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Garantiezins: Pech für neue Kunden!

04.12.16 03:00 Uhr

Garantiezins: Pech für neue Kunden! | finanzen.net

Der Garantiezins sinkt 2017 auf magere 0,9 Prozent. Soll man deswegen jetzt noch abschließen, wie die Anbieter suggerieren?

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von Martin Reim, Euro am Sonntag

Geht es nach den Internetauftritten mancher Versicherer, dann läuft gerade eine unglaublich wichtige Frist ab: "Die Zeit drängt" (Ergo Direkt), "Die Uhr tickt" (Alte Leipziger), "Jetzt mehr mitnehmen" (WWK).



Mit "jetzt" ist die Zeit bis Jahresende gemeint. Denn zum 1. Januar sinkt der gesetzliche Garantiezins von 1,25 auf 0,9 Prozent. Zwar betrifft das fast nur Neuverträge, die mit diesem Garantiezins kalkuliert sind - dafür aber in etlichen Sparten: Kapitallebens- und private Rentenpolicen, geförderte Angebote à la Riester, Rürup und Betriebsrente, zudem Berufsunfähigkeits-, private Pflegerenten- und manche Unfallversicherungen.

Sollte man tatsächlich noch auf die Schnelle abschließen? Für die meisten Kunden besteht kein Handlungsbedarf. Warum, lässt sich am besten am Beispiel einer privaten Rentenversicherung erklären. Der Garantiezins bezieht sich nicht auf die gesamten Prämien, sondern nur auf den sogenannten Sparbeitrag, also auf Einzahlungen minus Kosten. Und diese Kosten sind hoch - so hoch, dass schon heute bei einem durchschnittlichen Vertrag nur ein Bruchteil des Garantiezinses tatsächlich beim Kunden landet.


Das zeigt die Tabelle unten: Bei Kontrakten, die eine Auszahlung von mindestens 20 000 Euro zu Vertragsende zusichern, rentiert sich schon jetzt jeder eingezahlte Euro lediglich mit 0,10 Prozent pro Jahr. Bei Summen unter 20 000 Euro schlägt sogar ein Minus von 0,20 Prozent zu Buche. Grund für die Differenz: Kleinere Summen sind relativ mit höheren Kosten belastet und haben zudem einen geringeren Zinseszinseffekt. Bei einem Garantiezins von 0,9 Prozent fallen die Zahlen noch ein bisschen schlechter aus. Die Daten stammen von Partner in Life, einer Firma, die Lebensversicherungen aufkauft und auf Basis dieser Verträge für €uro am Sonntag kalkuliert hat.

Aufpassen sollte man allerdings, ob der Garantiezins bei allen Anbietern tatsächlich noch gilt. So ist der Volkswohl-Bund bei privaten Rentenversicherungen bereits zum 1. Oktober auf 0,5 Prozent gegangen. Und eine Reihe von Anbietern offeriert neuartige Produkte mit einem Garantiezins von null - beispielsweise fast alle der sogenannten Indexpolicen, bei denen die Kunden an der Entwicklung eines oder mehrerer Börsenbarometer teilhaben können.


Glücklicherweise erzielen die Versicherer für Kunden herkömmlicher Policen derzeit höhere Ergebnisse als den Garantiezins. Zuletzt wurde neuen Verträgen eine sogenannte Überschussbeteiligung von im Schnitt knapp 2,9 Prozent zugeteilt. Also das, was an Garantiezins plus zusätzlichen Gewinnanteilen an den Kunden ausgeschüttet wird.

Fazit: Wem ein Kapitalerhalt - ohne Abzug der Inflation - eminent wichtig ist, der sollte jetzt noch abschließen. Für alle anderen besteht in puncto Garantiezins keinerlei Handlungsdruck.

Und wie steht es abseits der Rentenversicherungen? Beispiel Berufsunfähigkeitspolicen. Verbraucherschützer zählen sie zu den wichtigsten Absicherungen: "Wir erwarten, dass 2017 bei neu abzuschließenden Verträgen die Prämien um bis zu fünf Prozent steigen", erklärt Miriam Michelsen, Leiterin Vorsorge beim Finanzdienstleister MLP. Grund: Das Kapital, das sich für künftige Versicherungsleistungen ansammelt, ist auf Basis des Garantiezinses kalkuliert. "Wenn der Wert sinkt, werden höhere Prämien nötig", so Michelsen. Und je länger der zu versichernde Zeitraum ist, desto höher falle das Beitragsplus aus. Fazit: Hier ist ein rascher Abschluss überlegenswert.

Bei privaten Pflegerentenversicherungen ist eine konkrete Aussage schwierig. Sie sind so kalkuliert, dass Kunden in jüngeren Jahren ein finanzielles Polster aufbauen, von dem sie später zehren. Diese Polster, genannt Alterungsrückstellungen, werden ebenfalls mit dem Garantiezins verzinst. Um also dasselbe Polster zu halten, müssen die Beiträge steigen. Oder die Leistungen, die bei Vertragsabschluss garantiert werden, gegenüber 2016 sinken. So kalkuliert der Volkswohl-Bund, dass bei ihm ab 2017 die garantierten Renten um bis zu zehn Prozent niedriger ausfallen.

Die marktweiten Veränderungen sind laut MLP schwer vorherzusagen. Denn parallel greift Anfang 2017 das sogenannte Pflegestärkungsgesetz II, das die bisherigen drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt. Das bringt, so MLP, zusätzliche Leistungen von den privaten Versicherern und weitere Beitragssteigerungen mit sich.

Auf die Pflegepolice kommt es an

Unberührt vom sinkenden Garantiezins sind hingegen Pflegetagegeldversicherungen, beispielsweise die staatlich subventionierten Pflege-Bahr-Policen. Hier hängen Beitragserhöhungen - auch für bestehende Verträge - von unternehmensindividuellen Kalkulationen und vom Schadensverlauf ab. Doch auch hier gilt laut MLP: "Das Pflegestärkungsgesetz wird vermutlich zu Beitragserhöhungen führen."

Bei allen Pflege- und Berufsunfähigkeitspolicen ist zu beachten: Falls die Prämien zu Jahresbeginn stark steigen sollten, ist damit noch nicht das letzte Wort gesprochen. So mussten Ende 2012 die bis dahin oft stark unterschiedlichen Beiträge für Männer und Frauen laut Gesetz quer durch die Versicherungssparten angeglichen werden. Im Zuge dieser sogenannten Unisex-Tarife kam es beispielsweise in der privaten Krankenversicherung zu massiv steigenden Beiträgen. Ein Jahr später nahmen viele Anbieter den Anstieg zu einem guten Teil zurück. Teils weil sie zu vorsichtig kalkuliert hatten, teils weil der harte Wettbewerb sie dazu zwang.

Was der Garantiezins wirklich einbringt (pdf)

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