittlung von Immobilien verdient, mit seiner Verrentungsspezialität an den Markt. "Immer wieder kamen Leute zu mir, die erzählten, sie seien eigentlich wohlhabend, weil sie eine Immobilie besäßen, aber andererseits hätten sie auf dem Konto kaum Geld." Die Deutsche Seniorenliga, ein vor gut 26 Jahren gegründeter gemeinnütziger Verein, der die Interessen betagter Menschen vertritt, formuliert es so: "Immer mehr Senioren mit Wohn­eigentum sind wohlhabend und arm ­zugleich." Mindestens zwei Millionen Immobilieneigentümer ab 65 Jahre müssen den Zahlen der Organisation ­zufolge im Monat mit höchstens 1.000 Euro auskommen.

Sicher auch bei Pleite des Käufers


Kiebler tüftelte ein Konzept aus, das dem Interesse vieler Senioren entgegenkam, ihr Betongold zu versilbern und dabei keine großen Risiken einzugehen. "Die Leute wollen sicher ihr Geld bekommen, wirtschaftliche Eigentümer bleiben und bis ans Lebensende wohnen bleiben dürfen, auch wenn der Erwerber gepfändet wird", erklärt der Verrentungsfachmann. Also musste ein Modell her, das sicherer als eine klassische Leibrente ist und bei dem Wohnungs­eigentümer nicht plötzlich zu Mietern werden.

Das Ergebnis ist das Hausplusrente-Konzept, das den Verkäufern anders als bei der Leibrente auch dann ihre Einmalzahlung und das lebenslange Nießbrauchrecht belässt, wenn der Käufer pleitegehen würde.

Selbst Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern, der beim Thema Immobilienverrentung eher skeptisch ist, kann dieser grundbuchrechtlich besicherten Nießbrauchvariante Gutes abgewinnen. Wenn ein Unternehmen wie Hausplusrente nur als Vermittler und nicht als Käufer auftrete, könne das im Einzelfall passen. Sein Tipp: "Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass Sie verrenten wollen, sollten Sie immer einen Begleiter haben, der die Verhandlungen mit dem Makler und dem Investor knackig führt, am besten einen Rechtsanwalt oder einen Vermögensberater."

Generell empfiehlt Larisch Senioren, die ihre Immobilie zu Geld machen wollen, eher etwas Klassisches. "Es ist das Beste, sein Eigenheim ganz normal zu verkaufen", sagt er. "Wer nicht umziehen will, kann mit dem Investor ein ­lebenslanges Wohnrecht vereinbaren." Dieses Modell "Verkauf und Rückmietung" stelle sicher, dass Verkäufer den Marktpreis erhalten und nicht hohe ­Abzüge für Wohn- oder Nießbrauchrecht in Kauf nehmen müssten.

Konfliktpotenzial beim Abzinsen


Im Abzinsen fürs Bleibe­recht steckt in der Tat Konfliktpotenzial. "Wenn eine Im­mobilie 400.000 Euro wert ist und die Einmalzahlung an den Verkäufer nur 220.000 Euro beträgt, denken viele Leu­te, sie würden betrogen", bestätigt Kiebler. Doch der Verrentungsexperte rechnet nüchtern vor: Wer den wirtschaft­lichen Gegenwert für ein Wohn-­ oder Nießbrauchrecht bis weit in die Zukunft kalkulieren will, muss wie eine Renten­versicherung auf Sterbetafeln zurück­greifen. Kiebler nimmt diejenige der Deutschen Aktuarvereinigung. Konkurrent Degiv, das von Özgün Imren und Mesut Yikilmaz geführte ­Unternehmen, greift dagegen zur Tafel des Statistischen Bundesamts.

Die Tabelle der Aktuare gibt einer Seniorin wie Hedwig Winkelmann noch rund 20 Jahre Rest­lebenszeit. Nach der Prognose würde sie also 94 Jahre alt. Entsprechend wurde in ihrem Fall die aktuelle Marktmiete angesetzt, 20 Jahre fortgeschrieben und von diesem Betrag zu ihren Gunsten etwa 20 Prozent abgezogen, als Rabatt dafür, dass die Miete für 20 Jahre auf einmal abgezogen wird.

Die von Verbraucherschützer Larisch bevorzugte Variante "Verkauf und Rückmietung" wählt bei Hausplusrente nur jeder siebte Kunde. 85 Prozent hingegen entschieden sich für das Nießbrauch­konzept, bei dem Käufer und Verkäufer jeweils 3,57 Prozent Vermittlungsprovi­sion auf den Verkehrswert der Immobi­lie bezahlen. Nur ganz selten wähle ein Kunde die Leibrente. Kiebler: "Wir empfehlen den Verkauf mit Rückmie­tung dann, wenn Eigentümer sagen, sie wollten in ein paar Jahren zum Beispiel in eine Seniorenresidenz ziehen."

Mindestens zehn Immobilienverrentun­gen schließt Hausplusrente derzeit mo­natlich ab. Das Unternehmen ist neben München auch in Augsburg, Berlin, Düs­seldorf, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Köln, Nürnberg und Stuttgart präsent und profi­tiert davon, eine Kartei mit über 1.200 potenziellen Kaufinteressenten zu ha­ben. Zumeist sind das wohlhaben­de Privatiers, die mit dem Kauf von Woh­nungen, die sie vielleicht erst 20 Jahre später nutzen können, Geld vergleichs­weise sicher anlegen wollen - für sich oder für ihre Erben.

Demnächst will Kiebler noch schneller noch mehr Immobilien verrenten. Dazu legt er einen Spezialfonds auf, in den größere Investoren wie Versorgungswerke oder Familienstiftungen bis zu 50 Millionen Euro investieren. Der Fonds kauft ausschließlich Immobilien von Senioren, die ein lebenslanges Nießbrauchrecht genießen. Die Investoren erzielen laut Prognose mehr als vier Prozent Gesamtrendite vor Steuern.

Wie sicher ist die Leibrente?


Bei der Deutschen Leibrenten Grundbesitz ist der Name Programm. Das 2015 gegründete Unternehmen kauft Senioren ihre Immobilien ab und zahlt ihnen im Gegenzug eine lebenslange Rente. Ein kleinerer Teil der Leibrente, der sogenannte Ertragsanteil, ist steuerpflichtig. Bei 70-Jährigen beträgt der Anteil 15 Prozent. Er sinkt mit zunehmendem Alter und beläuft sich bei 85-Jährigen nur noch auf fünf Prozent. Die Deutsche Leibrenten Grundbesitz verpflichtet sich, die Immobilie bis zum Lebensende des Kunden im Bestand zu halten. Senioren, die ausziehen, können ihre Wohnung weitervermieten und die Einnahmen kassieren, um etwa einen Platz im Pflegeheim zu finanzieren.

Die von Friedrich Thiele und Thorsten Zucht geführte Firma bezeichnet sich als "Marktführer für die Immobilienverrentung" und geht auf ihrer Website ganz offen mit den naheliegenden Fragen von Senioren um. Also, was würde passieren, wenn das Unternehmen pleitegehen würde? Antwort: "Im Insolvenzfall hat der Verkäufer zwar weiterhin sein Wohnrecht und ein lebenslanges Recht auf Rentenzahlung, doch Letzteres entfiele im Fall eines Konkurses zunächst." Die Zahlungen ließen sich in einem solchen Fall aber gerichtlich durchsetzen, sofern sie grundbuchrechtlich gesichert seien.

Für solcherlei hätte Hedwig Winkelmann keine Nerven. Sie ist froh, ihre Wohnung auf Nießbrauchbasis verrentet zu haben, sich auch im Insolvenzfall des Käufers um nichts kümmern zu müssen - und sich etwas leisten zu können. Ein schickes Auto, zum Beispiel. Das steht bei ihr nun vor der Tür.

Immobilien-Verrentung


Variante 1: Verkauf mit Nießbrauch

Die Immobilie wird an einen Investor vermittelt, der daran juristisches Eigen­tum erwirbt. Für die Dauer des lebenslangen Nießbrauchrechts, das im Grundbuch an erster Rangstelle abgesichert ist, bleibt der Verkäufer jedoch wirtschaftli­cher Eigentümer. Er erhält vom Käufer eine Einmalzahlung, die sich aus dem Verkehrswert minus dem Nießbrauchwert ergibt. Letzterer errechnet sich aus einer gutach­terlich ermittelten Monatsmiete und der angenommenen noch ausstehenden Lebens­dauer des Verkäufers. Vorteil: Der Verkäufer kann bis zum Tod wohnen bleiben und erhält sofort Geld. Nachteil: Die Immobilie kann nicht mehr vererbt werden.

Variante 2: Leibrente auf Immobilienbasis

Der Immobilieneigen­tümer erhält vom Käufer eine lebenslange monatliche Renten­zahlung, deren Ertragsanteil steuerpflichtig ist. Die Höhe des Ertragsanteils hängt vom Alter ab, in dem die Rentenzahlung beginnt. Je früher es mit den Zahlungen losgeht, umso höher ist der Ertragsanteil und somit die zu zahlende Steuer. Der Verkäufer ge­nießt ein Wohnrecht, während der Käufer juristischer Eigentümer der Immobilie ist. Vorteil: Der Ver­käufer kann wohnen bleiben und erhält allmonatlich eine Leibrenten­zahlung. Nachteil: Wird der Käufer insolvent, besteht die Gefahr, dass keine Renten­zahlungen mehr erfolgen. Zudem kann die Immobilie nicht mehr vererbt werden.

Variante 3: Verkauf und Rückmietung

Der Verkäufer kassiert vom Erwerber ganz klassisch den marktüblichen Preis für seine Immobilie. Im Gegenzug wird der bisherige Eigentümer Mieter seiner zuvor eigenen vier Wände. Vor­teil: Wenn er vertraglich eine Kün­digung wegen Eigenbedarfs aus­schließt, kann er langfristig in sei­nem vertrauten Heim wohnen bleiben. Nachteil: Der Käufer darf - wie potenziell jeder Eigentümer einer Immobilie - an dem Haus oder der Wohnung Änderungen vor­nehmen, die der Mieter nicht verhindern kann.







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