Private Krankenversicherung: Notfall für Privatversicherte
27.03.16 03:00 Uhr
Während junge Kunden deutlich weniger zahlen als in der Gesetzlichen, wird es für ältere umso teurer. Doch es gibt einige Auswege.
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von M. Hinterberger und M. Reim, Euro am Sonntag
Der Schock sitzt tief: Bei der DKV, Deutschlands zweitgrößter privater Krankenversicherung, steigen die Monatsprämien ab April teilweise um bis zu 130 Euro. Betroffen sind etwa 60 Prozent der 880.000 DKV-Kunden. Über alle Tarife geht es im Durchschnitt um 7,8 Prozent nach oben.
Auch wenn die Erhöhungen bei der DKV besonders massiv ausfallen, sind viele Konkurrenten ebenfalls nicht gerade zimperlich. Daten des Finanzinformationsdienstes "map-report" zeigen, dass es für privat krankenversicherte Angestellte zwischen 2000 und 2016 pro Jahr im Schnitt um 3,7 Prozent teurer wurde. Basis sind repräsentative Tarife von 17 Unternehmen, die rund zwei Drittel des Markts abdecken. Zum Vergleich: In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lag das Plus im gleichen Zeitraum bei nur 2,7 Prozent pro Jahr.
Ebenfalls quer durch die PKV-Branche zieht sich das Phänomen, dass Privatversicherte jenseits der Fünfzig besonders stark betroffen sind. Kein Wunder: Viele von ihnen wechselten als junge, gesunde und gut verdienende Menschen von der GKV in die PKV und zahlten deutlich weniger Beitrag. Doch mit zunehmendem Alter steigen die Prämien. Grund hierfür ist der medizinische Fortschritt, der zwar dafür sorgt, dass die Menschen immer älter werden, aber auch dafür, dass sie immer intensiver medizinisch versorgt werden müssen. Hinzu kommt das Zinstief, weshalb die Alterungsrückstellungen der Privatversicherten (siehe Glossar) nicht mehr so rentierlich angelegt werden können wie noch vor einigen Jahren.
Viel schwerer wiegt der dritte Punkt, den viele angestellte Privatversicherte gern verdrängen: Im Rentenalter zahlt der Arbeitgeber nicht mehr die Hälfte des Beitrags. Von der Rentenkasse kommt kaum etwas dazu. Bei einer Rente von 2.000 Euro gibt es maximal 146 Euro Zuschuss für die PKV. Ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Prämie erst einmal vierstellig ist. Daher raten Experten Privatversicherten, den Betrag anzulegen, den sie gegenüber der Gesetzlichen sparen, um später davon zehren zu können.
Wer jünger als 55 ist, kann aber noch wechseln. Ab dem 55. Geburtstag gibt es praktisch kein Zurück mehr aus der Privaten, es sei denn, man erhält Hartz IV. Für Privatversicherte, die eine kleine Rente erwarten, kann es sich lohnen, in die Gesetzliche zurückzuwechseln: Wer die Grenze von 55 Jahren noch nicht überschritten hat, für den reicht es, einen Monat versicherungspflichtig geworden zu sein. Das heißt: Er muss einen Monat lang weniger als 4.687,50 Euro brutto verdienen. Wer bereits vor 2009 privat versichert war, muss sogar unter 4.050 Euro bleiben.
Ein Monat Teilzeit
"Für Angestellte kann das heißen, dass sie mit ihrem Chef eine einmonatige Teilzeit vereinbaren", erklärt Versicherungsmakler Thomas Adolph. Denn auch wer insgesamt im Jahr über 56.250 Euro verdient - dort liegt seit 2016 die Versicherungspflichtgrenze -, kann gesetzlich versichert bleiben. Den Teilzeitvertrag sollte man nach Möglichkeit "aus familiären Gründen" anstreben. So hat man die Möglichkeit, nach kurzer Zeit (einem Monat) wieder aufzustocken. Beispielsweise wenn ein Pflegefall in der Familie wieder genesen ist. Wenn der Teilzeitvertrag geschlossen ist, bekommt der Angestellte von der Gehaltsbuchhaltung seines Arbeitgebers den Hinweis, dass er unter die Grenze für die Privatversicherung gerutscht ist. Mit dieser Mitteilung kann man seine PKV kündigen und sich eine gesetzliche Krankenkasse aussuchen.Auch wer mit dem nächsten Vertrag wieder so viel verdient, dass er sich privat versichern dürfte, der kann in der GKV bleiben, denn es besteht kein Zwang, ab einem bestimmten Verdienst in die Private zu wechseln. Selbstständige und Freiberufler haben es da schwieriger: Sie müssen sich einen Monat lang versicherungspflichtig anstellen lassen. "Minijobs auf 450-Euro-Basis gehören nicht dazu", warnt Adolph.
Neben dem "Systemwechsel" gibt es noch die Möglichkeit, innerhalb der Privaten zu wechseln. Das ist nach Paragraf 204 des Versicherungsvertragsgesetzes ausdrücklich erlaubt. Zudem müssen die Versicherer, wenn sie die Prämie erhöhen, darauf hinweisen, dass der Kunde in einen günstigeren Tarif wechseln kann. "Wenn Wechselwillige kommen, stellen sich viele Versicherer erst mal stur", weiß Versicherungsberater Thorsten Rudnik. Schließlich müssen sie mit geringeren Einnahmen rechnen. Rudnik rät, hartnäckig zu bleiben. "Es gibt fast immer einen Tarif, in den es sich zu wechseln lohnt."
Wer innerhalb der Privaten wechselt, sollte nur innerhalb des Angebots der angestammten Gesellschaft wechseln. Denn nur so bleiben Alterungsrückstellungen erhalten. Diese sorgen dafür, dass die Prämie im Alter deutlich langsamer steigt. Wer dagegen den Anbieter wechselt, kann das fürs Alter Ersparte nur mitnehmen, wenn er sich erstmals nach 2009 privat versichert hat. Und selbst dann bleibt ein Teil der Rückstellungen beim Altversicherer.
Außerdem müssen Wechsler beim neuen Anbieter eine erneute Gesundheitsprüfung machen, und die fällt bei älteren Versicherten in der Regel schlechter aus, was wiederum zu höheren Prämien führt. Daneben wäre zudem das neue, höhere Eintrittsalter zu berücksichtigen, was einen Wechsel ebenfalls meist unsinnig werden lässt.
"Versicherte können sich ihren Wunschtarif auch maßschneidern", so Experte Adolph. Sie sollten die Gesellschaft auffordern, die Unterschiede des neu angebotenen gegenüber dem bisherigen Tarif zu nennen und die Mehrleistung auszuschließen. Das hören einige Versicherer nicht so gern, erklärt Adolph. "Aber mit etwas Nachdruck lassen sie die Versicherten zu ihrem Recht kommen."
Tarif verschlanken
Hat der Versicherer nur einen oder wenige Tarife im Angebot, können Versicherungsberater, die sich auf geschlossene Alttarife spezialisiert haben, helfen. Diese Berater, deren Stundensätze bei 100 bis 150 Euro plus Mehrwertsteuer liegen, finden meist einen Tarif, in den der Versicherte noch wechseln kann. Zudem kann man den angestammten Tarif "schlanker" machen. "Es muss nicht das Einbettzimmer mit Chefarztbehandlung sein", so Adolph.Sind alle Alternativen zu teuer und der Wechsel in die Gesetzliche nicht mehr möglich, bietet die private Krankenversicherung zwei Tarife auf dem Niveau der gesetzlichen Versicherung an: "Wer bereits vor 2009 privat krankenversichert war, kann in den Standardtarif wechseln", sagt Berater Rudnik. Wer dagegen erst seit 2009 in der PKV ist, hat diese Möglichkeit nicht mehr. Für diese Gruppe wurde der sogenannte Basistarif geschaffen. Beide kosten maximal den Höchstbeitrag der GKV.
Glossar:
Alterungsrückstellungen: Damit im Alter die Kosten von Privatversicherten nicht den Großteil ihres Einkommens auffressen, bilden Versicherer für jeden Kunden sogenannte Alterungsrückstellungen. Dafür fließt von den Prämien ein bestimmter Anteil auf ein separates "Konto", das nach bestimmten Regeln verzinst und in der Rente nach und nach aufgezehrt wird. Bei vielen Altverträgen liegt der Garantiezins (auch Rechnungszins genannt) für die Rückstellungen bei 3,5 Prozent. Liegt die tatsächlich erwirtschaftete Rendite darunter, was bei vielen Anbietern mittlerweile der Fall ist, steigen die Prämien.Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze: Im Wechselspiel zwischen PKV und GKV gibt es zwei wichtige Grenzen. Die Versicherungspflichtgrenze gibt an, ab wann sich gesetzlich Versicherte privat versichern dürfen. Derzeit liegt sie bei 4.687,50 Euro Bruttomonatseinkommen. Die Beitragsbemessungsgrenze gibt an, bis zu welcher Einkommenshöhe Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung fällig werden. Sie liegt bei einem Monatsbrutto von 4.237,50 Euro. Bezogen auf den aktuellen Beitragssatz (7,3 Prozent des Monatsbruttos zahlt der Arbeitgeber; zwischen 7,3 und 9,0 Prozent kommen vom Arbeitnehmer) beträgt der Beitrag höchstens 690,72 Euro. Beide Grenzen werden jährlich angepasst, sprich heraufgesetzt.
Wer hilft: Wechselwillige Privatversicherte können sich an Versicherungsmakler oder Versicherungsberater wenden. Der Unterschied: Makler verdienen ihr Geld über die Provision, die sie für neu vermittelte Policen erhalten. Daher besteht die Gefahr, dass Vermittler eher dazu raten, die Gesellschaft zu wechseln. Das ist für den Makler wegen der im Vergleich deutlich höheren Provision sehr lukrativ, für Versicherte aber in der Regel ungünstig. Das heißt aber nicht, dass alle Makler dieses Motiv haben. Versicherungsberater verdienen nicht an der Provision, sondern verlangen ein Honorar von etwa 100 bis 150 Euro pro Stunde (plus Mehrwertsteuer). Mit Vorsicht begegnen sollte man Firmen, die "Beitragsoptimierung in der PKV" versprechen. Ihr Verdienst richtet sich nach der Ersparnis des Kunden. Das mag vordergründig gut klingen, schließlich sind Kunde und Dienstleister im selben Boot, nicht selten sorgen diese Unternehmen aber dafür, dass die Versicherten in Billigtarife mit Leistungen noch unter dem Niveau der GKV gedrängt werden.
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