"Neubau von Wohnungen wird die Preise kaum dämpfen"
Der Neubau von mehr Wohnungen in Deutschland wird sich in nächster Zeit weit weniger dämpfend auf die Kaufpreise und Mieten auswirken als gemeinhin angenommen.
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von Bernhard Bomke, €uro am Sonntag
Das sagte Marcus Cieleback, Chefökonom bei der Immobilien-Aktiengesellschaft Patrizia, auf einer Veranstaltung des Immobilienbewerterverbandes BIIS in Frankfurt am Main. Es gebe zwar keine Gründe, den Neubau von Wohnungen nicht zu forcieren, aber der Effekt für das Preisniveau auf den angespannten Wohnungsmärkten in Deutschland werde maßlos überschätzt. Sein Argument: Die 245.000 Wohnungen, die laut Statistischem Bundesamt 2017 in neu errichteten Wohngebäuden entstanden sind, entsprächen nur 0,6 Prozent des gesamten Bestands in Deutschland. Der beläuft sich auf 42 Millionen Wohnungen.
Wenig Entspannungspotenzial an der Wohnungspreisfront sieht auch Daniel Ritter. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des Maklerunternehmens von Poll Immobilien und sagt für die angesagtesten Städte Deutschlands weiter steigende Wohnungspreise voraus. Einzig im Segment der teuersten Objekte, damit meint er Häuser und Villen in der Preisklasse 2 Millionen Euro aufwärts, seien die zu erwartenden Preissteigerungen gering. Der Grund: "Die Vermarktung solcher Wohnungen dauert länger." Ein Zeichen dafür, dass wohlhabende Käufer nicht gewillt sind, jeden astronomisch anmutenden Preis zu akzeptieren.
Patrizia-Ökonom Cieleback macht für seine Argumentation noch eine andere Rechnung auf. Wenn man unterstelle, eine Wohnung werde 100 Jahre alt, müsste allein für den Ersatz nicht mehr nutzbarer Wohnungen jedes Jahr ein Prozent des Wohnungsbestands erneuert werden. Das wären 420.000 Wohnungen im Jahr. Nehme man an, die Deutschen seien so gründlich, dass ihre Häuser 200 Jahre halten, müssten alljährlich 0,5 Prozent des Bestands erneuert werden. Das entspräche 210.000 Wohnungen. Die 245.000 neuen Wohnungen von 2017, immerhin der höchste Wert seit 2004, liegen nur vergleichsweise wenig über dem Ersatzbedarf.
Etwas besser sieht es aus, wenn man die weiteren 40.000 neuen Wohnungen hinzuzählt, die im vergangenen Jahr in Bestandshäusern oder in Büro- oder Geschäftsgebäuden geschaffen wurden. Daraus ergibt sich die Summe von 285.000 Wohnungen, die im vergangenen Jahr hierzulande geschaffen wurden. Das ist der höchste Wert seit 2002.
Folgt man der Analyse des Experten aus Augsburg, würden selbst die 1,5 Millionen Wohnungen, die die Bundesregierung in den vier Jahren der laufenden Legislaturperiode schaffen will, nicht dazu reichen, den Anstieg der Wohnungspreise und -mieten nennenswert zu bremsen. Jedenfalls solange die Nachfrage nach Wohnungen in vielen Städten das Angebot so deutlich übersteigt wie derzeit.
Cieleback kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, dass der Mangel an Wohnungen der wichtigste Grund für die vielerorts stark gestiegenen Wohnungspreise und -mieten ist. Zwar seien auch die Baukosten gestiegen, die hohen Preise und Mieten seien damit aber nicht hinreichend zu erklären.
Von-Poll-Geschäftsführer Ritter unterlegt seine Einschätzung, dass Wohnungen und Häuser an den begehrten Standorten Deutschlands auf Sicht weiter teurer werden, mit Zahlen, die seine Datenbank hergibt. Die speist sich aus knapp 4000 Notarterminen für Wohnungskäufe, die von Poll alljährlich begleitet, sowie aus Zahlen, die das Unternehmen von den Gutachterausschüssen der Kommunen dazukauft. Ein paar Kostproben: In München, dem teuersten Pflaster Deutschlands, kosteten Ein- und Zweifamilienhäuser im vergangenen Jahr im Schnitt 1,28 Millionen Euro. Das entsprach einem Preisanstieg von 11,1 Prozent gegenüber 2016. Dahinter folgen Stuttgart (685.000 Euro), Düsseldorf (684.000 Euro) und Frankfurt am Main (598.000 Euro).
Bei Eigentumswohnungen nennt Ritter für München einen Durchschnittspreis von 448.400 Euro. Dahinter folgen, ebenfalls in Bezug auf 2017, Frankfurt (407.100 Euro), Hamburg (383.100 Euro) und Düsseldorf (349.600 Euro).
Die verstärkten Bemühungen, mehr Wohnungen in Deutschland zu bauen, hält der von-Poll-Geschäftsführer für richtig. Allerdings warnt er davor, sich davon einen großen Zuwachs preisgünstiger Wohnungen zu versprechen. "Unter 2500 Euro, eher sogar 3000 Euro pro Quadratmeter können Sie nicht mehr bauen", sagt er. "Und da kommt das Grundstück noch dazu." Ergibt mit allem Drum und Dran einen Orientierungswert von etwa 4000 Euro pro Quadratmeter. Dass nicht günstiger gebaut werden könne, hat nach seiner Einschätzung auch mit den gestiegenen Ansprüchen vieler Käufer und Mieter an die Wohnungsausstattung zu tun. "Früher hatte man in einfachen Bauten PVC-Fußböden", erzählt er. "Heutzutage wollen die Leute im Bad Steinboden und in der ganzen Wohnung Fußbodenheizung."
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